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Offene Worte der Einsicht
„Wir sind mit den tragischen Entartungserscheinungen der Vergangenheit nicht zu Unrecht belastet“, schreibt ein Diskussionsteilnehmer. „Unsere Parteiführung hat sowohl die sogenannten Trotzkistenprozesse als auch die Verurteilung von Rajk, Clementis, Slänsky und anderen kritiklos übernommen beziehungsweise als Siege im Kampf um die .monolithische Einheit der Partei' bezeichnet. Durch unsere Kritiklosigkeit haben wir uns mitschuldig gemacht.“ Ein anderer: „Wir haben uns oft vom sowjetischen und nicht vom österreichischen Interesse leiten lassen.“ Ein dritter: „Die kritische Überprüfung der Politik der Partei vor sieben oder acht Jahren ist bis heute ausgeblieben.“ „Wir haben nie den Mut zu einer autonomen Politik gehabt.“ „Jede Selbstregung einer Kritik wird mit dem zentralistischen Stiefel zertreten.“
Die Hauptangriffe aus den eigenen Reihen richten sich dabei gegen den
sogenannten Parteiapparat, der, wie ein Diskussionsteilnehmer schreibt, einer „Firma“ gleiche, die „scheinbar kostendeckend Erinnerungswerte zu produzieren und zu handeln imstande ist“. Die Hälfte des Zentralkomitees, so wird geklagt, bestünde aus Parteiangestellten. Und eine zornige Altgenossin wünscht sich unverblümt gleich die „Beseitigung des ganzen Stalin-Apparats“.
Dazu wird es freilich auf dem
XIX. Parteitag kaum kommen, wenn auch eine ganze Reihe alter Stalinisten den Laufpaß erhalten dürfte. Auch neun Jahre nach dem
XX. Parteitag der KPdSU sitzen^die kleinen Stalins noch fest, wenn auch nicht mehr unangreifbar, im Sattel. Sie müssen sich freilich, selbst bei den notorisch folgsamen österreichischen Kommunisten, in zunehmendem Maß der Kritik aus den eigenen Reihen aussetzen. (Diese Kritik orientiert sich an der Linie der italienischen KP und dem berühmt
gewordenen Togliatti-Memorandum von 1964. Es mag symptomatisch sein, daß beim Wiener Parteitag der KPÖ die Witwe Palmiro Togliattis eine Ansprache halten wird.)
Die Kommunistische Partei Österreichs, 1919 gegründet, hat in der Ersten Republik niemals Vertreter im Parlament gehabt. Bei der ersten Wahl verzichtete sie auf die Kandidatur und mußte sich dafür später von Lenin tadeln lassen. Einigen Zuzug bekamen die österreichischen Kommunisten nach dem 12. Februar 1934, als viele enttäuschte Sozialisten in der Illegalität zu ihnen stießen. 1945, bei den ersten freien Wahlen der Zweiten Republik, kam die KPÖ trotz der Unterstützung durch die russische Besatzungsmacht nur auf 174.257 Stimmen. Diese Zahl hat sich bei den letzten Wahlen, 1962, auf 135.482 Stimmen verringert.
„Liberalisierung“ auf leisen Sohlen
Es ist kaum anzunehmen, daß die Kommunalsten im österreichischen Parlament je wieder eine Rolle spielen werden. Wohl aber haben sie eine gewisse Punktion in der kommunistischen Weltbewegung, wo auch die politische Orientierung kleiner Parteien ins Gewicht fällt. Eine beginnende „Liberalisierung“ in der KPÖ ist daher für Österreich ziemlich bedeutungslos, sie kann aber bei dem Einsickern „revisionistischer“ Ideen in die Oststaaten von Bedeutung sein. Manches spricht dafür, daß die Parteitagsperspektiven der österreichischen Kommunisten, in denen von Erneuerung, Demokratie, Meinungsfreiheit und Dialog mit dem Christentum die Rede ist, in den kommunistischen Nachbarstaaten mit Interesse gelesen werden.
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