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„Pax“ schaltet sich ein

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Eine wirksame Waffe haben die Maßgebenden d«g Regjmes n,Lcht nur an der Polemik ihrer Parteipresse (samt, Rundfunk, Büchern und Brör schüren), sondern auch und mit wachsender Intensität an der Schützenhilfe, die ihnen von der sich katholisch gebärdenden „Pax“-Bewe-gung geleistet wird. Am 18. Mai wurde eine Versammlung dieser „fortschrittlichen Katholiken“ in Warschau abgehalten, bei der mehrere Geistliche, der Sejm-Abgeordnete Dr. Hag-majer und der hervorragende Publizist Aleksander Bochenski — ein Bruder des im schweizerischen Fribourg wirkenden, heftig antikommunistischen Paters Joseph Bochenski —, alle mit offenem Bekenntnis zum heutigen „sozialistischen“ Polen sprachen, wobei es hie und da nicht an versteckten Angriffen gegen den Episkopat fehlte. Hagmajer stellte anbei vier Grundsätze auf: „Die Zusammenarbeit zwischen Gläubigen und Ungläubigen habe nicht außerhalb des Sozialismus, sondern .nur, innerhalb des sozialistir sehen Rahmens zu geschehen.“ „Die Unterordnung der geistlichen, und weltlichen Katholiken unter die kirchlichen Behörden in Sachen des Glaubens, der Moral und der Jurisdiktion bestimmt nicht die politische Haltung der Gläubigen.“ „In den Beziehungen zwischen Staat und Kirche müssen die kirchlichen Behörden und die katholische Öffentlichkeit die Tatsache beachten, daß in der irdischen Politik der Volksstaat die oberste Autorität für alle polnischen Staatsbürger ist.“ „Endlich, im Hinblick auf das begrüßenswerte Nebeneinander zweier Weltanschauungen, ist speziell geboten, Einheit des Handelns beider weltanschaulichen Gruppen zu beobachten, zugunsten der gerechten Sache des sozialistischen Fortschritts.“ Wenige Tage später scharten sich die in der „Caritas“ organisierten „fortschrittlichen“ Priester um ihren Obmann.

Sie beteuerten der Regierung ihre Anhänglichkeit, sandten Depeschen an den Vorsitzenden der Rade Panstwa Zawadzki (das Staatsoberhaupt) und an Außenminister Rapacki und ergingen sich in salbungsvoll verschleierten Äußerungen des Mißvergnügens über den Kardinal und andere Bischöfe.

Nun war wieder das Wort bei Erz-bischof Wyszynski. Er und die gesamte polnische Hierarchie wandten sich in einem Hirtenbrief an die Gläubigen, der am 3. Juni von allen Kanzeln des Landes verlesen wurde. Die staatlichen Behörden hatten vom Text dieses Schreibens schon vorher Kenntnis. Es mangelte nicht an Versuchen, einen Druck auf den Episkopat auszuüben, er möge wie in einem früheren Fall den als aggressiv hingestellten Hirtenbrief zurückziehen. Nach unseren Informationen haben sich, aus Opportunitätsgründen, auch einige katholische Priester von un-bezweifelbarer Kirchentreue dafür eingesetzt, das Schreiben der Bischöfe an einigen Stellen zu mildern.

Die angebliche Härte des Hirtenbriefes vermag ein unbefangener Ur-teiler nur im — begreiflicherweise unwandelbaren — Standpunkt der Hierarchie gegenüber dogmatisch gebundenen Fragen und vielleicht noch im Mut, in der Offenherzigkeit der Darlegung der kirchlichen Auffassung zu erblicken. Sonst aber....' Wyszynski lud dazu ein, das Pfingst-fest zum Anlaß besonderer Gebete „für die nichtgläubigen Brüder“ zu nehmen. Die Warnung des Episkopats richtet sich weniger gegen die Atheisten, für deren Umkehr man nichts tun kann als beten und mit ihnen friedlich Gespräche führen, denn gegen alle die, denen es aus niedrigen oder auch höheren Gründen beliebt, unüberbrückbare Gegensätze zwischen Katholizismus und Marxismus, zwischen Kirche, zwischen jeder Religion und materialistischem Atheismus zu verniedlichen, zu verwischen, und die eine Gemeinschaft, eine nationale Einheit begeistert feiern, bei der Marxisten und Christen miteinander verschmolzen werden, gemäß dem Rezept aus der Anekdote von der Lejcchenpastete: ein (kommunistisches) Pferd, eine (christliche) Lerche ... . Wobei freilich möglich ist, daß, ist einmal die Unvereinbarkeit der beiden Weltanschauungen festgestellt und eine reinliche Scheidung vorgenommen, man dann zu dem einzigen, für die polnische Wirklichkeit logischen, weil illogischen Schluß kommt, mit dem Abgeordneter Kisielewski, der geistreiche Feuilletonist des dem Kardinal nahestehenden „Tygodnik Powszech-ny“, seine Erörterungen zum Thema „Kann man in Polen eine Weltanschauung haben?“ endet: „Ein friedfertiges Christentum, ein friedfertiger Materialismus sind eine Contradictio in adjecto. Wer sich zu einer Weltanschauung bekennt, der bedarf der Anspannung durch ein Leben unter Martern, des ununterbrochenen Bewußtseins einer kondensierten Tragik der Existenz. So sprach ich und ging... auf ein Beefsteak Ins Gasthaus.“

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