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PATRIARCH ATHENAGORAS DAMIT ALLE EINS SEIEN”

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ln seinem österlichen Hirtenschreiben von 1960, das von der „schmerzlichen Betrübnis” berichtete, die der Patriarch von Konstantinopel bei einem Besuch des Heiligen Grabes in Jerusalem über die Trennung der Kirche Christi empfunden hat, nimmt der Ober- kirt der östlichen Christenheit ausdrücklich auf jene Stelle im siebzehnten Kapitel des Johannes Bezug, die auch Papst Johannes XXIII., Patriarch des Abendlandes, immer wieder zitiert, wenn er vom bevorstehenden Konzil spricht: Das hohepriesterliche Abschiedsgebet Christi: „Damit alle eins seien.”

Als er vor 75 Jahren geboren wurde, gehörte seine Vaterstadt Janina noch zum Osmanischen Reich. Das Türkische war ihm also keine ungeläufige Sprache, als er 1949 bei seiner Inthronisation seine heute Istanbul heißende Bischofsstadt begrüßte und dem Staatsoberhaupt einen loyalen Antrittsbesuch abstattete. Der Patriarch konnte sich eine solche Geste leisten, denn niemand bezweifelt sein überzeugtes, traditionsbewußtes Griechentum. Nach seinem Studium auf den Prinzeninseln, der alten orthodoxen Pflanzstätte bei Konstantinopel, stand er im Seelsorgedienst als Pfarrer in Athen, als Metropolit von Korfu und seit 1930 fast zwanzig Jahre lang als geistliches Oberhaupt aller orthodoxen Griechen von Nord- und Südamerika, ln dieser neuen, dem ostkirchlichen Wesen so von Grund auf fremden Welt drohen dem Christen zwei Gefahren: Er kann sich in falschem Modernismus der Anpassung an den Rhythmus einer anderen Welt verlieren oder er kann furchtsam ins Ghetto flüchten, die Glaubensgemeinschaft zum sorgsam abgeschlossenen Traditionsverein werden lassen. Athenagoras hat in diesen zwei Jahr zehnten nicht nur keinen Schaden genommen. Er hat, ohne seine rechtgläubige Innerlichkeit zu verlieren, etwas von der großzügigen, weltmännischen Unbefangenheit dazugewonnen, die dem in der Volksheimat lebenden Orthodoxen nur schwer erreichbar ist. Sein geistlicher Lebensweg, der seine Krönung in der Wahl zum Patriarchen fand — sie erfolgte wegen seiner klaren und persönlichen Profilierung übrigens nicht einstimmig — weist eine gewisse innere Parallele zur Bahn seines heutigen Bruders auf dem römischen Stuhl auf. Auch er hat sich der Begegnung mit der „anderen Hälfte’ der Christenheit liebevoll erschlossen. Zur Zeit, da Athenagoras das Christentum von New York und Buenos Aires zu verstehen suchte, vertiefte sich der Nuntius Roncalli in die Frömmigkeit der Griechen und Bulgaren. Aber der Patriarch von Konstantinopel ist, wie der Papst in Rom, zu alt und zu weise, um an den jahrhundertelangen Hemmnissen für eine oberflächlich vollzogene Vereinigung, die schon mehrfach in der Kirchengeschichte eher zum Schlimmeren gedieh, vorbeizusehen. Sein Nahziel ist zunächst die Eintracht der östlichen Christen untereinander. Unermüdlich ist er um Kontakt mit den ..alten” Pafriarchen von Alexandria, Antiochia und

Jerusalem bemüht, die zwar nicht wie ihr Bruder zu Moskau durch den militanten Atheismus, wohl aber durch den sanft-energischen Druck eines immer selbstbewußter werdenden Islams in ihrer Existenz bedroht sind. Er sucht aber auch das Gespräch mit den armenischen Christen und mit jenen, die in den wirren Jahrhunderten nach den ersten großen Konzilen in politischen Häresien verstrickt wurden.

Mit Erschütterung umarmte er beim großen Weihnachtsgottesdienst den zu Besuch weilenden Patriarchen von Moskau Der Patriarch von Konstantinopel weiß, daß es keine wahre Union der Christen geben kann, zu der nicht auch das gläubige russische Volk gehört. Und Geduld wird nötig sein, nach Jahrzehnten rechnende Geduld, diesen Zeitpunkt betend abzuwarten. Athenagoras ahnt wohl, daß er den Tag der Wiedervereinigung der Christen ebensowenig wie Johannes XXIII. persönlich erleben wird. Aber er hat dennoch die Fülle und Reife seiner Jahre in den Dienst dieses Anliegens gestellt. Das Zueinander der Christen kann durch einen Mann von seiner Tatkraft, seiner weiten diplomatischen Toleranz in Bewegung gesetzt werden. Das schließliche Vollenden wird mehr als Menschenwerk sein Gendarmen werden im Jahr fünf, sechs, acht Fälle von groben Übergriffen bekannt. Wir dürfen ruhig annehmen, daß eine Anzahl anderer Fälle nicht bekannt wird — aber so viel steht jedenfalls fest, daß im großen und ganzen kein Grund zur Klage besteht. Ja, man kann es den Beamten gar nicht hoch genug anrechnen, daß sie sich so korrekt verhalten, obwohl das Gesetz ihnen einen erschreckend weiten Spielraum gibt.

Wenn wir hier einige Fälle zusammengetragen haben, in denen der nicht beamtete und nicht uniformierte Staatsbürger sich des Gefühls nicht erwehren konnte, hier seien Übeltäter in Uniform weit besser behandelt worden als gleichartige Übeltäter in Zivil, dann geschah dies nicht, um schadenfroh zu zeigen: ,,Seht, auch bei der Polizei gibt es schwarze Schafe!” Was wJWslįį.xiJand dieser Beispiele zeigen wOÖtwkKjWar vielmehr die doppelte und nicBfeiizu unterschätzende Gefahr, dftiiwBIliige Fälle für die Zukunft haferi kjfcncn.

Die efifte Gefahr richtet sich gegen die 23.000 (oder 22.900) anständigen und korrekten Beamten der Exekutive, denen man demonstriert, daß getreue Pflichterfüllung keine außerordentliche Belohnung mit sich bringt, daß aber jene wenigen, die vom rechten Weg abirren, ganz besonderen Schutz genießen. Der richtigere Weg, so will uns scheinen, bestünde darin, außerordentliche Leistungen besser zu honorieren als nur durch eine Belobigung. Denn das wäre ein Anreiz für das gesamte Korps und nicht — wie das Beide-Augen-Zudrücken — ein Anreiz für einige wenige charakterlich Schwankende.

Die zweite Gefahr aber besteht darin, daß der nichtbeamtete Untertan, der ein viel feineres Gefühl für Gerechtigkeit hat, als man oftmals annimmt, daß dieser Normalstaatsbürger in seinem Glauben an das Recht und die Gerechtigkeit schwankend wird. Und daß ein Autorowdy, ein Betrüger, ein Raufbold zynisch sagen kann: ,,A Polizist müssat ma sein, dann könnt ma si’s richten.”

Man kann wohl ruhig behaupten, daß die gesamte österreichische Bevölkerung mit ihren Exekutivbeamten vollauf — und mit Recht — zufrieden ist. Dieses Vertrauen gilt es zu erhalten und zu fördern. Aber dazu gehört erstens und zweiten und drittens, daß der beamtete Missetäter, wenn schon nicht schärfer, dann doch zumindest ebenso scharf angepackt wird wie der nichtbeamtete Missetäter.

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