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Osterreichische Armee

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Schon allein durch die Gestaltung seiner Friedensbedingungen überragt Scipio alle großen Feldhenn der Weltgeschichte. Es iehlt ihm jede Rachsucht, er versteht es meisterhaft, die militärische Sicherheit durch ein Mindestmaß an Härte gegen den Besiegten zu befestigen, vor allem vermeidet er streng jede Annexion zivilisierter Staaten. Solche Bedingungen schufen keine Eiterherde der Rache oder Verletzthelt und bereiteten den Weg für die Wandlung der Feinde In wirkliche Verbündete und tatsächliche Stützen der römischen Macht.

Der englische Militärschriftsteller B. H. Llddel Hart in seinem Buch: „A greater than Napoleon — Scipio Airicanus“

Die Londoner Konferenz der Sonderbeauftragten der vier Außenminister hat in der Beratung der militärischen Klauseln des Österreichvertrages keinen Abschluß erzielt. Erst die Moskauer Besprechungen werden die endgültige Klärung bringen. Immerhin ist eine gewisse Überschau über Erreichtes möglich, da ungefähr über die Hälfte der Klauseln eine Einigung vorliegt.

Österreich erhält die Zustimmung zur Aufstellung einer Armee und von Luftstreitkräften. Denn es kann weder in seiner geographischen Lage noch als zukünftiges 'Mitglied der Vereinten Nationen ohne Armee bleiben. Diese kleine Wehrmacht wird ein ähnliches Maß der Abrüstung zeigen, wie es • den Satellitenstaaten vorgeschrieben wurde. Eine sehr wesentliche Bestimmung wird jede militärische Ausbildung außerhalb'der Armee untersagen und damit — wahrlich nicht im Widerspruch mit den Wünschen des österreichischen Volkes — das Wiedererstehen bewaffneter Parteistaaten verhindern. Offen blieben die Bestimmungen über die Gesamtstärke der Armee, |über die erste Bildung des Personalstandes, | die Überbrückung einer Lücke zwischen der Aufstellung der neuen Truppenkörper und dem Abzug der alliierten Besatzung und über die Beschaffung von Waffen und Geräten aus dem Auslande. Obzwar die bisherigen Verlautbarungen nichts über die Art der Wehrpflicht enthalten, | kann . cfoeh mit Sicherheit angenommen werden, daß die Armee auf allgemeiner Wehrpflicht beruhen wird, da diese auch den Satellitenstaaten zugesprochen wurde Und die Absicht erkennbar ist, ' in milisärischer Beziehung Österreich diesen Staaten anzugleichen

Die Londoner Debatten wurden in der österreichischen Öffentlichkeit mit lebendiger Aufmerksamkeit verfolgt und haben auch ein Echo gefunden, das der Wichtigkeit des Themas würdig, wenn auch nicht immer von Unbefangenheit geleitet war. Als ein sehr begrüßenswerter Fortschritt soll festgestellt werden, daß in dieser Diskussion sich auch der sozialistische Partner zu einer österreichischen Armee bekannt hat. Wfcnn die führenden politischen Parteien grundsätzlich die staatliche Armee, die ausschließlich staatliche Armee, bejahen, dann wird die Innenpolitik in Zukunft von vielen verhängnisvollen Konflikten frei sein, die in der ersten Republik das Wehrwesen und dessen Umkreis ständig belasteten. Horchte man in den letzten Tagen in die Erörterungen hinein, die sich um das militärische Thema spannen,' da wurde man mit Erstaunen gewahr, wie nach einer Periode, die uns mehr von Wehrwesen, Soldaten und Krieg sehen ließ, als uns willkommen war, das Verständnis für die heutigen Gegebenheiten noch zurückgeblieben ist, seit drei Jahrzehnten gelöste ! Probleme wieder aufgerollt und Mentalitäten wieder aus dem Schlafe geweckt wurden, die aus irgendeinem Gestern oder Vorgestern stammend, heute längst überholt sind. Für manche besitzt das Wort „Miliz“, über das von 1918 bis 1938 mehr als genug geschrieben wurde, einen zauberhaften Reiz. Und doch verbindet sich mit ihr auch heute noch, wie sich zeigt, keine richtige Vorstellung. Die Miliz — und gemeint ist immer jene der Schweiz, die als Vorbild ' genommen wird -7- ist gewiß anter ihren natürlichen Voraussetzungen in vieler Hinsicht eine Idealform. Sie ist aber für den Staatsbürger weder bequem noch billig. Der Milizsoldat und vorzüglich der Milizoffizier muß nicht nur während seines ganzen wehrpflichtigen Alters alljährlich und oft recht umfangreiche militärische Dienstleistungen auf sich nehmen, er ist für den Staat auch “verhälrnismäßig teuer. Im Jahre 1936 betrug die öffentliche Belastung aus Wehrausgaben auf den Kopf der Bevölkerung in Österreich

15 Schilling, in der Tschechoslowakei 37 und in dem Milizsystem der Schweiz 6 6 Schilling, sonach über das Vierfache der Wehrkosten Österreichs. Wer hierzulande die Miliz wünscht, denkt in erster Linie an die in ihr gegebene allgemeine Wehrpflicht, indessen die Eigenart der Miliz weniger in der Art der Wehrpflicht, als in der Art der Führung und der Dienstpflicht liegt. Am meisten würden von der Annahme des Milizsystems diejenigen enttäuscht sein, die mit verständlicher Sorge angesichts der heutigen wirtschaftlichen Lage unseres Landes sich mit der Frage beschäftigen, ob Österreich imstande sein wird, die Kosten einer Wehrmacht zu tragen. Die Kosten einer Miliz auf sich zu nehmen, wäre es in der Tat nicht imstande. Im übrigen kann man die Frage nur richtig beurteilen, wenn man sich zuvor über eine andere klar ist: Könnte Österreich als unabhängiger Staat überhaupt ohne jede Wehrmacht bestehen? Es wird selbst dem glühendsten Pazifisten schwer fallen, diese Frage zu bejahen. Es gibt in der Welt 38 Staaten, die kleiner als Österreich sind, und die alle sich verpflichtet fühlen, für eine Wehrmacht zu sorgen, weil ihr Fehlen dem Lande unendlich größere Opfer aufbürden könnte ,als der Aufwand für einen wichtigen Sicherheitsfaktor verlangt. Österreich mußte in seiner schlimmsten finanziellen Lage weit über 30 Prozent seines Budgets für seine militärische Sicherung durch die Besatzungstruppen leisten und daneben auch noch für 500.000 Verschleppte und Flüchtlinge einen großen Teil der Unterhaltskosten tragen. Es wird imstande sein, einen kleinen Teil davon für seine Sicherheit und Ordnung auszugeben, als eine Voraussetzung seiner wirtschaftlichen Erholung und allgemeinen Leistungskraft. Einen breiten Raum widmet die öffentliche Erörterung dem inneren Aufbau der Armee. Haben wir inzwischen nichts erlebt und nichts gesehen? Sollen bei uns immer noch schattenhafte polemische Vorstellungen von „Kadavergehorsam“, „Militarismus“, „Drill“, „Kasernen-hofgeist“ und „Gift der Tradition“ herumgespenstern? Man darf doch glauben, daß der Österreicher und besonders jener, der noch 'den ersten Weltkrieg miterlebt und die folgenden Jahrzehnte sehend durchschritten hat, hinreichende Vergleichsmöglichkeiten sich zu eigen gemacht hat, um zu einem zutreffenden Urteil über das, was in diesen Vorstellungen Wirklichkeit oder Irrtum ist, zu gelangen. Er hat die alte k. u. k. Armee, die Volkswehr, das Bundesheer, die nationalsozialistische deutsche Wehrmacht und nun die Truppen der vier Besatzungsarmeen aus allen Weltteilen kennen und beobachten gelernt. Er weiß nun ziemlich genau, wie es mit Gehorsam und Drill, mit EKsziplin und soldatischer Haltung hier und dort bestellt, was echt daran oder nur Schablone war oder ist. Er hat besonders die deutsche Wehrmacht mit ihrer Entartung des Soldatentums erlebt, er weiß auch, was anderswo soldatische Tradition bedeutet, daß der kaiserliche

Feldmarschall Suworow in Sowjetrußland von der Roten Armee ebenso einen bevorzugten Ehrenplatz erhalten hat wie in dem demokratischen Frankreich Turenne, der Heerführer der Bourbonenkönige, oder der kaiserliche Napoleon oder der republikanische Marschall Foch. Und Österreich wird nicht deshalb „reaktionär“ sein, wenn es sich an die menschliche soldatische Größe eines Radetzky oder Tegetthoff und ihre Verdienste um das Vaterland erinnert. Wir werden weder „Militaristen“ noch „Faschisten“ sein, wenn wir es für einfältig und widersinnig halten, Überlieferungen ganz nach nationalsozialistischem Muster auslöschen zu wollen, Uberlieferungen, die in aller Welt ohne Rücksicht auf die Staatsform als wertvoller Besitz der Völker gelten.

Über ein ganz Wichtiges ist in allen Reden und Schreibereien von hinüber und herüber geschwiegen worden: Von der Entpolitisierung der Armee. Unter dieser verstehen wir wehrgesetzliche Bestimmungen, die der aktiven Armee eine parteipolitische Betätigung untersagen, sie aus dem parteipolitischen Alltagskampf herausheben und über alle Parteien stellen. Die Armee dient dem Schutz der Verfassung der Republik, sie ist Instrument der gesetzlichen Ordnung, die das Ergebnis der demokratischen Willensbildung ist; sie dient der Gesamtbevölkerung, aus deren Arbeit sie erhalten wird, als Hilfe und Stütze in Zeiten der Not. Sie muß jeder Versuchung entrückt sein, nach jeder Wahl und ihren Veränderungen eine andere Flagge zu hissen. Die Armee hat die unbedingte Eidestreue zur Gesamtheit zu verkörpern, sie darf nur österreichisch und nicht parteimäßig denken. Man würde in Fehler der Vergangenheit verfallen, ginge man von diesem Grundsatze ab und würde nichts anderes herbeiführen als die Unter-höhlung der Demokratie.

Die Parteien der zweiten Republik werden in Kürze zu beweisen haben, daß Österreich nicht umsonst in schweren Jahrzehnten die Prüfung seines Staatsbewußtseins bestanden hat, und daß sie von der künftigen Armee zu sagen wünschen, was jüngst auf eine Frage nach seiner politischen Einstellung Außenminister der USA, General Marshall, erklärte: „Ich bin Soldat!“ Womit er feststellt, er sei Amerikaner und nicht Parteimann. Unser Bundespräsident bezeichnete in einem Vortrage als Grundgesetz einer korrekten und sauberen Verwaltung die Forderung, daß der Beamte sich von der Parteipolitik in seiner 'Amtsführung fernzuhalten habe. Das gilt noch vielmehr von dem Soldaten. Wenn die alliierten Truppen Österreich verlassen, dann wollen wir keinem undisziplinierten, schlampigen, politisierenden Verein, sondern einer, wenn auch kleinen, aber pflichtbewußten und zuverlässigen Wehrmacht die ehrenvolle Aufgabe anvertrauen, Be-hüter der Heimat und ihrer Bürger zu sein.

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