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Orthodoxer Gipfel in Wien?

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Am Rande des bevorstehenden Wien-Besuches des ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Athenagoras I., bahnt sich ein „Gipfeltreffen“ der Oberhäupter der autokephalen orthodoxen Kirchen an. Es besteht der konkrete Plan, die orthodoxen Patriarchen — zumindest die in Europa residierenden — nach Österreich einzuladen. Zu den Initiatoren dieses Planes gehören Mitglieder des Heiligen Synods des ökumenischen Patriarchats und kirchliche Persönlichkeiten in Österreich. Da anderseits auch ein Zusammentreffen zwischen Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras geplant ist — trotz aller Vorbehalte vatikanischer Stellen und orthodoxer Persönlichkeiten —, scheint es nicht ausgeschlossen zu sein, daß im Anschluß an ein „Gipfeltreffen“ der orthodoxen Patriarchen ein neuerliches Treffen zwischen Papst und Patriarch stattfinden könnte. Diese historischen Treffen könnten die Annäherung von Ost- und Westkirche einen gewaltigen Schritt vorwärtsbringen.

„Die Einheit muß weniger erarbeitet als vielmehr aktualisiert werden“, erklärt Archimandrit Andre Skrima, ein enger Vertrauter des Patriarchen Athenagoras, in einem Beitrag für die in Wien erscheinende Zeitschrift „Wort und Wahrheit“ (XXII. Jg., Heft 2, Seite 89 bis 98). Sicherlich gibt es Leute, die solche Feststellungen in das Reich der Phantasie verweisen möchten. Tatsächlich bemerkt Skrima zum ökumenischen Gespräch zwischen Ost- und Westkirche: „Man betont nie genügend, wie entscheidend in diesem Gespräch das Fehlen eines ursprünglichen Bruches zwischen der orthodoxen Kirche des Orients und der römischen Kirche ist. Die verschiedenen schmerzhaften und oft ernsten historischen oder politischen Zwischenfälle in ihrer gemeinsamen Vergangenheit reichen nicht aus, um schon in dieser Zeit zur Entstehung einer orthodoxen Kirche zu führen, die gegenüber der römischen Kirche (und selbstverständlich noch weniger gegenüber der apostolischen Kirche) neu wäre.“ Daraus folgert der orthodoxe Theologe: „Wie weit man auch in die Vergangenheit zurückgeht, beide Kirchen präsentieren sich in der Einheit der universellen Kirche als die ziwei organischen Ausdrucks-formen des einen apostolischen Erbes.“

Die Orthodoxie ist bei vielen Katholiken erst vor kurzem in ihren Bewußtsemshorizont getreten. Große Ereignisse, wie das Zweite Vatika-num, die Entsendung orthodoxer Konzilsbeobachter, die Begegnung zwischen Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras in Jerusalem und die Aufhebung der Bannbullen des Jahres 1054 haben eine Faszination bewirkt, deren Ergänzung durch eine weitere historische Geste von beiden Seiten noch verstärkt würde.

Zwei Gründe sind es, die Patriarch Athenagoras zu neuen Initiativen antreiben: die innerkirchliche Erneuerung und das theologische Gespräch mit der katholischen Kirche. Dem „aggiornamento“ der katholischen Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil muß trotz aller Schwierigkeiten, die sich einem solchen Unterfangen entgegenstellen, ein „aggiornamento“ der Orthodoxie folgen. Namhafte orthodoxe Theologen haben in Gesprächen die Ansicht vertreten, daß es gilt, in absehbarer Zeit eine „ständige panorthodoxe Synode“ zu schaffen, die für alle autokephalen Kirchen verbindlich sein müßte. Die panorthodoxen Konferenzen auf Rhodos waren ein erster Schritt dazu. Wenn auch die Ergebnisse dieser Zusammenkünfte als „mager“ bezeichnet werden müssen, ist doch der Schritt als solcher zu begrüßen. Man muß ja bedenken, daß in der östlichen Kirche seit mehr als 1000 Jahren kein Konzil stattgefunden hat. Zu den Schwierigkeiten eines solchen Planes, Initiativen zu einem „aggiornamento“ der Orthodoxie zu unternehmen, zählte bisher in erster Linie die Tatsache, daß der Großteil der orthodoxen Christenheit in Ländern mit totalitärem Regime lebt. Dazu kommt aber jetzt noch die politische Entwicklung der letzten Wochen in Griechenland und vor allem im Nahen Osten. Gerade die politischen Vorgänge in den arabischen Staaten machen es den Patriarchen fast unmöglich, das Land zu verlassen.

Welche Chancen darf man einem „Gipfeltreffen“ einräumen? Mit großer Sicherheit darf man annehmen, daß Moskau sicherlich Vertreter des kirchlichen Außenamtes entsenden wird. Der neu bestellte Erzbischof von Athen, Hieronymos, ein Verfechter eines „aggiornamento“ der Kirche von Hellas und Befürworter des ökumenischen Dialogs, darf weiters in der österreichischen Bundeshauptstadt erwartet werden. Vom rumänischen Patriarchat erwartet man — falls der Junitermin für den Patriarchenbesuch aufrechterhalten werden kann, einen Metropoliten und den Rektor der Theologischen Akademie in Bukarest. Die Patriarchen von Belgrad und Sofia haben vor geraumer Zeit negativ auf Bemühungen katho-lischerseits reagiert, sie zu einem Wien-Besuch einzuladen. Doch ist es nicht ausgeschlossen, daß beide Oberhäupter zum Zusammentreffen mit orthodoxen Hierarchen in einem neutralen Land bereit sind. Dies um so mehr, da die Repräsentanten des kirchlichen Lebens der Orthodoxie immer peinlich bemüht sind, die Einheit der Gesamtorthodoxie besonders hervorzuheben.

Falls es sich unmöglich erweisen sollte, die Oberhäupter der autokephalen Kirchen zu einem „Gipfeltreffen“ zusammenzuführen, bliebe noch die Möglichkeit, daß Patriarch Athenagoras im Anschluß an seinen Wien-Besuch den russischen, rumänischen, bulgarischen und serbischen Patriarchen aufsucht. Damit würde Athenagoras längst fällige Gegenbesuche abstatten. Diesen Einzelbegegnungen würde allerdings die vielleicht fruchtbare Dimension eines panorthodoxen Gespräches auf höchster Ebene abgehen. Die Bemühungen, mit den Patriarchen möglichst bald zusammenzutreffen, unternimmt Patriarch Athenagoras — wie Kenner der Lage versichern — in erster Linie in der Absicht, einen gemeinsamen Schritt der Orthodoxie in der Aufnahme des theologischen Dialogs mit der katholischen Kirche zu ermöglichen. Die Bestellung des neuen griechischen Primas mag ihn in dieser Absicht nicht unwesentlich bestärken, denn in Erzbischof Hieronymos hat er einen Mitkämpfer für die ökumenische Idee. Dieser Umschwung, der auch die Patriarchate von Jerusalem und Alexandrien betrifft, bedeutet eine wesentliche Aufwertung der Position des Erzbischofs von Konstantinopel. In diesem Ringen könnte die Wien-Reise des Patriarchen einen Wendepunkt darstellen. Nicht zuletzt ist es Österreich selbst, dessen Brückenstellung zwischen Ost und West durch den Patriarchenbesuch eine ungeheure Aufwertung erfahren würde. „Das ökumenische Patriarchat selbst“, erklärte der „Sonderbotschafter“ des Patriarchen Athenagoras, „erwartet sich von dieser Reise nicht weniger als die Stärkung der in diese Richtung wirksamen Kräfte des Guten in einer Schöpferischen Sternstunde der Menschheit.“

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