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Portugal ist kein Eden

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Obwohl durch 2000 Kilometer in diesem vielfältigen Europa voneinander getrennt, sind Oesterreich und Portugal in der Tat zwei Länder mit vielen Aehnlichkeiten; auf den Kreuzwegen der Geschichte sind sie oft einander begegnet, und sie haben Grund genug, sich zu kennen und zu schätzen.

Im 12. Jahrhundert, fast zur selben Zeit, als Heinrich Jasomirgott das Privilegium minus erhielt, das dem Herzogtum Oesterreich eine politisch-autonome Stellung gewährte, gelang es einem anderen Heinrich, am entgegengesetzten Ende Europas, die Unterzeichnung eines Vertrages durchzusetzen, der das Fürstentum Portugal unabhängig machte.

Auf dem europäischen Kontinent haben beide Länder ungefähr die gleiche territoriale Ausdehnung, dieselbe Bevölkerungszahl und ein wertvolles gemeinsames Kulturgut zu verteidigen. Beide bekennen sich zur römisch-katholischen Religion und ihre bedeutendsten Gotteshäuser, mit denen die Erinnerung an historische Ereignisse verknüpft ist, strahlen den gleichen Geist aus und rufen die gleichen Empfindungen hervor. Die Stephanskirche, im Herzen des mittelalterlichen Wien, wo Johannes Capistranos den Kreuzzug gegen die Türken predigte, findet ihr Gegenstück im Dom von Lissabon, der innerhalb der ursprünglichen Mauern der portugiesischen Hauptstadt erbaut wurde und wo das Kind getauft wurde, das als heiliger Antonius zum großen Schriftgelehrten wurde. Auch die Karlskirche, Meisterwerk Fischer von Erlachs, die an die Zeit Karls VI. und an den spanischen Nachfolgekrieg erinnert, hat im wundervollen Hieronymus-Kloster in Lissabon ihr Gegenstück, in dem die Aera König Emmanuel I. und der Entdeckungen fortlebt, die das Kreuz Christi auf den portugiesischen Karavellen in alle Teile der Welt brachte.

In der Wiener Nationalbibliothek ist das wertvolle Schulbuch Kaiser Maximilians I. zu sehen, dessen Titelblatt auf einer schönen Miniatur den zweiköpfigen Adler und daneben das portugiesische und das österreichische Wappen zeigt. Dieses Schriftstück aus dem 15. Jahrhundert ist der Beweis einer alten Freundschaft, in diesem Fall durch die Heirat Friedrichs III. mit der Prinzessin Eleonore von Portugal besiegelt, deren

Hochzeit von Pinturicchio in der berühmten Freske im Stephansdom bildlich dargestellt wurde. Diese Heirat war, wie man weiß, die erste einer ganzen Reihe von Vermählungen, die das Haus Oesterreich in den Vordergrund der politischen Bühne Europas rückten und das Reich Karls V. bis an die Grenzen Portugals brachten.

Drei Jahrhunderte später gelangte eine habsburgische Prinzessin auf den Thron Portugals, wo sie einen starken Einfluß ausüben sollte: die Erzherzogin Maria Anna, Tochter des Kaisers Leopold I., vermählte sich 1708 mit dem König Joäo V.

Es ist also, wie wir sehen, kein Zufall, daß die beiden wertvollsten Wagensammlungen der Welt die Museen von Schönbrunn und Lissabon sind, deren kunstvoll ausgeführte Stücke an Bande erinnern, die sich zwischen den beiden Ländern knüpften.

In späterer Zeit ernteten Portugiesen und Oesterreicher auf den Schlachtfeldern gemeinsame Ehren, als sie gegen die napoleonische Vorherrschaft kämpften, und es ist fast symbolisch, daß unter den Schlußakten des Wiener Kongresses von 1815 die Unterschriften Metternichs und Palmelas nebeneinander auf der gleichen Zeile stehen. .

Endlich sei daran erinnert, daß Oesterreich das Land war, wo König Miguel I. von Portugal in der Verbannung Zuflucht fand, und Portugal das Land, wo Kaiser Karl, der letzte Kaiser von Oesterreich, seine letzten Jahre verlebte, starb und eine bleibende und liebevolle Erinnerung hinterließ.

Portugal ist eine Republik, die, nachdem sie die Anfangsstufe einer natürlichen Anpassung an das Regime überschritten hatte, in den entsprechenden Institutionen eine feste Stabilität fand: in dreißig Jahren hat sie nur zwei Regierungsoberhäupter gehabt und praktisch dasselbe Regierungskorps, das seit 1926 nur durch gelegentliche Neubesetzung einzelner Ressorts erneuert wurde. Der jetzige Ministerpräsident, Professor Salazar, hat seit 1928 ununterbrochen Funktionen in den Ministerien ausgeübt.

Es ist ein einheitlicher Staat, der unter derselben Fahne und gleichem Bürgerrecht, ohne Rassen-, Kultur- oder Religionsunterschiede,

ethnologisch sehr verschiedene Völkergruppen vereint, die sich innerhalb von recht verschiedenen Zivilisationen entwickelt haben, in vier verschiedenen Kontinenten leben und verschiedene Glaubensbekenntnisse haben.

Selbstverständlich ist Portugal kein Eden. Auch hier ist der Existenzkampf schwer, es wird hart gearbeitet, man geht der Zukunft entgegen, ohne auf Opfer zu achten, die man zu bringen hat. Wie alle Länder hat auch Portugal innere Probleme zu lösen: Einordnung von Bevölkerungsüberschüssen, Verwertung der Naturschätze, Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den verschiedenen Gebieten.

Wie oben erwähnt, üben wir unsere Wirkung in den Ueberseegebieten seit fünf Jahrhunderten aus, was eine enorme Summe von Erfahrungen im Kontakt nut Völkern verschiedener Rassen-, bedeutet/ In-Pottugiesisch-Indieh haben wir- drei Religionen miteinander in Einklang gebracht: die katholische, die mohammedanische und die Hindureligion; in Makao zwei Zivilisationen — die chinesische und die westliche; in Timor zwei Völkergruppen — die malaiiche und die europäische. In den portugiesischen Provinzen Afrikas (Cabo Verde, Guinea, Säo Tomė und Principe, Angola und Mozambik) haben wir ebenfalls die verschiedenartigsten Bevölkerungselemente in Frieden und Eintracht leben lassen.

Als die Portugiesen in die Gebiete kamen, die heute ihre Ueberseeprovinzen bilden, befanden sich diese in einem sehr reduzierten Zustand. Heute genießen in fünf von den acht Uebersee- provinzen alle Einwohner sämtliche Rechte der portugiesischen Oberhoheit und nur in drei ist die Bevölkerung noch in einer Uebergangsphase begriffen, die darauf hinausgeht, ihre Rechte zu wahren, ihre Interessen zu schützen, ihre Entwicklung zu fördern.

Die Jahrhunderte brüderlichen Zusammenlebens mit der Bevölkerung haben den Einwohnern das Bewußtsein des Wertes der portugiesischen Nationalität eingeflößt und somit den unzerbrechlichen Patriotismus, der sie kennzeichnet und sie treu zu Portugal halten läßt, selbst wenn sie dem Einfluß ausländischer Propaganda oder der Anwendung brutaler Gewalt ausgesetzt sind.

Was in den letzten Jahren in Portugiesisch- Indien vor sich ging, wo die Portugiesen indischer Abstammung selbst das Nationalterritorium im Kampf gegen die bewaffneten Insurgenten der Repüblik Indien verteidigten, ist für die Loyalität der portugiesischen Bevölkerung nichteuropäischer Herkunft bezeichnend.

Es möge aber ein Fall erwähnt werden, der vielleicht noch bemerkenswerter ist. Als im letzten Weltkrieg Timor von der japanischen Invasion betroffen wurde, wurde der „Portuga- lismus“ der Eingeborenen auf eine harte Probe gestellt. Nach vier Jahren Besatzung und antiwestlicher Doktrin, stellte die Eingeborenenbevölkerung selbst sofort die portugiesische Oberhoheit in vollem Maße wieder her. Als die portugiesischen Expeditionstruppen, von Mozambik hinübergeschickt, in Timor ankamen, fanden sie die unerwartete Lage vor, daß ihr Eingreifen unnötig war, denn die portugiesische Oberhoheit war eine Tatsache. Der Eingebore nenführer Dom Aleixo, wie so viele andere von den Japanern barbarisch gefoltert und ermordet, weil er treu zu Portugal hielt, war als Nationalheld in die Geschichte und in die Sage eingegangen. Ein Denkmal, das ihm errichtet wurde, erinnert an seinen Patriotismus und verewigt das Symbol der Vaterlandstreue aller portugiesischen Völker, die in der Welt verstreut sind.

Als vor kurzem in der UNO eine afrikanischasiatische Gruppe versuchte, Portugal wegen seiner Ueberseeterritorien Schwierigkeiten zu machen, nahmen verschiedene Länder an unserer Seite Stellung. Im Laufe der Debatten erklärten die brasilianischen Delegierten mit dem ganzen

Gewicht der Autorität, die ihnen als unverdächtigen Beobachter zukommt, folgendes:

„Das Zivilisationswerk Portugals — das sich drei Jahrhunderte lang in Brasilien auswirkte und dessen mächtiger Einfluß sich noch immer in der brasilianischen Volksseele widerspiegelt — ist stets ein Kreuzzug für den moralischen und geistigen Fortschritt gewesen, eine Folge von Beispielen der Duldsamkeit, der Nächstenliebe, der Vervollkommnung menschlicher Würde. Brasilien ist besonders stolz darauf, hier erklären zu können, daß es einmal ein portugiesisches Land gewesen ist und daß das hervorragende Erziehungs- und Zivilisationswerk, das Portugal in Brasilien verwirklichte, nicht mit den Prinzipien übereinstimmt, die man gemeinhin als traditionellen Kolonialgeist bezeichnet, denn es war ein Werk der Liebe und nicht der Unterdrückung, ein Werk der Erziehung und nicht der einfachen materiellen Ausbeutung."

Diese klaren und eindeutigen Worte sprechen für sich.

Schließlich sei noch darauf verwiesen, daß Portugals Handlungsweise in den Ueberseegebieten keineswegs eine Zusammenarbeit mit anderen Ländern ausschließt. Missionare vieler Nationalitäten arbeiten mit den portugiesischen Missionen in der Bekehrung der Urbevölkerung zum christlichen Glauben zusammen. Aus den verschiedensten Quellen fließt der Wirtschaft der Ueberseegebiete Kapital zu, um sie zu beleben. Techniker und Unternehmer aus vielen Ländern wenden ihre Kenntnisse und ihre Arbeit für die Erschließung und Verwertung der portugiesischen Ueberseeterritorien an.

Ich erinnere mich beispielsweise, in Angola, in der Nähe von Benguela, einen Oesterreicher getroffen zu haben, der ein Unternehmen der Fischereiindustrie leitete, und in der gesamten wissenschaftlichen Welt ist das hervorragende Forschungswerk bekannt, das Professor Franz Gerlach in Angola ausübt, dank den Mitteln, die ihm von der Zentralstation für veterinäre Pathologie von Neu-Lissabon zur Verfügung gestellt werden. Daraus kann man ersehen, wie Portugal und Oesterreich, jedes innerhalb seiner Möglichkeiten und Wirkungssphären, an der Errichtung einer besseren Welt auch im kleinen Zusammenarbeiten und Hand in Hand gehen.

Es ist gut, daß die Oesterreicher über das, was in diesem Sinne in Portugal geschieht, unterrichtet werden, und wünchenswert, daß die Portugiesen erfahren, was in Oesterreich getan wird. Auf diese Weise wird eine traditionelle Freundschaft gestärkt, die nur die besten Ergebnisse zeitigen kann.

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