6610422-1954_48_13.jpg
Digital In Arbeit

Österreichische Buchwoche 1954

Werbung
Werbung
Werbung

Zum siebenten Male nach dem zweiten Weltkrieg veranstaltet der Verband der österreichischen Buchhändler als Berufsorganisation der Sortimenter und Verleger eine Oesterreichische Buchwoche. Sie soll für das österreichische Buch werben. Im Mittelpunkt verschiedener Aktionen stehen die Buchausstellungen in den Landeshauptstädten und in Wien vom 20. bis 28. November. Sie umfassen eine gleichlaufende Kollektion der „aktuellen österreichischen Buchproduktion“. 42 Buchhandlungen in den Bundesländern veranstalten zu gleicher Zeit auf eigene Initiative Buchausstellungen in kleinerem Rahmen. Ergänzt werden diese Ausstellungen durch Autoren- und Vortragsabende.

Das Verlagswesen in Oesterreich ist nach dem zweiten Weltkrieg zu .einem beachtlichen wirtschaftlichen und kulturellen Faktor geworden. Die Geburtswehen nach dem zweiten Weltkrieg sind überwunden. Den alten eingesessenen Verlagsanstalten haben sich neue leistungsfähige Verleger hinzugesellt. Schon 1945 erschienen 512 Titel, 1946 bereits 1194, 1947 waren es 2108, um 1948 den Höchststand mit 4099 Titeln zu erreichen. 1949 sank die Produktion auf 3126, 1950 auf 2977 Titel. Von da ab ist wieder eine aufwärtssteigende Tendenz zu beobachten: 1951 waren es 3409, 1952 — 3266 und 1953 — 3548 Titel.

Wie hat sich nun der Außenhandel mit Büchern, Zeitschriften, Landkarten und Musikalien seit der Volliberalisierung, die am

I. Juli 1953 einsetzte, entwickelt?

Die Export- und Importumsätze der drei letzten Jahre waren:

Im Vorjahr wurden also um 38,782.000 S mehr Bücher und Zeitschriften aus- als eingeführt. Die Schweiz exportierte 1953 für 31,170.365 Franken (187,022.190 S), also fast doppelt soviel wie Oesterreich.

Im ersten Halbjahr 1954 erfuhr die österreichische Ausfuhr im Buchhandel gegenüber dem ersten Halbjahr 1953 eine Steigerung um mehr als 9 Millionen Schilling, die Einfuhr um 11 Millionen Schilling. Aber noch immer liegt die Gesamtausfuhr um

II, 672.000 S höher als die Gesamteinfuhr im ersten Halbjahr 1954 (Einfuhr: 34,079.000 S; Ausfuhr: 45,751.000 S). Es wurden in dieser Zeit um 5 Millionen Schilling mehr Bücher und um über 6 Millionen Schilling mehr Zeitungen und Zeitschriften, besonders aus Westdeutschland, als 1953 eingeführt.

Die deutsche Bundesrepublik hat im ersten Halbjahr 1954 ihr Exportvolumen nach Oesterreich auf 28,821.000 S gegenüber nur 17,400.000 S im ersten Halbjahr 1953 erweitern können (84 Prozent der österreichischen Gesamteinfuhr). Oesterreich hat seinen Export nach Westdeutschland in der gleichen Zeit auf 28,036.000 S gegenüber 22,597.000 S im ersten Halbjahr 1953 erhöht (31,2 Pro zent der westdeutschen Gesamteinfuhr). Während also Oesterreich seine Ausfuhr nach Westdeutschland um 5,439.000 S erweiterte, gelang Westdeutschland eine Erhöhung seiner Ausfuhr nach Oesterreich im ersten Halbjahr 1954 um 11,421.000 S.

Die Reihung nach den fünf erstrangierenden Ländern ergibt:

Ein zukunftweisendes Bild wird freilich erst der Vergleich zwischen dem bereits liberalisierten zweiten Halbjahr 1953 mit dem zweiten Halbjahr 1954 ergeben.

So weit die wirtschaftliche Seite der österreichischen Buch- und Zeitschriftenproduktion.

Das Buch ist mehr als eine Handelsware. Als Kulturgut fällt weniger die Anzahl der jährlich produzierten Titel und ihre Auflage ins Gewicht a.ls die geistige Substanz des einzelnen Buches. Wie ist von dieser Seite her die österreichische Buchproduktion zu beurteilen?

Es ist unverkennbar: Der österreichische Verlag hat ein europäisches Gepräge. Seine Erzeugnisse halten jedem Vergleich mit denen der westdeutschen und schweizerischen Verlage stand. Es besteht ein reger Austausch der schöpferischen Kräfte. Grenzen und Besatzungszonen spielen in diesem Bereich keine Rolle. Der Europastaat ist auf dem Büchermarkt schon errichtet. Kein europäischer Autor von Rang, der nicht auch dem Leser außerhalb seines Geburtslandes wenigstens durch Uebersetzungen zugänglich ist. In österreichischen Verlagen finden sich westdeutsche, französische, englische und amerikanische Autoren.

Der Ausstellungskatalog der Buchwoche veranlaßt aber einige Feststellungen. Die Drucklegung erfolgte mit Unterstützung zweier Bundesministerien und fünf großer Berufs- und Wirtschaftsorganisationen. Seine Ausstattung ist dürftig. Der Herausgeber hätte mehr Geschmack in der Umschlag- und Satzgestaltung anwenden dürfen. Es wäre angezeigt gewesen, die 1954 neu erschienenen Bücher mit einem Zeichen zu versehen. Wir reden der Novitätensucht nicht das Wort. Der Bücherfreund kennt aber die Mehrzahl der Titel bereits aus früheren Ausstellungen. Wie soll er sich über die Veränderungen, Neuerscheinungen und Neuauflagen unterrichten, wenn Altes und Neues vermengt sind?

Die Kollektion der Ausstellung wird vom einzelnen Verleger bestimmt. Jeder aufgenommene Titel muß von ihm bezahlt werden. Vollständigkeit und eine objektive Auswahl nach geistigem Niveau sind auf diese Weise nicht gegeben. Neben Bedeutendem steht das Machwerk. Rund 1700 Titel sind im Katalog verzeichnet und werden in den Buchausstellungen gezeigt. Von den 23 Sparten ist die „Schöne Literatur“ mit 389 Titeln gegenüber 443 Titeln im Vorjahr zwar geringer, aber immer noch führend. Die zweitstärkste Sparte ist die der „Jugendschriften" mit 335 Titeln (35 mehr als im Vorjahr).

Die Produktion macht zuweilen den Eindruck des Zufälligen. Das wesentliche Werk Maxence van der Mecrsch’ — um nur ein Beispiel aufzugreifen — ist bei Kiepenheuer in Köln vereinigt. Eine kleine Schrift dieses Autors erscheint aber in Oesterreich. Begabte junge österreichische Autoren und auch solche der mittleren Generation müssen in westdeutsche Verlage abwandern, um den österreichischen Verleger für sich zu interessieren. Dafür kommen oft nicht gerade die bedeutenden deutschen Autoren zu österreichischen Verlegern. Die Sparte „Politik und Zeitgeschehen“ ist mit ihren 30 Titeln nicht rühmenswert. Hier finden sich in der Mehrzahl Erinnerungsbücher, deren Geist schon ihre Titel verraten: Rundstedt und Rendulic: „Wie das Gesetz es befahl“; Hans Ulrich Rudel: „Trotzdem“; August Ku-

biczek: „Adolf Hitler — mein Jugendfreund“; Peter Kleist: „Auch du warst dabei" u. a.

Diese „Zeitbücher“ drohen die wesenhaften dieser Sparte, wie z. B. „Freiheit und Gleichheit“ von Erik Kuehnelt-Leddihn (O. Müller) und „Vom Gestern ins Fleute“ von Friedrich Funder (Herold) zu erdrücken.

Einige um sich greifende verlegerische Unsitten bedrohen das Ansehen des österreichischen Verlages: Es gibt Verlage, die Lizenzausgaben bringen, ohne diese Tatsache auf dem Titelblatt zu vermerken. Wieder andere bringen Neuauflagen und Neuausgaben ihrer älteren Bücher und versehen diese mit neuen Titeln, um so den Eindruck beim Interessenten zu erwecken, es handle sich um ein neues Buch. Es gibt Fälle, wo ein neuer Titel gerechtfertigt ist, aber die Titcländerung müßte in der Titelei nachzulesen sein!

Es gibt aber auch positive Feststellungen: Mehrere Verlage widmen sich unter Verzicht auf großes „Geschäft“ dem österreichischen Schrifttum. Wir nennen hier die Verlage Herold, Kremayr und Scheriau, Otto Müller, Oesterreichische Verlagsanstalt, Styria, Tyrolia, Wancura, Zsolnay u. a. Die katholischen Verlage Herold, Herder Wien, Otto Müller, Fel. Rauch, St. Gabriel, Styria, Tyrolia, Wiener Domverlag u. a. beweisen in ihrer jüngsten Produktion Wagemut und verlegerische Weitsicht. Es liegen gute Volksund Gesamtausgaben der österreichischen Klassiker vor. Das „Taschenbuch“ hat nun auch ein österreichischer Verleger aufgegriffen (Forum). Das medizinische Buch wird von den Verlagen Urbaii und Schwarzenberg und Maudrich in Wien in bewährter Weise gepflegt. Deutsche Verleger haben in Wien selbständig arbeitende Verlage eröffnet: Kurt Desch, Ullstein, Andermann. Das österreichische Jugendbuch konnte auch weiterhin seinen Platz im deutschsprachigen Buchhandel behaupten. Es hält mit Förderung staatlicher Stellen ausgesprochenes Niveau. Die Sparte „Oesterreich in Wort und Bild“ kann sich sehen lassen. Sie enthält 50 Titel gut ausgestatteter Heimatbücher, die vor allem auch dem österreichischen graphischen Gewerbe und den Photographen ein schönes Zeugnis ausstellen.

Es ist zu wünschen, daß die Buchausstellungen dem österreichischen Buch neue Freunde gewinnen, den alten aber schöne Entdeckungen ermöglichen. Die österreichischen Buchausstellungen 1954 in Amsterdam, Stockholm, West- und Ostdeutschland und jüngst in Paris haben viel Anerkennung geerntet.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung