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ÖSTERREICHISCHER PFINGSTGRUSS

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In den Empfindungen vieler Teilnehmer der eindrucksvollen Festversammlung, die aus Anlaß der 250-Jahr-Bestandfeier des Institutes der Englischen Fräulein am Christi-Himmel-fahrtstag in dem festlich beflaggten St. Pölten stattfand, mischten sich schmerzliche Wehmut und Stolz. Es konnte nicht anders sein: Die Abwesenheit des Bischofs DDr. König machte augenfällig, daß die St.-Pöltner Diözese einen Verlust zu tragen hat, der zugleich ihr Stolz ist. Sie verliert ihren Bischof-Koadjutor DDr. Franz König, einen Sohn ihres Heimatvolkes, doch wird ihr zugleich die Genugtuung zuteil, ihn zu der höchsten kirchlichen Würde der Wiener Kirchenprovinz aufsteigen zu sehen, zu der auch die Diözese St. Pölten gehört. Freuen wir uns in brüderlicher Nachbarschaft! Er gehört uns allen.'

In dem Introitus der Meßliturgie des Pfingst-festes singt die Kirche ein dreifaches Alleluja. Das sei auch der Gruß zum ersten Pfingstfest, in das der neue Erzbischof von Wien eintritt.

Mancherlei Anzeichen scheinen die Richtigkeit der römischen Version zu bestätigen, daß die Erlesung Bischof Königs ein persönlicher Akt Pius XII. wurde. Sein Name stand in Rom schon während des November in vorderster Reihe, wenn von der Nachfolge auf dem Wiener erzbischöflichen Stuhl die Rede war. Als Anfang Dezember an Bischof-Koadjutor Dr, König eine erste Frage herangetragen wurde, wehrte er in Bescheidenheit ab; er liebte das Hirtenamt in seiner Heimatdiözese, er ist ihr tief verwurzelt durch seine Geburt, seine Familie, durch sein priesterliches und soziales Wirken, er, der zehn Jahre lang als Kaplan zwischen Arbeitern und bäuerlichen Menschen, von der Pike auf bis zum akademischen Lehramt als Religionslehrer und als Jugendseelsorger und späterer Leiter des Jugendamtes der Diözese gedient hat. Doch in den obersten Rängen der Kirche war es unvergessen, daß den Bischof-Koadjutor von St. Pölten eine ungewöhnliche wissenschaftliche und praktische Ausbildung eignet, die seine Verwendung für besondere Aufgaben an einem besonderen Platz empfehlen könnte.

Als junger Mann hatte Franz König das rote Zingulum des Germanicums in Rom getragen, dessen weltaufgeschlossene ignazianische Erziehung er genoß. Von Staffel zu Staffel wissenschaftlicher theologischer und philosophischer Studien an der Gregoriana und an den Universitäten von Wien und Lille aufsteigend, sah er seine Schulung von einem zweifachen Doktorat gekrönt. Zum akademischen Lehreramt berufen, wählte er als Fach Moraltheologie und daneben als sein Lieblingsgebiet Vergleichende Religionswissenschaft, für die er sich durch orientalistische Studien, sprachliche und geschichts-kundige Ausbildung spezialisiert hatte. Er hatte damit den gewaltigen Raum der ostkirchlichen Welt betreten; ihre geistigen Erscheinungen und ihre Probleme taten sich vor ihm auf, ein Forschungsgebiet von erhabener Großräumigkeit und Bedeutung.

Nun ist -der Bischof, der diese geistige Rüstung trägt, an die Spitze der Wiener Erzdiözese berufen, der heute vordersten, dem Osten zugewandten kirchlichen Stellung der freien abendländischen Welt. Die katholischen Erzdiözesen von Gnesen-Posen, Breslau, Prag, Agram und Gran liegen gegenwärtig hinter dem Eisernen Vorhang. Wien ist derzeit der einzig übriggebliebene Brückenkopf gegenüber dem Osten. Vielleicht wird einmal von hier aus. wenn Gott es will, in kirchlichen Bereichen das Gespräch geführt, das den wirklichen Frieden in der Welt einleitet.

Man ist versucht, anzunehmen, daß sich auf dem jenseitigen Ufer ein Gespür dafür regt, es könne die Menschheit aus den unablässig Verderben drohenden Spannungen nicht erlöst werden, bevor der christlichen Welt nicht ihre innere Ordnung und Freiheit zurückgegeben ist. Die in Ungarn erfolgte ,.Begnadigung“ des Erzbischofs von Kaschau, Dr. Josef Grösz, und seine Anerkennung als nunmehr ranggemäß bestimmter und der Regierung genehmer Vorsitzender der ungarischen Bischofskonferenz, während deren legitimer Präses, Kardinal Erzbischof Dr. Mindszenty, noch der Freiheit beraubt verbleibt, werden als schüchterner Versuch einer Gutmachung geschätzt werden können. Wichtiger ist, daß dieser Akt der ungarischen Regierung schwerlich nur als ein bloßes lokales ungarisches, aus den Zusammenhängen der kommunistischen Staatsgestaltungen losgelöstes Unternehmen gedeutet werden kann. Vermutlich ist es ein Experiment, das weiter hinaus zielt, aber mit unzureichenden Mitteln. Immerhin ein Versuch, der zur Bedeutungslosigkeit verfällt wenn er isoliert bleibt. Wie immer es sei: Die episodenhafte Entwicklung zeigt, daß die gestörte Ordnung noch zu keinem Ruhepunkt gelangt ist und immer wieder nach einer rechtmäßigen Wiederherstellung verlangt.

An dem Brückenkopf an der Donau wird nun ein kundiger und aufmerksamer Beobachter stehen, kein Mann einer Partei, sondern der Erzbischof der katholischen Weltkirche, der von Papst Pius XII. für diesen Platz auserwählt worden ist.

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