6726022-1965_32_08.jpg
Digital In Arbeit

Polnische Schwierigkeiten

Werbung
Werbung
Werbung

In zahlreichen Stellungnahmen führender polnischer Persönlichkeiten ist in den letzten Wochen und Monaten eine Verbesserung des Verhältnisses von Kirche und Staat befürwortet worden. In mehreren dieser Stellungnahmen wird auch für eine Verbesserung der Beziehungen Polens zum Heiligen Stuhl eingetreten. Einer der führenden katholischen Laien Polens, Jerzy Zauneyski, der dem polnischen Staatsrat angehört, vertrat in diesem Zusammenhang die Ansicht, daß eine Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Vatikan und den kommunistischen Ländern durchaus möglich sei. Der Führer der „Znak“-Abgeordne-tengruppe im polnischen Parlament, Stomma, ging noch einen Schritt weiter und sprach sich in einer dieser Tage im Sejm gehaltenen Rede für die Aufnahme direkter Verhandlungen zwischen der polnischen Regierung und dem Heiligen Stuhl aus.

Geringe Verbesserung

Seit dem Pontifikat Johannes' XXIII., erklärte Stanislaus Stomma, sei eine „gewisse Verbesserung in den Beziehungen zwischen der Kirche und dem sozialistischen Lager“ eingetreten. Um das gegenseitige Verhältnis in Polen weiter zu verbessern, müßten sowohl die Kirche als auch der Staat Bereitschaft zu einer gewissen Anpassung zeigen. In ähnlichem Sinne äußerte sich auch die in Krakau erscheinende katholische Wochenschrift „Tygodnik Pow-zechny“. In einem mit „Wir brauchen den Dialog“ überschrieben Artikel des Blattes wird darauf hingewiesen, daß Polen das erste Land gewesen sei, in dem die Vertreter eines kommunistischen Staates und des katholischen Episkopats im Jahre 1950 eine „zukunftsweisende Urkunde zum Zwecke der Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen“ unterzeichneten. Die letzten Jahre hätten „im Weltmaßstab die Bedeutung dieser Konfrontation der christlichen mit der kommunistischen' Welt“ noch verstärkt, denn sie habe gezeigt, daß „auf beiden Seiten große Umwälzungen vor sich gehen“.

Das Warschauer Blatt „Glos Pracy“ schreibt unter dem Titel „Kommentar eines Atheisten“ unter anderem folgendes: „Im gesellschaftlichen Bereich ist das Tor zur Anerkennung des sozialistischen Systems aufgestoßen. Johannes XXIII. predigte die Neutralität der Kirchen. Im religiösen Bereich, vor allem aber in den Beziehungen zwischen der Kirche und den sozialistischen Ländern, begann man Kompromißlösungen zu suchen.“ Als „praktischen Beweis“ für diese Entwicklung führt die Zeitung das im Vorjahr zwischen dem Heiligen Stuhl und der ungarischen Regierung getroffene Abkommen über einen „modus vivendi“ an.

Zusammenarbeit ist möglich

Auch der der „Christlich-Sozialen Gesellschaft“ angehörende Abgeordnete Jan Frankowski berief sich in einer Rede vor dem polnischen Parlament auf Johannes XXIII. Dieser habe, so erklärte Dr. Frankowski, in seinen Enzykliken eine neue Sicht des Problems sowie die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit einer Zusammenarbeit auf gewissen Gebieten aufgezeigt. Frankowski nennt die Zusammenarbeit von Gläubigen und Ungläubigen, von Katholiken und Marxisten, als wichtiges Element der Einheit der polnischen Nation. Auf diesem Gebiet gebe es allerdings noch manche Unzulänglichkeiten. So seien „die Katholiken nicht dazu berufen, die Marxisten au belehren, wie sie die Lehre des Marxismus auffassen sollen. Ähnlich sind die marxistischen Publizisten nicht dazu berufen — wie es jedoch einige von ihnen tun — den Katholiken Ratschläge zu erteilen, zum Beispiel welche Formen und welchen Gehalt des religiösen Kultes sie für die Katholiken für die besten halten“.

Auch von selten der regimenahen Pax-Gruppe wurde zum Problem einer Verbesserung des Verhältnisses Staat—Kirche in Polen Stellung genommen. „Wir können feststellen“, so erklärte der Abgeordnete Jozef Knapik vor dem Sejm, „daß die endgültige Regelung der Probleme zwischen Kirche und Staat in Polen die sich zugleich auf die Beziehungen zwischen der polnischen Regierung und dem Apostolischen Stuhl gründen, von den Massen der Gläubigen und Nichtgläubigen gewollt wird. Bei der Erörterung dieses Problems sind wir uns vollauf der historischen und aktuellen Schwierigkeiten bewußt, die die Aufnahme dieses von den breiten Massen der Gläubigen und Nichtgläubigen so sehnlich erwarteten Schrittes zeitweise aufschieben“. „Parteichef Gomulka selbst streifte vor dem III. Plenum der „Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei“ kurz das Problem der Mitarbeit der Katholiken am Aufbau des Landes. In Polen sei Platz, so stellte Gomulka dabei fest, für „gesellschaftliche oder politische Gruppierungen von Laienkatholiken“. Er schränkte jedoch ein, daß es sich dabei nur um solche Gruppierungen handeln könne, „deren christliche Weltanschauung sie zu einer positiven Einstellung zur Volksregierung und zur Beteiligung an patriotischen Aktivitäten veranlaßt“.

Gegen diesen Versuch einer Aufspaltung protestierte Kardinal Wyszynski wenige Tage danach in einer Predigt. „Wir betrachten mit Mißtrauen“, erklärte der polnische Primas wörtlich, „jeden Versuch, uns auf Grund unserer religiösen. Uberzeugung oder allgemeinen Anschauungen zu trennen. Wir widersetzen uns dem Beginnen, das Land in Gläubige und Nichtgläubige zu spalten.“

In einer weiteren Predigt führte der Warschauer Erzbischof einige wichtige Gründe an, die einer Verbesserung des Verhältnisses von Staat und Kirche entgegenstehen. Kardinal Wyszynski verwies dabei vor allem auf den „Kampf gegen den Episkopat“, der „von den Atheisten, der Partei, politischen Gruppen und der Armee noch immer fortgesetzt“ werde.“

Bis zu einer wirksamen Verbesserung des Verhältnisses von Staat und Kirche in Polen gibt es also noch eine Reihe ernster Schwierigkeiten zu überwinden. Es sind jedoch gerade in letzter Zeit einige Gesten zu verzeichnen gewesen, die als Indizien eines gewissen Entgegenkommens sowohl von staatlicher als auch von kirchlicher Seite zu werten sind. Die zwei Abkommen, so betonte erst kürzlich der Breslauer Erzbischof Kominek, die unter dem kommunistischen Regime in Polen von Vertretern der Kirche und der Regierung unterzeichnet worden sind, seien jedenfalls „Dokumente von sehr hohem Rang“ und unbestreitbarer Beweis von Verständigungsbereitschaft und gutem Willen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung