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Pacem in terris

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Der Friede auf Erden müsse ein leeres Wort bleiben, wenn er sich nicHt in einem Ordnungsgefüge entwickelt, das in der Wahrheit gründet, nach den Richtlinien der Gerechtigkeit erbaut, von lebendiger Liebe erfüllt ist und sich schließlich in der Freiheit verwirklicht. Dies ist die grundlegende Aussage der neuen, achten Enzyklika Papst Johannes' XXIII., „Pacem in terris“ („Frieden auf Erden“).

Das päpstliche Rundschreiben will an Hand der Gesetze, die der menschlichen Natur eingeprägt sind, die richtige Ordnung des menschlichen Zusammenlebens aufzeigen. Jedem gut geordneten und nutzbringenden Zusammenleben müsse das Prinzip zugrunde liegen, daS jeder Mensch das Verfügungsrecht über seine Person hat. Die Rechte des Menschen seien aber mit ebenso vielen Pflichten verbunden, und da die Menschen von Natur aus Gemeinschaftswesen sind, müsse jeder großmütig seinen Beitrag leisten, um jenes Milieu zu schaffen, in dem die Rechte und Pflichten der Bürger immer sorgfältiger und nutzbringender gewährleistet sind. Im Staat müsse es eine rechtmäßige Autorität geben, welche die Ordnung aufrechterhält. Sie könne aber den Einzelmenschen nur dann im Gewissen verpflichten, wenn sie mit Gottes Autorität in Einklang stehe und an dieser teilhabe, sonst werde sie hinfällig.

Unser Zeitalter der Atomkraft sei nicht überzeugt, daß der Krieg das geeignete Mittel ist, um verletzte Rechte wiederherzustellen, sagt der Papst. Mit großem Schmerz sehe er aber, „daß in den wirtschaftlich gut entwickelten Staaten ungeheure Kriegsrüstungen geschaffen wurden und noch geschaffen werden“. Man pflege dies mit dem Hinweis zu rechtfertigen, unter den gegenwärtigen Umständen könne der Friede nur durch das Gleichgewicht der Rüstungen gesichert werden. Wenn es auch kaum glaublich sei, daß Menschen es wagen möchten, „die Verantwortung für das Morden, die Tötungen und die unvorstellbaren Ruinen auf sich zu nehmen, die ein Krieg im Gefolge hat“, so könne man doch nicht leugnen, daß unversehens und unerwartet ein Kriegsbrand entstehen kann.

Gerechtigkeit, gesunde Vernunft und Sinn für die Menschenwürde forderten deshalb, betont der Heilige Vater, daß das Wettrüsten aufhöre, daß die in verschiedenen Staaten bereits zur Verfügung stehenden Waffen auf beiden Seiten und gleichzeitig vermindert werden, daß Atomwaffen untersagt werden und daß endlich alle nach Vereinbarung zu einer entsprechenden Abrüstung mit wirksamer gegenseitiger Kontrolle gelangen. Rüstungsstopp und Abrüstung seien jedoch ganz unmöglich, wenn sich nicht alle einmütig und aufrichtig Mühe geben, die Angst vor einem Krieg aus den Herzen zu bannen. Dies fordere aber, „daß an die Stelle des obersten Gesetzes, worauf der Friede sich heute stützt, ein ganz anderes Gesetz gestellt werde, wodurch bestimmt wird, daß der wahre Friede unter den Völkern nicht durch die Gleichheit des militärischen Apparates, sondern durch gegenseitiges Vertrauen fest und sicher bestehen kann“.

Das allgemeine Wohl der Völker werfe heute Fragen auf, die alle Nationen der Welt betreffen, stellt Johannes XXIII. fest. Die moralische Ordnung erheische deshalb eine „universale öffentliche Gewalt“, deren Macht überall auf Erden Geltung hat.

Die Aufgaben einer solchen universalen öffentlichen Gewalt soll offenbar die UNO übernehmen. Papst Johannes bezeichnet jedenfalls die „allgemeine Erklärung über die Menschenrechte“, die von der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 angenommen wurde, als einen „Akt von höchster Bedeutung“.

„Der Friede auf Erden, nach dem alle Menschen zn jeder Zeit sehnlichst verlangten, kann nur dann begründet und gesichert werden, wenn die von Gott festgesetzte Ordnung gewissenhaft beobachtet wird“, sagt Johannes XXIII. schon im ersten Satz seiner neuen Enzyklika. In der menschlichen Gesellschaft werde aber gewiß kein Friede herrschen, wenn nicht jeder einzelne in sich selbst die gottgewollte Ordnung wahrt. Der Papst ermahnt die Katholiken zu tätiger Einsatzbereitschaft für das Wohl der gesamten Menschheit und der eigenen Staatsgemeinschaft, und er fordert alle Menschen zu noch größeren und praktischeren Anstrengungen in allen Gebieten des menschlichen Zusammenlebens auf.

Der vorliegende erste Auszug der Papstenzyklika ist in der Redaktion der „Furche“ erst bei Blattschluß eingelangt. Eine eingehende Würdigung erscheint in der nächsten Folge.

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