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österreichische Besinnung

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Oesterreichs Staatsoberhaupt begeht seinen achtzigsten Geburtstag. In Kürze rindet, unter Anteilnahme der Weltöffentlichkeit, die Krönung der Königin Elizabeth II. von England statt.

Der drastische Gegensatz ist geeignet, eine österreichische Selbstbesinnung zu fördern. Nur sie kann uns ja die Kraft vermitteln, die wir brauchen, um die Zukunft aus eigener Kraft zu bestehen.

Dort, jenseits des Meerarms, versammeln sich die Völker des Britischen Commonwealth, um das leibhaftige Symbol ihrer Einheit, der Größe und des Glanzes des englischen Reiches zu ehren und zu feiern. Mehr denn je ist heute ein Monarch das sichtbare Sinnbild von dem, was die Vergangenheit und Gegenwart einer Nation in die Waagschale der Zukunft legt. Der König, d i e Königin werden häufig nicht daran gemessen, was „er“, was „sie“ sind, sondern an dem, was sie repräsentieren und wie sie repräsentieren: wie sie die hohe Rolle spielen, wie sie das schwere Amt verwalten, das ihnen von der höchsten Macht und von der Nation aufgelastet wird, in eben diesem Welt-und Zeit-Theater zu spielen. Monarchen sind also Traditionsträger. Auf ihnen lastet die Verpflichtung, eine ruhmvolle Vergangenheit durch die Gefahren der Gegenwart zu erhalten und ihre Schätze weiterzugeben an die Erben. Der König ist tot, es lebe der König. Es ist dieses höchst Unpersönliche, besser: Ueberpersönliche, das die Gesichter echter Monarchen prägt. Sie sind gleichzeitig Enkel und Ahn, aus ihren ernsten und heiteren Zügen sieht uns die ungebrochene Kontinuität an, in ihnen begegnet uns leibhaftig das unerschütterte Vertrauen eines Volkes in den guten Sinn seiner Zukunft und Vergangenheit. Ungebrochen ist ihre Lebenslinie. Deshalb auch die Krönung, die Bekleidung mit den alten Zeichen der Souveränität und Staatsmacht: die Krönung verwandelt. Sie macht aus einer irgendwie immer noch privaten Person eine überindividuelle Gestalt. Den Träger eben der Krone.

Ganz anders sieht ein Staatsoberhaupt in einer jungen Republik aus. Gewiß: auch hier ist ein Staatspräsident Repräsentant; ist Symbol und leibhaftige Vertretung der Staatshoheit; verkörpert den Willen des Volkes, Verantwortung zu tragen für sein eigenes Geschick, nach außen hin und nach innen. Viel mehr aber als in anderen Staatsformen sieht man in einer demokratischen Republik nicht zu dem Träger einer Tradition, zu seiner überindividuellen Figur auf und empor, sondern sieht dem Manne ins Gesicht.

Wir glauben, daß wir Dr. h. c. Theodor Körner, unseren Bundespräsidenten, nicht besser an diesem Tag ehren können, als indem wir ihm gerade ins Gesicht sehen. In dieses von einem Starken und leidenschaftlichen Willen geformte Gesicht, dessen Kraftlinien und Kerben deutlich verraten: hier steht ein Mann, der sich in sehr eigener und sehr eigenwilliger Artung sein Leben geschmiedet hat und einen Weg ging, der ihm weder in der Wiege gesungen noch auch durch Beruf und langjährige Laufbahn vorgeschrieben war. Es scheint uns dieses Leben, dessen Kurven, Krisen, Gfähr-dungen, Versuchungen und Höhepunkte deutlich und offen sichtbar mr jeden Bürger dieses Landes präsent sind, vorzustellen, als eine ernste Mahnung, aber, wenn richtig verstanden, auch als ein ermutigender Zuspruch, was dieses Oesterreich heute ist.

Der aus bürgerlichen und kleinbürgerlichen Familien stammende Vorzugsschüler der Militäroberrealschule in Mährisch-Weißkirchen, geboren in Komorn, in der Garnisonstadt seines Vaters, der 1917 als kleiner Beamter in einem Wiener Ministerium sterben wird, dient sich in den Garnisonen des alten Reiches zwischen 1894 und dem Beginn des ersten Weltkrieges zum Oberstleutnant hinauf. Als Generalstabschef der ersten Isonzo-Armee verläßt der Oberst Körner mit den heimkehrenden Truppen die Schlachtfelder und tritt nun in jenes Schicksal ein, das ihn im stürmischen und gefährlichen Auf und Ab der ersten jungen Republik Oesterreich zu einem politischen Kämpfer werden läßt, der im Staatsamt für Heerwesen (unter Julius Deutsch), im Wiener Gemeinderat, in den Kampf Organisationen de' revolutionären Sozialismus der Otto-Bauer-Epoche zu einem militanten und gefürchteten Vorkämpfer für seine Sache, seine Partei wird.

Wenn wir Oesterreicher heute, 1953, auf jene Zeit zurückblicken, dann kann es nur in emster Besinnung sein. Wir danken es Gott, daß der Generalmajor Theodor Kömer nicht geworden ist, wozu Zeit und Stunde ihn zu drängen schienen: zum Bürgerkriegsgeneral, zum Führer der bewaffneten Arbeiterschaft, des von ihm organisierten Schutzbundes, im offenen Kampf um die Machtübernahme.

In den Jahrzehnten zwischen 1924 und 1944 ist aus dem überzeugten Vorkämpfer einer Parteisache der Mann geworden, der immer mehr und immer deutlicher erkannt hat, daß es eine Sache gibt, die höher steht, und die zu vertreten nicht weniger Mut, Bürgermut fordert als auch die heiligste Ueberzeugung einer parteipolitischen Position: die Sache des ganzen Volkes und Landes. Oesterreich.

Mit dem österreichischen Volk — und er trägt die Narben dieses Volkes in seinem Gesicht — ist Theodor Körner den schweren Weg der Erfahrungen gegangen: von 1924 bis 1927, von 1927 bis 1933, von 1934 zu 1938, von 1938 zu 1945. Es gibt keinen einzigen der alten Kämpfer von damals, deren Gesicht nicht überschattet ist von den Zeichen dieser Zeit. Zu was für einem befreienden Lachen aber haben sie sich entfaltet im Antlitz unseres Bundespräsidenten, der nach einem Quinquennium als Bürgermeister der Stadt Wien, nach einem erbitterten Wahlkampf, '1952 zum Bundespräsidenten der Republik Oesterreich gewählt wurde.

Warum muß von all dem jetzt, heute gesprochen werden, und gerade am Ehrentage Theodor Körners? Weil uns nichts geeigneter erscheint, die echten Chancen der Demokratie aufzuzeigen als eben diese Erscheinung: Der achtzigste Geburtstag unseres Staatsoberhauptes sollte deshalb für alle Oesterreicher ein Anlaß sein, uns selbst zu überprüfen! Wieweit haben wir die Vergangenheit überwunden„ wieweit sind wir praktisch und faktisch Demokraten, also gewillt und befähigt, in der Zukunft und für die Zukunft des Gesamtvolkes zusammenzuarbeiten ? Die nach vielwöchigen Nöten und langem internen Ringen geschaffene neue Regierungsbildung will auch von diesem Tage her gesehen werden. D e r „F a 11 K ö r n e r“ steht heute für ganz Oesterreich a 1 s V o r b i 1 d da. An vielen anderen Orten Diensten, Aemtern ist in diesen Jahren in Oesterreich das Wirklichkeit geworden, was unser Bundespräsident heute für die Weltöffentlichkeit und für sein Volk repräsentiert: aus Kämpfern in eigener Sache sind Männer geworden, die bedingungslos das Eigene und oft Eigenste zurückstellen, um dem Lande in diesen zwiefälligen Zeitläufen zu dienen.

Monarchen vertreten die Vergangenheit ihrer Nation. Unser Volk vertritt heute ein Mann mit Vergangenheit. Darob sollten wir uns nicht schämen, dies sollten wir auch nicht schamhaft verschweigen. Dieser Mann ist eben deshalb so sehr unser, weil er, auf seine eigentümliche Weise, unser Leben in diesen entscheidungsschweren Jahrzehnten mit uns geteilt, mit uns getragen hat. Ein Mann aus dem Volke. Der seine Wege, ond seine Irrwege ging. Der es in jeder Stunde gewagt hat, sich einzusetzen. Aus dem Parteimann, aus dem General, aus dem Bürgermeister von Wien ist der Bundespräsident Dr. h. c. Theodor Körner geworden. Ihn grüßen an seinem Ehrentage die Staatsbürger dieses Landes.

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