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österreichische allgemeine Sterbetafel 1949/51

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Zum Verständnis der vorstehend auszugsweise — von zehn zu zehn Jahren — wiedergegebenen Sterbetafel sei folgendes bemerkt: Die einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten geben an, mit welcher Wahrscheinlichkeit für eine männliche oder weibliche Person eines bestimmten Alters zu rechnen ist, daß sie dieses Altersjahr nicht überlebt. Aus den Sterbewahrscheinlichkeiten ergibt sich eine Ueberlebensordnung für 100.000 Geborene, die sich im Laufe von rund 100 Jahren sukzessive um die Zahl der in der Tabelle angegebenen Gestorbenen bis zum Aufbrauch vermindern. Die darin enthaltene Gesetzmäßigkeit ist aus dem bei der Volkszählung 1951 festgestellten Altersaufbau und den in geeigneter Weise auf ihn bezogenen Sterbefällen ermittelt worden. Die nur dem Einfluß der normalen Sterblichkeit unterworfene Bevölkerung nennt man stationär.

Die Sterblichkeitsverhältnisse ändern sich im allgemeinen nur langsam. Von Periode zu Periode werden diese Aenderungen trotzdem deutlich merkbar. Der Vergleich zwischen den bildlichen Darstellungen der Tafelangaben von 1906—1910 — aus einer längeren Zeit ruhiger Entwicklung stammend — und jenen für 1949—1951 — am Beginn einer hoffentlich ähnlichen Periode — läßt die erwähnten mit der Lebensdauer verbundenen und zum Teil zu Problemen gewordenen Tatsachen größenordnungsmäßig erkennen.

Die Abbildung 1 zeigt den Verlauf der Sterblichkeit in den beiden etwa 43 Jahre auseinanderliegenden Perioden. Der Charakter der beiden Kurven ist ähnlich. Nach dem Absinken der Werte von der Säuglingssterblichkeit zu einem Mindestwert bei 10 bis 11 Jahren ist ehemals ein etwas stärkeres Ansteigen der Sterblichkeit im jugendlichen Alter beziehungsweise zur Zeit des Eintritts in das Berufsleben vorhanden gewesen, das jetzt weit geringer ist. Schließlich laufen die Kurven nahezu bei den gleichen Werten aus, d. h. die Sterblichkeit im höchsten Alter ist gleich geblieben. Das Höchstalter des Menschen ist, wenn überhaupt, nur unmerklich gestiegen. Wohl aber ist die S ä u g 1 i n g s s t e r b 1 i c h-kei t von einem Wert von 0,21982 auf 0,07518 beim männlichen Geschlecht und von 0,18480 auf 0,05838 beim weiblichen Geschlecht auf etwa ein Drittel der seinerzeitigen Größen gesunken. Bei den Einjährigen beträgt die Verbesserung der Verhältnisse sogar 90 Prozent. Diese wesentliche, auf den Fortschritt der Medizin und Hygiene, die gebesserten Wohnverhältnisse und den gehobenen LebensStandard zurückführende Senkung der Sterblichkeit beträgt bei beiden Geschlechtern bis zum Alter von 40 Jahren mindestens zwei Drittel des ehemaligen Wertes. Die Verbesserung bei den Jugendlichen und in den ersten Erwachsenenjahren hat ihre Ursache auch im Rückgang der Tbc-Sterbefälle in diesem Altersabschnitt. Zu bemerken ist noch, daß

die Sterblichkeit des weiblichen Geschlechtes durchaus geringer als bei den männlichen Personen ist.

Noch deutlicher sichtbar werden die Auswirkungen der geringeren Sterblichkeit in der

welche die stationären männlichen Bevölkerungen von 1906—1910 und 1949—1951 als Flächen zwischen den Kurven und der Abzissenachse wiedergibt. Der schraffierte Teil umfaßt die Menge Menschen, die wegen der geringeren Säuglingssterblichkeit und Verringerung der Sterblichkeit überhaupt ein höheres Alter erreichen. Die stationäre männliche Bevölkerung von 1949—1951 ist ohne Vermehrung der Geburten um 52 Prozent größer als die von 19Q6—1910. Aus dem Bild ist auch die wahrscheinliche Lebensdauer abzulesen, das ist jenes • Alter, bei dem die Zahl der Ueberlebenden eines Jahrganges auf die Hälfte von 100.000 gesunken ist. Bei den Männern hat sich diese wahrscheinliche Lebensdauer innerhalb der inzwischen verstrichenen 43 Jahre von 48,5 auf 69,2 Jahre, bei den Frauen von 52,0 auf 74,2 erhöht. Davon ist die mittlere Lebensdauer oder mittlere Lebenserwartung der Neugeborenen, das ist jenes Alter, das ein Neugeborener durchschnittlich zu erwarten hat, etwas verschieden; bei einer Steigerung seit 1910 um 21,3 Jahre beim männlichen Geschlecht, erreicht es für dieses 61,9 Jahre, beim weiblichen Geschlecht sind es 24,2 und 67 Jahre. Die Kenntnis der mittleren Lebenserwartung der Altersjahrgänge hat besondere Bedeutung in der Lebensversicherung und in der Gerichtspraxis bei tödlichen Unfällen.

gibt die Verschiebung der Gestorbenenzihlen wieder. Die Zahl der in einer stationären Bevölkerung jetzt weniger sterbenden Säuglinge und jüngerer Menschen wird durch die vermehrten Todesfälle in höheren Altersjahren

kompensiert. Das theoretische Maximum der Todesfälle liegt jetzt — wenig verschoben gegen früher — für Männer bei 76, für Frauen bei 79 Jahren.

Es sind, wie die beiden Abbildungen zeigen, mehr ältere Leute als früher vorhanden. Diese ganz natürliche Folge des allgemeinen Fortschrittes der Gesundheitserhaltung wird

vielfach als Ueberalterung oder sogar als Vergreisung der Bevölkerung bezeichnet. Bedenklich wird der Zustand erst dann, wenn die Fruchtbarkeit der Frauen gleichzeitig erheblich zurückgeht. Die Verschiebung der Verhältniszahlen der Kinder und Jugendlichen zu den berufsfähigen Erwachsenen und zu den Greisen erfordert geeignete, Maßnahmen, um die Versorgung der Alten ebenso zu sichern, wie das Großziehen der Kinder bei unzureichendem Familieneinkommen. Es sind dies schwerwiegende und allgemeine Probleme, deren Lösung entgegen populären Tendenzen vielleicht auch in erhöhten Prämienzahlungen für die Altersver-sergung und Hinaufsetzen des Rentneralters für Arbeitsfähige zu suchen sein könnte. Aber auch das Problem des Männer-mangels läßt sich aus der Sterbetafel in Verbindung mit dem tatsächlichen Altersaufbau eigenartig beleuchten.

Die Kurve der nur der Sterblichkeit unterworfenen stationären Bevölkerung gibt gewissermaßen eine Leitlinie für die Analyse der Störungen im tatsächlichen Altersaufbau. Es ist das Absinken der Geburtenzahlen nach dem vorübergehenden Ansteigen in der Nach* kriegszeit (den nachgeholten Kindern) tu erkennen, der scheinbare wirtschaftliche Aufstieg zu Beginn der deutschen Besetzung spiegelt sich wider, wie die 1929 einsetzende Krisenzeit. Besonders schwer wirkt sich beim männlichen Geschlecht das Zusammentreffen des Geburtenausfalles des ersten Weltkrieges mit den Verlusten im zweiten Weltkrieg aus. Die schwache Einbuchtung bei den 60jährigen infolge der Verluste des ersten Weltkrieges ist noch zu erkennen. Eine gewisse Parallelität zwischen Wirklichkeit und Theorie für die ruhige Zeit, welche die älteren Jahrgänge erlebten, ist gleichfalls festzustellen.

Zeichnet man den Unterschied der Zahl der Männer und der gleichaltrigen Frauen der stationären Bevölkerungen bei Berücksichtigung . des Geschlechtsverhältnisses der Neugeborenen auf, so ist zu ersehen, daß bis zu einem Alter von 50 Jahren die Männer überwiegen.

Die darübergelegten Differenzen der gleichaltrigen Männer und Frauen des tatsächlichen Altersaufbaues (Zickzacklinie) veranschaulichen, daß von den Altersjahrgängen 23 bis 50 wegen der Kriegsverluste an Männern für die fortpflanzungsfähigen Alter der Frauen von einem Männermangel gesprochen werden muß, während über 50 die geringere Frauensterblichkeit einen Frauenüberschuß erzeugt. Die Verhältnisse liegen in Wirklichkeit wegen des Altersunterschiedes der Eheleute noch etwas ungünstiger.

Aus der vorstehenden Abbildung der absoluten wie auch der Verhältniszahlen sind die Probleme der infolge Männermangels zum Beruf genötigten Frau, der dadurch gleichfalls bedingten Eheverhinderung und der Altersversorgung der Frauen angedeutet.

Leider geben die Zahlen und Bilder nur die Tatsachen der Probleme wieder, ohne eine Lösung zeigen zu können, um die sich nun die Berufenen an Hand der Unterlagen bemühen müssen.

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