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Pfunde sollten rollen fur den Sieg

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Unternehmen Bernhard. Von Walter Hagen. Ein historischer Tatsachenbericht über die größte Geldfälschungsaktion aller Zeiten. Verlag Weisermühl, Wels und Starnberg. 291 Seiten.

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Unternehmen Bernhard. Von Walter Hagen. Ein historischer Tatsachenbericht über die größte Geldfälschungsaktion aller Zeiten. Verlag Weisermühl, Wels und Starnberg. 291 Seiten.

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Der wirkliche Name des unter dem Pseudonym Walter Hagen schreibenden Autors ist heute kein Geheimnis mehr. Sein Träger vereint in einer Person ein. intimes Wissen um eine Reihe von Interna des deutschen Geheimdienstes mit der Lust und auch dem Können des Historiographen. Kein Wunder. W. H. gehörte zu jener studentischen Generation, die in den bewegten Jahren vor 1938 die Wiener Universität füllte. Vormittags und nach dem Essen saß man in den Vorlesungen von Srbik oder im Historischen Seminar, der Abend aber gehörte der politischen Konspiration. Die „Illegalität“ übte eine eigentümliche Anziehungskraft aus.

Der Historiker W. H hat sich dieser Atmosphäre auch nach 1938 nicht entziehen können. So rückte er an die „geheime Front“, von der er bereits 1950 nicht uninteressante Details zu berichten wußte. Unter anderem veröffentlichte er in dem gleichnamigen Buch erstmalig in deutscher Sprache die „Pontinischen und Sardischen Gedanken“, die Mussolini während seiner Gefangenschaft auf den Inseln Ponza und La Maddalena im August 1943 zu Papier gebracht hatte und die zu den menschlichsten Zeugnissen des später in sein — vorausgeahntes — Verderben gerannten italienischen Diktators zählen. Nun berichtet W H. ein neues, bisher in seinen Zusammenhängen nicht erhelltes Kapitel von der geheimen Front. Es ist jene im Auftrag Heydrichs gestartete Großfälschungsaktion englischer Pfundnoten gewidmet, die unter dem Namen „Unternehmen Andreas“ begonnen wurde und als „Unternehmen Bernhard“ in die Annalen der Geschichte des unterirdischen Krieges eingegangen ist. Nach der ursprünglichen Absicht seines Initiators sollten serienmäßig hergestellte falsche Pfundbanknoten über England abgeworfen werden und die englische Wirtschaft auf diese Weise in Unordnung bringen. Bald aber wurden die Kofferladungen einwandfrei gefälschter Pfunde die eiserne finanzielle Reserve des deutschen politischen Geheimdienstes im Ausland, der so — im wahrsten Sinn des Wertes — aus dem vollen schöpfend, zeitweise keine ernsten Schwierigkeiten hatte. Nach dem Worte eines skeptischen Franzosen sind bekanntlich alle Menschen käuflich. Die Frage ist nur die Summe . . Wenn man diese Weisheit auch nicht generalisieren will, für Personen, die für Geheimdienste von Interesse sind, trifft sie zweifelsohne zu.

W. H. war nun — wider seinen eigenen Willen und zunächst auch sein eigenes Wissen — der geistige Geburtshelfer dieser ganzen Aktion. Als zunächst „wissenschaftliche Hilfskraft“ für das Reichssicber-heitshauptamt engagiert, erhielt er nämlich den Auftrag, eine historische Untersuchung über jene Francfälschungsaffäre anzustellen, die in den zwanziger Jahren die ungarische lrredenta imitierte und für die Prinz Ludwig Windischgrätz aus patriotischen Gründen 1925 vor Gericht seinen guten Namen hergab. Diese historische Untersuchung, die .zu einer kleinen Dissertation anwuchs, wurde die Grundlage für Heydrichs Unternehmen.

W. H. hat in seiner späteren Eigenschaft als „Beauftragter Süd“ des Amtes VI. des deutschen politischen Geheim Lenstes, dem alle Dienststellen auf österreichischem Boden und des Südostens unterstanden, sowie auch als Chef des Italienreferates mehrmals noch die Spuren des „Unternehmens Bernhard“ gekreuzt, mit dessen führenden Personen der Kontakt nie abriß. So war die Entführung Cianos und seiner Familie aus der Haft Badoglios, für die H. verantwortlich zeichnet, nicht zuletzt ein Werk der falschen, aber wie echt knisternden Pfunde. Auch bei der Befreiung Mussolinis — einer Befreiung zum Tode — spielten „Bernhard“-Pfunde nach dei Aussage H. eine weitaus größere Rolle als Herr Skorzeny, dessen nicht zuletzt von verschiedenen westlichen Zeitungen aufgeputzte Heldengloriole der Autor um manchen falschen Flitter erleichtert. (S. 132.) Hier wie an anderer Stelle weitet sich der Bericht über das „Unternehmen Bernhard“ zu einer,Studie des deutschen politischen Geheimdienstes, seiner Aktionen und ihrer Hintermänner. Viel stärker als in der „Geheimen Front“, in der die persönlichen Aktionen des Verfassers in indirekter Rede beiläufig erzählt werden, rückt in dem vorliegenden Buch W. H. mit seinen persönlichen Beobachtungen und Ansichten heraus. Er berichtet nicht nur von der wohl einmaligen Groteske, daß jüdischen KZ-Häftlingen in der Fälscherwerkstatt eines schonen T.ii;es Kriegsverdienstkreuze verliehen wurden — mag auch sonst, wie wir durch überlebende Zeugen erfahren, das Schicksal der zur „Aktion Bernhard“ verwendeten KZ-Häftlinge weniger glimpflich verlaufen sein, als es H. schildert —, er bezieht auch zu den führenden Männern des Regimes, dem er diente, offen Stellung. Freimütig gibt er zu, daß Hitler ihm lange tabu war. Der Tod Heydrichs, der ihm stets als eine „amoralische Persönlichkeit“ und „Inkarnation des Bösen“ erschien, erfüllte ihn schon seinerzeit „mit Genugtuung“. (S 91.) Auch Himmler kommt schlecht weg. In Kaltenbrunners Porträt möchte er aber auf „zweifellos vorhandene Lichtpunkte“ aufmerksam machen. (S. 93.) In dessen Hörigkeit gegenüber Hitler bis zum letzten Augenblick erkennt er aber dennoch seine „größte tragische Schuld“. (S. 96.)

Mit der Person Kaltenbrunners ist auch der in letzter Minute abgebremste Versuch, aus der „Alpenfestung“ heraus die Uebergabe der Gewalt an patriotische österreichische Elemente anzubieten, verbunden.

Auch zu diesem wenig bekannten Kapitel der Vorgeschichte der Zweiten Republik gibt der Verfasser im Rahmen seines Berichtes über die falschen Pfunde, die für den deutschen Sieg rollen sollten, nicht uninteressante Details.

Das Buch unterscheidet sich von “der gewissen „Rechtfertigungsliteratur“ der Diener des 1945 abgetretenen Regimes. Es ist frei von larmoyanter „Selbstbemitleidung“ wie von jenem falschen Zungenschlag (Motto: Wir Wilde, waren doch bessere Menschen .. .).

Man sieht: das Historische Seminar der Universität Wien hat doch sein Gutes gehabt.

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