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Österreichs Eisenland

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Der nachkriegsbedingte Nachholbedarf gerade auf dem Eisen- und Stahlsektor und die gewaltigen Investitionen, die sowohl der Modernisierung als auch der Kapazitätsausweitung der europäischen Eisen- und Stahlindustrie dienten, haben es über ein Jahrzehnt bewirkt, daß von einer weltweiten Hochkonjunktur auf diesem Gebiet gesprochen werden konnte. Die österreichische Eisenindustrie, die als die älteste Euopas gilt, wenn sie auch seither von westeuropäischen Zentren überrundet wurde, hatte an dieser Konjunktur ihren gerechten Anteil und war dadurch ebenfalls in der Lage, große Investitionen aus den eigenen Exporterträgen auszuführen. Die Produktion der eisenerzeugenden Industrie hat sich bis 1960 auf das Fünffache der Produktion des Jahres 1937 erhöht! Die Steiermark als das traditionelle Eisenland Österreichs war an diesem bemerkenswerten Ansteigen von Produktion und Export nachhaltig beteiligt.

Etwa um das Jahr 1960 konnte festgestellt werden, daß die europäische Stahlproduktion den Zenit ihrer Möglichkeiten erreicht hat, indem sich Produktion und Nachfrage ungefähr die Waage hielten. Da jedoch zahlreiche neugeschaffene Kapazitäten erst in diesen Jahren zum Tragen kommen, ist anzunehmen, daß das Angebot die Nachfrage übersteigen wird. Der aus dieser Marktsituation zwangsläufig entstehende Preis- und Konkurrenzdruck, der von der steiermärkischen eisenerzeugenden und -verarbeitenden Industrie auch jetzt schon verspürt wird, dürfte im Lauf der nächsten Jahre noch zunehmen und die Ertragslage der Werke stark anspannen. Hinzu kommt noch im besonderen Fall der Steiermark die ungünstige Verkehrslage, die bei der notwendigen Einfuhr ausländischen Erzes und ausländischer Kohle zusätzliche Kosten verursacht. So betrachtet, wird es verständlich, daß speziell die steirische Eisenindustrie an dem Zustandekommen von Arrangements sowohl mit der EWG als auch mit der Montanunion äußerst interessiert ist, um nicht dem übermächtigen Konkurrenzdrude ausgeliefert zu sein.

Um die Jahreswende 1963 64 hatte es den Anschein, als wären Anzeichen für einen bescheidenen Optimismus zu erkennen, da sich die weltweite Stahlflaute etwas zu erholen begann. Inwieweit sich diese Tendenzen auch auf die Steiermark ausdehnen werden, läßt sich derzeit nicht mit Bestimmtheit feststellen. Nach wie vor muß daher die steirische Eisenindustrie darauf beharren, daß die Frage der Außenhandelsbeziehungen und -Verflechtungen Österreichs möglichst umgehend geklärt wird, damit der heimische Anpassungsprozeß an etwaige neue Gegebenheiten reibungslos in Angriff genommen werden kann.

An Roherz wurden in der Steiermark im Jahre 1963 noch immer rund 3,5 Millionen Tonnen gefördert, eine gegenüber dem vorhergegangenen Jahr fast unveränderte Zahl. Die Tatsache, daß sich diese Menge im ersten Halbjahr 1964 langsam und stetig erhöhte, läßt die Hoffnung zu, daß sich die In- vestitionsmeigung verstärkt und damit gleichzeitig eine optimistische Beurteilung der künftigen europäischen und weltweiten Entwicklung auf diesem Sektor um sich greift. Von entscheidender Bedeutung wird vor allem die Höhe des europäischen Stahlpreises sein, denn auf diesem Gebiet haben es stark exportorientierte Staaten wie gerade Österreich ungleich schwerer als andere Staaten, bei welchen der Erlös aus dem Export eine geringe Rolle spielt, so daß sie ihre Kostenpolitik mehr auf den Inlandsmarkt abstellen können.

Sieht man von der grundsätzlichen Situation auf dem Eisenstahlsektor ab, die man weder allzu pessimistisch noch allzu rosig betrachten sollte, wenn auch die zunächst noch bescheidenen Anzeichen einer Erholung alle Aufmerksamkeit verdienen, dann muß in erster Linie auf eine andere Schwierigkeit verwiesen werden, die sich bei einigem gutem Willen aller zuständigen Stellen im Interesse der Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit unbedingt beheben lassen müßte: Es ist dies die ungenügende finanzielle Ausstattung unserer Betriebe, die es ihnen in den meisten Fällen unmöglich macht, sich gegenüber den Offerten der ausländischen Konkurrenz auch nur einigermaßen zu behaupten. Solange es nicht ge lingt, die Frage der Exportfinanzierung und Exportrisikoerleichterung in einem Stil zu lösen, wie er in anderen Staaten zu den Selbstverständlichkeiten der Förderung der heimischen Produktion gehört, solange wird es unseren Unternehmen kaum möglich sein, den Kampf gegen ausländische Konkurrenten mit Aussicht auf Erfolg aufzunehmen — dies besonders dann, wenn man erfahren muß, daß ausländische Firmen in der Lage sind, bei Großaufträgen (auch für Entwicklungsländer) Zahlungsziele auch bis zu fünfzehn Jahren einzuräumen.

Es sind also nicht nur strukturelle und Standortprobleme, welche die Situation und Aufwärtsentwicklung unserer steirischen Eisenindustrie belasten, sondern auch die Insuffizienz aller bisherigen Maßnahmen auf dem wirtschafts- und finanzpolitischen Sektor. Obwohl es nicht unbedingt in eine großflächige Übersicht über alle diese Fragen hineingehört, muß aber auch das Problem der Auftragserteilung seitens der öffentlichen Hand angedeutet werden, dessen derzeitige Unzulänglichkeit den einzelnen bezughabenden Firmen auf einem Gebiet Schwierigkeiten verursacht, wo sie wirklich nicht gemacht werden müßten. Mit einigem gutem Willen und der Bereitschaft zur Koordination der Aufträge wäre hier schon viel getan.

Im einzelnen kann gesagt werden, daß sich die Situation in der steirischen Eisenindustrie im abgelaufenen Jahr 1963 und ebenso im ersten Halbjahr 1964 nicht einheitlich entwik- kelte. Es ist also in großen Zügen das gleiche Bild, welches sich auf der ganzen Welt ergibt. In der Gießereiindustrie hat sich die Lage gegenüber den vorhergehenden beiden Jahren nur wenig gebessert, wofür in erster Linie das spürbare Nachlassen der Ihvestitionstätigkeit verantwortlich ist. Ein uneinheitliches Bild ergibt sich auch auf dem vielgestaltigen Sektor der Maschinen-, Stahl- und Eisenbauindustrie, wo zwar in einzelnen Fällen ein mengenmäßiger Produktionszuwachs zu verzeichnen ist, die Ertragslage aber unter der ungünstigen Kostenentwicklung leidet und ungenügende finanzielle Mittel die Annahme ausländischer Großaufträge oft unmöglich machen. Günstiger schneidet die steirische Fahrzeugindustrie ab, die von der weltweiten Motorisierungswelle her auch weiterhin zufriedenstellende Impulse erhält. Bemerkenswert, daß der Trend zum Fahrrad auch weiterhin anhält, so daß die Exporte auf diesem Gebiet im Jahre 1963 eine neue Rekordhöhe erreichten. Die in vielen Artikeln geradezu übermächtige ausländische Konkurrenz hat es mit sich gebracht, daß die Lage der steirischen Eisen- und Metallwarenindustrie nicht als zufriedenstellend bezeichnet werden kann. Die Tatsache, daß rund 33 Prozent aller in Österreich verkauften Eisen- und Metallwaren aus dem Ausland stammen (in der Bundesrepublik Westdeutschland nur 6 Prozent), läßt den übermächtigen Konkurrenzdruck erkennen, dem die heimischen Erzeuger seitens anderer Staaten ausgesetzt sind, in welchen in größeren Serien produziert werden kann. Demgegenüber hat die Elektroindustrie sowohl ihre ausländischen Marktpositionen — wenn auch unter scharfen Kosteneinbußen a— als auch ihre Produktionshöhe gut halten können.

Eine Beurteilung der nächsten Zukunft ist eine Undankbare Aufgabe. Zweifellos wird sich der Druck von der Preisseite her im Lauf der nächsten Jahre weiter verschärfen und damit auch der Konkurrenzkampf um den Marktanteil heftiger werden. Die österreichische — und ebenso die steirische — Eisenindustrie wird sich dann erfolgreich behaupten können, wenn die Integrationsfrage so geklärt ist, daß auf längere Zeit disponiert werden kann und wenn die derzeit äußerst prekären Finanzierungsfragen zufriedenstellend gelöst werden können. Die Basis unserer Eisenindustrie ist jedenfalls gesund, und ihre Bedeutung für die österreichische Wirtschaft so überragend, daß sie jedes Verständnis und jede Förderung verdient.

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