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Podgorny im Vatikan

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Zunächst könnte man fragen: Ist es überhaupt sicher, daß der sowjetische Staatspräsident Podgomi Papst Paul VI. im Vatikan besuchet wird? Feststeht, daß er auf Staatsbesuch nach Italien kommt. Der Vatikan hüllt sich in Schweigen. Wie immer, muß man hinzufügen. Auch jene Prälaten der Kurie, die die nicht immer dankbare Aufgabe haben, den Journalisten Rede und Antwort zu stehen, konnten pflicht- und traditionsgemäß nur sagen: Hieramts nicht bekannt.

Wollen wir einmal annehmen, so wie die ganze Welt annimmt, daß es zu einem solchen Besuch kommen wird. Was sind die Voraussetzunigen, was könnten die Folgen sein? Von seilten der Sowjetunion sprechen alle Gründe für einen solchen Besuch, kaum einer dagegen. Die Sowjets haben ein großes Prestigebedürfnis, sie wollen ihr Staatsoberhaupt nicht anders behandelt sehen wie andere Staatsmänner. Seit Jahrzehnten ist es üblich, daß ein Staatsbesuch in Italien immer auch einen Besuch beim Papst miteinschließt. Warum also diesmal nicht? Für die Russen ist der Papst ein Staatsoberhaupt, ein Souverän wie jeder ander. Daß er das geistliche Oberhaupt der größten christlichen Glaubensgemeinschaft ist, könnte für sie außer Betracht bleiben. Mit dem „Staat des Vatikans“, dessen Staatsoberhaupt Podgorny besucht, hat die Sowjetunion keine Differenzen; sie will, wie sie immer wieder betont, friedliche Beziehungen zu allen Staaten unterhalten. Man könnte das diplomatische Blinde-Kuh-Spiel in der Phantasie so weit treiben, daß man sich theoretisch auch die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen vorstellen könnte. Theoretisch könnte ein päpstlicher Diplomat in Moskau in einer Art Nuntiatur sitzen. Aber was sollte er dort tun, außer an Empfängen teilnehmen, Briefe empfangen und Briefe weiterleiten? Für uns ist es selbstverständlich, daß ein Nuntius mehr ist als nur der formale Vertreter des Staatsoberhauptes des Vatikans, daß er über die diplomatische Aktivität hinaus einen ständigen Kontakt zwischen den Katholiken eines Landes und dem Oberhaupt der Kirche garantiert. Würde die sowjetische Regierung gestatten, daß ein Nuntius sich als eine Art Verbindungsmann zuständig fühlt für das Schicksal von Millionen Katholiken im sowjetischen Machtbereich?

Heute wohl kaum.

Auch von selten des Vatikans liegt, genau besehen, keim Hindernis für diesen Besuch vor. Die Kirche des Dialogs spricht mit allen. Die Kirche, die ein eigenes Sekretariat für die Nichtgläubigen eingerichtet hat und den marxistischen Atheismus genau studiert, sollte einem Gespräch mit einem marxistischen Atheisten ausweichen? Nur, weil dieser der sowjetische Staatspräsident ist? Dann doch wohl erst recht nicht.

Mit dem höchsten Vertreter der Sowjetunion mag die Kirche aus vielen Gründen ein Gespräch suchen. Der wichtigste ist wohl das Bemühen des Papstes um eine Beendigung des Vietnamkrieges. Der Papst, dessen Haltung von manchen als „schwankend“ angesehen wird, weil sie meinen, daß er in der augenblicklichen innerkatholischen Auseinandersetzung ton Gefolge des Konzils ein Wort der Ermutigung mit einem Wort der Ermahnung kompensiere, dieser Papst verfolgt ein Ziel mit eiserner Konsequenz, ohne sich entmutigen zu lassen, ohne Rücksicht auf irgendwelche Prestigeverluste, über alle Rückschläge, über alle augenscheinliche Vergeblichkeit hinweg: das Ziel des Friedens. Wenn die Welt diese und noch einige kommende Krisen überlebt, was wir alle hoffen, dessen wir aber wahrlich nicht sicher sind, so wird sie sich jenes Mannes erinnern, der wie kein anderer in dieser Zeit sein ganzes Gewicht in die Waagschale des Friedens geworfen hat. Am Waagebalken aiber hat die Sowjetunion ihren Finger. Sie hat bisher zu allen Friedens-vorschlagen im Vietnamkrieg „Njet“ gesagt. Sie wird auch dem Papst gegenüber nicht ja sagen, nicht sofort zumindest. Aber sie wird den Papst hören und sie wind erkennen müssen, daß er es ehrlich meint, daß er kein „Agent des amerikanischen Imperialismus“ ist, daß er, wenn er vom Frieden spricht, auch den Frieden meint. Man hat sich in Rom ziemlich deutlich von dem „Sieg-Friedens“-Apell Kardinal Spell-mans in Vietnam distanziert, der wieder einmal mit aller Deutlichkeit die Problematik der Verbindung höchster Kirchenämter mit der sicherlich notwendigen Institution des Feldpredigers aufzeigte. Man hat in Rom sorgsam darauf geachtet, daß katholische Hilfslieferungen für die notleidende Bevölkerung beiden Teilen Vietnams zugute kommen. Wie man weiß, war vor kurzem der Präsident der deutschen Caritas in Hanoi. Unwidersprochen blieben die Meldungen, daß ein päpstlicher Diplomat sich in Hongkong aufhalte, eben jener, der die Reisen des Papstes nach Indien und New York vorbereitet hatte. Alle diese Aktivitäten zeigen nur, wieviel der Papst seinem Ziel, dem Frieden, unterzuordnen bereit ist. Wenn der Papst in seiner Sorge für den Frieden zu der Uberzeugung kommen sollte, daß, wenn überhaupt, nur ein spektakulärer Schritt diesen Frieden retten könnte, er würde nicht zögern, diesen Schritt zu tun.

Ob der Papst über die Lage der Katholiken in den kommunistischen Ländern reden wird? Über die Lebeinsmöglichkeit der Kirche in der Sowjetunion? Über das Gespräch zwischen Marxisten und Christen? Wir werden es nicht erfahren, denn i gewiß wird über diese Unterredung i kein Kommunique herausgegeben. : Eines aber kann man mit Sicher- i heit annehmen: so viel dem Papst auch am Herzen liegt — und es ist i nicht wenig — er wird gewiß darauf i achten, daß die Notwendigkeit der 1 vielen Gesprächsthemen nicht die i Vordinglichkeit des einen Themas 1 gefährdet. Dieses Thema ist der i Friede.

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