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Petrus ist hier drinnen (II)

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Es soll hier nicht versäumt werden, auf die Fülle von kritischen Stimmen zu den Ergebnissen dieser Ausgrabungen hinzuweisen. Es ist bezeichnend, daß der Großteil der Kritiken von Gelehrten aus vorwiegend kalvinistischen und anglikanischen Ländern herrührt. Ihre Äußerungen stimmen im Tenor mit der Feststellung von E. Peterson („Schweizerische Rundschau“, 1952) überein, welcher sich Arnim von Gerkan in der „Evangelisch-Lutherischen Kirchenzeitung“ 1952 anschloß und welche in dem Satz gipfelt:“,,Die Archäologie hat die Frage nach dem Apostelgrab nicht gelöst, sondern nach wie vor ist der Glaube an das Grab erforderlich, und die Archäologie hilft, die Wirklichkeit der Tradition anzuerkennen.“

Mit den vorstehenden Ausführungen wurden die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen in der Krypta der Basilika von Sankt Peter in einer kurzen und für die Allgemeinheit verständlichen Zusammenstellung wiedergegeben. Wer die Methoden der • Archäologie und Ihren historischen Aussagewert anerkennt, muß die hier vorliegenden mit der Überlieferung sich vollständig deckenden Ergebnisse als einen gelungenen Indizienbeweis dafür akzeptieren, daß sich das Grab des heiligen Petrus unter der Confessio der Basilika befindet, und zwar selbst dann, wenn das Vorhandensein einer 1600jährigen ununterbrochenen Tradition der Verehrung des Apostelfürsten an seinem Grabe den Zweifler nicht überzeugen könnte.

Was die Auffindung der Petrusreliquien betrifft, haben die Verfasser des Werkes „Esplorazioni sotto la confessione dt san Pietro in Vaticano“ die Frage darnach vorsichtig so beantwortet: es kämen hierfür einige Skelettfunde aus der Nähe der Aedicula in Betracht, Zu einer genaueren Festlegung haben sie sich zum damaligen Zeitpunkt nicht entschlossen.

Im Jahre 1953 wurde Frau Professor Margherita Guarducci, Ordinarius für griechische und lateinische Epigraphik an der Universität Rom, von Papst Pius XII. mit der Entzifferung und Publikation der Ritzinschriften auf der „Graffitimauer“ G und der „Roten Mauer“ betraut. Die Ergebnisse dieser 1955 abgeschlossenen, äußerst diffizilen, großes Können und unendliche Geduld verlangenden Forschungsarbeit veröffentlichte sie in einem dreibändigen Werk, welches die Libreria Editrice Vaticana 1958 herausbrachte („I Graffiti sotto la confessione di S. Pietro“).

Der erste Band der Publikation enthält die Ergebnisse einer detaillierten Untersuchung der betreffenden Mauern und eine weitausholende Abhandlung über die mystische Bedeutung des griechischen Alphabetes, welches von Heiden und später auch von Christen in den Zeiten der Verfolgung als Geheimschrift verwendet wurde.

Die „Graffitimauer“ G wurde, wie bereits erwähnt, um die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. an der Nordseite des Petrusgrabes — der Aedicula — errichtet. Ihrer genauen Position innerhalb der heutigen Basilika entspricht die Evangeliumseite des Papstaltares; der noch erhaltene Teil dieser Mauer G liegt 1,26 Meter unter dem Kirchenfußboden. Die von den Ritzinschriften bedeckte Nordseite der Mauer G ist mit je einer Lage Grob- und Feinverputz beworfen, während die der Aedicula zugekehrte Südseite mit Marmor verkleidet wurde. In die Nordseite der Mauer G wurde in konstantinischer Zeit die schon erwähnte öffung in etwa zwei Meter Höhe über dem leeren Grab unter der Aedicula nachträglich eingebaut und mit Marmorplatten ausgelegt, wobei die Vorderseite offen blieb. Der noch während der Ausgrabungen (1939 bis 1949) geborgene Inhalt dieses Versteckes wurde von Professor Guarducci 1953 eruiert, sichergestellt und eine genaue anthropologische Untersuchung der Knochenreste sowie eine mikroskopische und chemische Analyse der anorganischen Stoffe in die Wege geleitet.

Von den Buchstaben des mystischen Alphabetes, die“, unter den Ritzinschriften der Mauer G vorkommen, sollen hier nur einige angeführt werden: A = Alpha j= der Anfang, B = V = Bita oder Vita = das (ewige) Leben, H = I = Hiesus (Jesus), M = Maria, N = nika = Sieg, P = pax = (ewiger) Friede, T = Tau = das Kreuz, V = Vita, X = Christos = Christus.

Der Name des heiligen Petrus kommt unter den Inschriften der „Graffitimauer“ G mehrere Male als Sigel vor in der Form eines römischen Schlüssels, dessen Griff mit der Schlinge des Buchstabens P endet, entweder allein oder in Verbindung mit den symbolischen Zeichen für Christus und Maria. Dies ist der sensationellste Erfolg der Forschungsarbeiten Margherita Guarduccis, die für die Richtigkeit ihrer Deutungen viele Beweise auf bereits bekannten antiken Denkmälern in den römischen Museen und Katakomben, aber auch in Nordafrika anführen konnte. In Buchstabenform kommt der Name des Apostels entweder als P, PE oder PET vor, als Sigel P und E in verschiedener Stellung variiert:

B t & E Eine Verbindung des Petrussigels mit dem Christusmonogramm ist unter den Ritzinschriften ebenfalls vorhanden

und drückt den Wunsch nach V ewigen Frieden in Christus und

Petrus aus. Maria, Christus und Petrus werden mit der Formel: M P XI (M = Maria, P = Petrus, X = Christus, I = Jesus) angerufen. Eine besondere Überraschung ergab die Entzifferung der Formel NICA — HOC — VINCE, die auf den Sieg Konstantins über den Gegenkaiser Maxentius an der milvischen Brücke, unter dem Zeichen Christi erfochten, Bezug nimmt.

Auf der der „Graffltimauer“ G zugekehrten Westseite der „Roten Mauer“ wurden im Gegensatz zur „Graffltimauer“ nur zwei Ritzinschriften gefunden, die, bereits erstmalig von den Ausgräbern publiziert, von Professor Guarducci noch einmal in ihre Forschungsarbeit miteinbezogen wurden. Die eine enthält eine kurze Grußform, XAIR' APOSTOLE = sei gegrüßt Apostel, und die zweite: PETROS ENI = Petrus ist hier drinnen (begraben). Beide Inschriften sind in griechischer Sprache abgefaßt, denn Griechisch war die Sprache der Apostel und der ersten Christengemeinde in Rom. Einen Versuch des bekannten österreichischen Archäologen Prof. R. Egger, diese klare Inschrift im Bereich des Petrusgrabes durch willkürliche Hinzufügung von (nicht vorhandenen!) Buchstaben zu „Petros mnestheti tou en irene sou“ etwa: „Petrus^ erinnere, dich meiner in deinem Frieden“ als eine einfache Invokation zu erklären, die auf einem Denkmal, zur Erinnerung an den Märtyrertod des Heiligen angebracht wurde, konnte Margherita Guarducci mit beweiskräftigen Argumenten zurückweisen (in: „Römische Quartalschrift“, Band 59, Heft 3/4, 1964).

Die Ritzinschriften auf beiden Mauern, G und „Rote Mauer“, konnte Prof. Guarducci auf Grund der Buchstabenformen, archäologischer Indizien und auf Grund ihres Inhaltes — IN HOC (SIGNO) VINCE (S) — in die Zeit zwischen 290 und 315 n. Chr. datieren.

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