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Prager Religionstauwetter?

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Vatikan treue katholische Kreise in Prag vertreten die Ansicht, daß die vor drei Jahren begonnenen und seit der Rom-Reise des Kardinals J. Beran im Februar 1965 unterbrochenen Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem tschechoslowakischen Staat demnächst wieder aufgenommen werden. Der Besuch des Kardinals von Österreich, Dr. F. König, in der Slowakei und seine mit den Bischöfen Necsey, Lazik und Pobozny geführten Unterredungen dienten unlängst der Vorbereitung des Gesprächs Vatikan-Prag, dem man einige Aussichten einräumt.

Heute und in nächster Zukunft sei die Regierung Lenart an einem

„modus vivendi“ mehr denn je seit der kommunistischen Machtergreifung (Februar 1948) interessiert. Eine Annäherung der CSSR an die europäischen Neutralen und an andere westliche Kleinstaaten, die dem Konzept des Vizeaußenministers Dr. O. Klicka entspricht, wäre durch den ersehnten Kirchenfrieden auf der diplomatischen Ebene maßgeblich gefördert. Dabei würde es sich nicht um den als stalinistisches Relikt verbliebenen Friedhofsfrieden handeln, sondern vielmehr um eine lebendigere Substanz des religiösen Lebens, die gegebenenfalls auch dazu führen könnte, daß nach Belgrad Prag die zweite Hauptstadt des „sozialistischen Lagers“

wird, wo der Heilige Stuhl diplomatisch vertreten wäre.

Tritt Plojhar ab?

Die baldige Rückkehr des Kardinal J. Beran in die CSSR — sie wurde unlängst in der westlichen Weltpresse erwähnt — erscheint zur Stunde auch dann ausgeschlossen, wenn sein Auftreten von seiten des offiziellen Prag neuerdings widerspruchslos zur Kenntnis genommen wird. Oder gar, wenn man anerkennt, daß die Haltung der CSSR- Behörden gegenüber der katholischen Kirche seit Jahresbeginn in manchen Belangen toleranter geworden ist. Dabei handelt es sich um die stillschweigend zur Kenntnis genommene Praxis, wonach sich die gläubige Öffentlichkeit dessen bewußt wurde, daß der Kirchenbesuch Jugendlicher und Studenten keine unliebsamen administrativen Folgen mehr zeitigt und daß der antireligiösen Propaganda 1966 Einhalt geboten worden ist. Gesprächen mit CSSR-Journalisten konnten wir entnehmen, daß die Prager Regierung für die katholische Kirche etwa einen Status zu schaffen gedenke, der dem in Jugoslawien gewährten nahekommt. Gleichzeitig verlautet gerüchteweise, daß das „Friedenspriestertum“ des exkommunizierten Geistlichen und amtierenden Gesundheitsministers Doktor Plojhar allmählich den offiziellen „Segen“ einbüßen werde.

Treueid auf den Staat

Bei kommenden Verhandlungen Vatikan-Prag wird zunächst di Neubesetzung der zwölf Bischofssitze des Landes erwogen. Von sechs böhmischen und mährischen beziehungsweise sechs slowakischen Diözesen sind acht unbesetzt und vier bloß provisorisch. Der bei einer künftigen Weihe zu leistende Treueid auf den Staat ist mit der Klausel versehen: „soweit es sich für einen Bischof geziemt". Bei seiner zum apostolischen Administrator der Diözese Prag mit Zustimmung des Vatikans erfolgten Bestellung hat der mährische Bischof Dr. F. Toma- sek den Treueid auf den Staat seit 1948 als erster mit der besagten Klausel abgelegt. Diese eine weitgehende Gewissensfreiheit gewährleistende Konzession der CSSR- Regierung wurde seinerzeit Kardinal Beran nicht geboten.

Als „größte Sorge“ der katholischen Kirche in der CSSR wird der Religionsunterricht in den Schulen bezeichnet. Eine Woche vor Beginn des öffentlichen Unterrichtes muß das von beiden Eltern Unterzeichnete Gesuch präsentiert werden. Hinsichtlich der administrativ-politischen Folgen derartiger Wünsche, sowohl bezüglich der Eltern als auch bezüglich der Kinder, hat sich die Befangenheit der betroffenen Kreise bei weitem nicht so verflüchtigt wie in Belangen des Gottesdienstes.

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