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Positive Zeichen erwartet

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Kirche und Papst sollen die versprochene, seit langem erwartete Erklärung zur Judenvernichtung abgeben. So lautete eine der Forderungen beim Theodor Herzl-Symposion in Wien.

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Kirche und Papst sollen die versprochene, seit langem erwartete Erklärung zur Judenvernichtung abgeben. So lautete eine der Forderungen beim Theodor Herzl-Symposion in Wien.

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Umtost von Jubel”, schreibt der Biograph von Theodor Herzl, Alex Bein, schloß Herzl den ersten Zionistenkongreß in Basel. Herzl hatte erreicht, was er wollte. Nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt schrieb er im September 1897 in sein Tagebuch: „Fasse ich den Basler Kongreß in ein Wort zusammen - das ich mich hüten werde, öffentlich auszusprechen so ist es dieses: In Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. Vielleicht in fünf Jahren, jedenfalls in fünfzig, wird es jeder einsehen.”

Der 100 Jahre später abgehaltene Zweite Wiener Herzl-Kongreß im Wiener Rathaus wird sicher weniger folgenreich bleiben, auch wenn er unter anderem Bühne für den Ministerpräsident des von Herzl erfundenen Staats gewesen ist. Netanyahus Rede war rhetorisch sicher blendend, aber völlig unkonkret. Wichtiger für die Zukunft dürfte deshalb sein, was beim Herzl-Kongreß zu den Fragen „Zukunft Israels” und „Christlicher AntiJudaismus” zu hören war.

So kam die Frage zur Sprache, ob ein säkularisiertes nichtreligiöses Judentum genügend Kraft haben wird, eine staatstragende Ideologie zu bilden. Und weiter: Ob eine solche neujüdische „civil religion” nicht einen wichtigen Beitrag in den (postchristlichen) Wertekatalog einer durch einen immer brisanteren globalen Reich-Arm-Konflikt bedrohten Welt liefern könnte?

Der spezifische Reitrag des Judentums und des jüdischen Staates für die Zukunft liegt nach Meinung des Jerusalemer Politologen Yehezkel Dror nicht mehr im exemplarischen Monotheismus. Dieser spiele in weiten Teilen der israelischen Gesellschaft keine wichtige Rolle mehr. Geblieben sei jedoch der „Redarf” an den biblischen Werten, die nach Meinung Drors weiterhin ein wichtiger „Exportartikel” Israels bleiben werden -allerdings in ein „globales Gewand” verpackt.

Relativ ruhig verlief in Wien erstaunlicherweise der interreligiöse Teil der Rehandlung des christlichen AntiJudaismus. Hingegen verlief die unter'exegetisch geschulten Fachexperten abgehaltene innerchristliche Diskussion der gleichen Causa um ein Vielfaches hitziger.

Die Geister schieden sich hier an der Frage nach dem Grad der Historizität der ältesten Passionsgeschichte (Markus). Heftigster Teil der Exege-ten-Kontroverse war der Einspruch des Judaistik-Doyens Kurt Schubert gegen die „Römer-These” des evangelischen Theologen Wolfgang Stee-gemann. Es geht dabei um Steege-manns Ansicht, bereits der Evangelist Markus habe sich in der

Passionsgeschichte zu einer ahistorischen „historisierenden Theologie” lassen, habe hinreißen Markus so Steege-mann - ein Verhör Jesu vor dem Hohen Rat erfunden, um eine jüdische Mitschuld an der Kreuzigung betonen zu können. Für Schubert ist dies unhaltbar - wie auch „die ganze Exegese Steegemanns”.

Jüdischerseits wurde hingegen signalisiert, daß die Erwartungen an die Kirche weniger auf eine gesamthafte Aufarbeitung aller Wurzeln des Antisemitismus abzielen, als auf die lange erwartete Erklärung zur Schoa, wie sie Papst Johannes Paul II. bereits 1987 den Vertretern der großen jüdischen Organisationen der USA versprochen hatte. Alle Indizien deuten darauf hin, daß die Erklärung, die ursprünglich für den Holocaust-Tag 1994 erwartet wurde, jetzt zum 50-Jahr-Jubiläum des Staates Israel im Mai 1998 kommt. Vom 30. Oktober bis 2. November tagen hinter verschlossenen Türen im Vatikan Rischöfe (unter anderem Weihbischof Laun), Theologen, Historiker und Judaisten (unter anderem Professor Schubert), um einen vorbereiteten Text zu überarbeiten.

Klar ist, daß es in dieser Erklärung in erster Linie um die Rolle der deutschen katholischen Kirche 1933-45 sowie um die Rolle des Papstes und der Kurie zur gleichen Zeit geht.

Offen bleibt hingegen, wieweit sich diese Erklärung auch auf die Anfange des christlichen Antijudaismus einläßt, und wo hier der erste Sündenfall festgemacht wird. Dabei sollten durchaus Sätze fallen, in denen selbstkritisch bekannt wird, daß die Passionsgeschichte im Verlauf der Geschichte von kirchlichen Persönlichkeiten und europäischen Christen als schreckliche antijüdische Waffe mißbraucht wurde.

Was dabei die Bibelexegese betrifft, ist davon auszugehen, daß die Schubertsche Version betont werden wird. Im Klartext: Zumindest das älteste Evangelium kann nicht als antijüdisch bezeichnet werden, gibt es doch einen innerjüdischen Konflikt, mit jüdischer Terminologie und aus einem jüdischen Vorverständnis heraus, wieder.

Wie auch immer dieses heikle Gebiet behandelt wird, Tatsache ist, daß die Erklärung - knapp vor der Jahr tausendwende - starken Symbolcharakter hätte. Hat doch die jüdische Seite im Blick auf das Christentum des 20. Jahrhunderts vor allem die Symbole wahrgenommen - negative wie positive, ob Glockengeläut beim „Anschluß”, Synagogenbesuch des Papstes oder Anerkennung Israels.

Auch das im Bathaus abgehaltene Herzl-Symposion wollte im Sinne der Veranstalter primär als Symbol verstanden werden. Gedacht war, den Bildern der Auslöschung des Wiener Judentums - allzubekannten Bildern von Sadismus und Demütigung, die 1938 in Wien aufgenommen wurden und um die Welt gegangen sind - als Botschaft entgegenzustellen, daß es in Wien 1997 wieder jüdisches Geistesleben gibt. Mit den jährlichen Herzl-Symposien habe man eine gute Wiener Tradition begründet, erklärte Herzl-Symposions-„Erfinder” Helmut Zilk.

Als Treffpunkte dürften sich die Wiener Herzl-Symposien tatsächlich etabliert haben. Inhaltlich leiden sie allerdings deutlich an einer gewissen Konzeptlosigkeit.

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