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Politische Pilgersdiaften

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Von vertrauenswürdiger Seite erhält die „Furche“ von jenseits der Grenze folgenden Bericht:

Wie im Vorjahr, als die von kommunistischer Seite aufgezäumte sogenannte „Katholische Aktion“ ihre ersten Gehversuche unternahm, standen auch heuer die ersten Julitage im Zeichen der „nationalen Wallfahrten“. Man hat den Feiertag der mährischen Landespatrone, des hl. Cyrill und des hl. Me-thod, vom 5. auf den 3. Juli vorverlegt und anschließend den Hus-Tag begangen, der eigentlich auf den 6. Juli gefallen wäre, um beide Feiern mit Friedensgroßkundgebungen verbinden zu können.

Die unmittelbare Aufeinanderfolge der beiden Feiertage — des katholischen Kirchenfestes und des Gedenktages des von der Kirche als Ketzer verurteilten Magisters — war den Prager Macht-habern für ihre Pläne gelegen. Die bei den Veranstaltungen auftretenden Redner aus dem Inland, mehr noch die zahlreichen Gäste aus dem Ausland, lassen deutlich die Richtung erkennen, in die man die Entwicklung auf kirchlichem Gebiet zu lenken beabsichtigt.

Aus Rußland war wiederum Metropolit Nikolaj und Erzbischof Fotij erschienen, aus Bulgarien Metropolit K y r i 1, daneben Vertreter der orthodoxen Kirche Rumäniens. Auch der Westen fehlte nicht: der anglikanische Dekan von Canterbury, Dr. Johnson, erschien neben dem Wiener Pastor Kock, beide bekannt verstiegene Nachläufer des Kommunismus, die deutsche demokratische Republik war durch Pastor D r o o p vertreten.

Von „katholischer“ Seite sind es — abgesehen von einer Delegation aus Polen — nur wenige und immer wieder die gleichen, schon allzu bekannten Männer, die in Erscheinung treten: Jan Dechet, der vom Kirchenministerium eingesetzte „Administrator“ der Diözese Neusohl, P. Mira, der Leiter der Caritas, der als Zeremoniär fungierte, Minister P 1 o j h a r und die slowakischen Beauftragten Horak und Lukacovic.

Entscheidender aber als die Großkundgebungen in Theben, V e 1 e-hrad oder Hussinetz, waren die vorausgegangenen Priesterkonferenzen, die für die „patriotischen“ katholischen Priester in Horschitz und Podebrad, für die Geistlichen aller Konfessionen im slowakischen Luhatscho-witz stattgefunden hatten. Hier wurden zum Thema „Kirche und Staat“ folgende Fragen gestellt: „Ist es möglich, daß wir Katholiken mit unserer volksdemokratischen Regierung zusammenarbeiten? — Ist eine solche Zusammenarbeit zweckmäßig? — Ist eine solche Zusammenarbeit für uns nötig?“ — Der Redner, der diese Fragen zu beantworten versuchte, und zwar vom „katholischen Standpunkt“, war der Beauftragte für das P o s t w e s e n (!) in der Slowakei, Mitglied des Zentralkomitees der Friedensverteidiger in der Tschechoslowakei, Dr. Alexander Horak, ein einstiger katholischer Priester aus Ungarn, der seit zwei Jahren, ebenso wie sein böhmischer Ministerkollege Josef Plojhar, exkommuniziert ist und schon in Ungarn kirchlich gemaßregelt werden mußte.

„Mitbrüder“, begann Dr. Horak seine Ansprache, in der der bezeichnende Ausdruck von der „Sackgasse, in die wir geraten sind“, fiel, und von der „unmöglichen Situation, in die das kirchliche Leben im Verhältnis zum Staat gelangt ist“. Seine Ausführungen wurden durch folgenden Satz gekennzeichnet:

„Der Kampf gegen die Religion, gegen den Glauben, gegen Gott und gegen die Priester war und ist kein grundsätzliches Ziel, sondern, ich möchte sagen, nur ein Hilfsziel des Marxismus-Leninismus. Dieser Kampf hört in diesem Augenblick auf, in dem aus dem Hindernis eine Unterstützung wird, und verstärkt sich in dem Maße, als die Größe des Hindernisses anwächst.“ „Pater“ Horak — so wird der Vortragende in allen amtlichen Berichten heute noch genannt — teilt im übrigen die vom Prager Kirchenministerium und von der onter kommunistischen Patronanz ins Leben gerufenen sogenannten „Katholischen Aktion“ vertretene Ansicht, daß der Papst das „Oberhaupt eines ausländischen Staates“ sei.

Besonders groß aufgezogen wurde heuer in dieser Hinsicht die W a 11-fahrt nach Velehrad in' Südmähren, dem Grab des Slawenapostels Method. Vom 3. bis 6. Juli sollte eine große nationale Pilgerschaft stattfinden, zu der man Hunderte von Priestern und 100.000 Teilnehmer erwartete. Es kamen nur 30.000 bis 40.000; welcher Art diese Pilger waren, zeigt ihr Verhalten während der Messe, die auf dem Platz gelesen wurde. Es war wie bei irgendeiner politischen volksdemokratischen Ver-Sammlung. Die Besucher stellten zum guten Teil die Belegschaften großer Industriewerke — wie der Olmützer Stahlwerke —, die man unentgeltlich nach Velehrad geführt hatte.

Trotz eifrigster Propaganda und dem Versprechen von freier Fahrt, Verpflegung, Unterbringung und 80 Kronen täglicher Diäten blieb bis auf 133 angebliche Geistliche die versprochene Massenbeteiligung von Priestern aus. Amtlich wurden aber 433 Priester gemeldet, es ist zweifelhaft, wieviel von den anwesenden 133, die an diesen Tagen in Velehrad ein Kollare trugen, auch wirkliche Priester waren. Die tschechische Festpredigt hielt Pater Kasan, ein abgefallener Pramonstratenser, die slowakische der exkommunizierte „Administrator“ von Banska-Bistrica, Dechet. Die politischen Reden hielten Plojhar, der behauptete, Kommunismus, Sozialismus und Christentum seien kein Widerspruch, indes der Kirchenminister Fierlinger erklärte, daß es keinen Modus vivendi mehr für die Kirche gebe, der Kirchenkampf werde bis zum Sieg des Staates fortgeführt. Auf das Grab Doktor S t o j a n s, des verstorbenen Erz-bischofsvon Olmütz, wurde ein Kranz durch die Vertreter des Staates niedergelegt.

Der Trick, das Andenken dieses vorbildlichen katholischen Kirchenfürsten zur Irreführung zu mißbrauchen, ist die Erfindung des Renegaten Plojhar. Bei einer seiner vielen Reden, die Plojhar in letzter Zeit in Mähren hielt, rühmte er den schon lang verstorbenen Erz-bischof S t o j a n von Olmütz, der sich eines ehrfurchtsvollen Andenkens im Volk erfreut, und sagte wörtlich, das katholische Volk Mährens werde Stojan nie vergessen und sich immer •solche Hirten wünschen.

Einmal sprach hier Plojhar die Wahrheit. Stojan war eine Zierde des katholischen Episkopats, die personifizierte Güte und Nächstenliebe. Fern allem Chauvinismus — heute noch ist sein Ausspruch „Dem deutschen Volk in meiner Diözese deutsche Priester!“ bekannt —, war er ein unbeugsamer Verteidiger der Rechte der Kirche. Zusammen mit Erz-bischof Dr. Kordac von Prag führte er den unerbittlichen Kampf gegen die Bestrebungen, eine tschechische Nationalkirche kurz nach dem ersten Weltkrieg zu schaffen. Daß er noch ein überzeugter Anhänger des alten Österreich war, soll nur am Rande vermerkt sein. Erzbischof Dr. Stojan ist also gerade derjenige, auf den sich die Plojhars und Genossen niemals berufen dürften.

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