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Prasidentenwahl -eine Stilfrage

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Politikerreden soll man während eines Wahlkampfes milder als sonst beurteilen. Daß mit der Aufstellung zweier Präsidentschaftskandidaten der Wahlkampf — und nicht etwa die Wahlwerbung, wie die fromme Lesart am Anfang noch suggerieren wollte — im gleichen Augenblick schon begonnen hat, steht außer Zweifel. Die Führung der Sozialistischen Partei fühlt sich, zuletzt unter dem Eindruck der steiermärkischen Landtagswahlen, aber wahrscheinlich auch wegen der Olah-Krise und Fußach, momentan in die Defensive gedrängt, und was liegt ihr daher näher, als die ihr ohnehin vertraute Taktik, aus der Defensive mit einem Satz in die Offensive überzugehen.

Den jähen Sprung nach vorn vollführte der Vorsitzende der Partei mit der von ihm schon gewohnten Brisanz und Kompaktheit im Ausdruck: Zum Glück heben Zeitungen meistens nur Leute auf, die zu diesem Zweck in den Archiven angestellt sind. So ist noch eine Korrektur möglich; vielleicht wird der Wahlkampf nicht in dem von Vizekanzler Dr. Pittermann angeschlagenen Ton fortgesetzt, vielleicht wird die Volkspartei nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, vielleicht werden die kleinen Parteien nicht in den Chor ein-istimrwen, der dann wohl wahrhaftig die häßlichste Wahlkampfgeräuseh-kulisse produzieren würde, die man sich denken kann. Vielleicht. Sicher ist aber heute schon, daß ein so begonnener Wahlkampf weit unter das Ziel schießen muß; und das Ziel ist hoffentlich, der Zweiten Republik in ihrem 20. Bestandsjahr ein würdiges, aus freien Wahlen hervorgegangenes Staatsoberhaupt zu geben.

Der Vorsitzende der Sozialistischen Partei sagte anläßlich der Vorstellung des frisch nominierten Präsidentschaftskandidaten der SPÖ, daß das Volk von der SPÖ einen Kandidaten erwarte, dem es die Kraft zutraut, daß er in Knisenzeiten der Demokratie das dann notwendige Schlichteramt überparteilich ausübt. Er erinnerte gleichzeitig daran, daß die Frage der Rückkehr Otto Habs-burgs noch immer ungelöst sei: daher werde es „in hohem Maße von der Persönlichkeit des Bundespräsidenten abhängen, ob er die Kraft haben wird, die Achtung vor der republikanischen Staatsform und vor den verfassungsmäßigen Rechten des Volkes und der Volksvertretung durchzusetzen“. Anschließend erinnerte er auch daran, daß die Entscheidung über die künftige Gestaltung der Beziehungen Österreichs zur EWG in der Amtszeit des neuen Bundespräsidenten zu treffen sein werde. „Daher muß der kommende Bundespräsident“, meinte er, „ein Mann sein, der allen Völkern die Sicherheit dafür bietet, daß Österreich in seinen Beziehungen zu anderen Staaten an den Grundsätzen der immerwährenden Neutralit&t; festhält.“

Hier handelt es sich zweifellos um reichlich ungenaue Formulierungen, die verschieden gedeutet werden können — auch so, daß der Redner, wenn man seine Ausführungen wörtlich nimmt, den künftigen Bundespräsidenten überfordert und dieses oberste Organ im Staate allen anderen obersten Organen überordnet, während doch der Bundespräsident nach der Verfassung und im Sinne der darin zum Ausdruck kommenden Verteilung der Macht im Staate anderen obersten Organen — wie der Bundesregierung, dem Nationalrat, der Bundesversammlung, den höchsten Gerichtshöfen — gleichgeordnet ist.

Aber Dr. Pittermann drückte sich in derselben Rede auch noch deutlicher aus: dort, wo er dem Bundeskanzler, der, wie es die Bundesverfassung vorsieht, bis zum Amtsantritt des neuen Bundespräsidenten dessen Funktionen ausübt, die Eignung absprach, das Schldchteramt zwischen den Parteien auszuüben.Und er ging noch weiter: „Wie wird der die Funktion des Bundespräsidenten ausübende Dr. Klaus imstande sein“, fragte er, „die objektive Politik der immerwährenden Neutralität gegenüber der einseitigen Gestalt, die ihr die ÖVP, und vor allem die steirische ÖVP, gegeben hat, zu vertreten und durchzusetzen?“ Das Stärkste kam aber erst: „Der Bundespräsident ist Oberbefehlshaber des Bundesheeres. Die Ausübung dieser Funktion durch einen über den Parteien stehenden Vertreter der Republik Österreich ist ein wirkungsvoller Schutz gegen den Mißbrauch des Bundesheeres zur Begründung einer Einparteienherrschaft in Österreich ... Wird der die Funktion des Bundespräsidenten ausübende Dr. Klaus in der Garantie der demokratischen Freiheit im Bundesheer stärker sein, als der Rundesparteiobmann Dr. Klauis?“

Es wird selbst für einen geeichten Sozialisten schwer sein, für diese den Koalitionspartner diffamierenden Behauptungen des Parteivorsitzenden, der zugleich auch Vizekanzler in der Koalitionsregierung Klaus-Pittermann ist, irgendein noch so dürftiges Beweismaterial vorzulegen. Aber das mußte der prominente Redner auch selber wissen, darum stellte er nur Fragen und überließ die Antwort anderen. Trotzdem zeigen diese Fragen deutlich, worauf er hinaus wollte. Nur der Kandidat der Sozialisten kann Hüter der Demokratie, der Neutralität, der republikanischen Staatsform und der Freiheit schlechthin sein! Von einem demokratisch gesinnten Politiker möchte man freilich Heber hören, daß er zwar den Kandidaten seines Couleurs höher einschätzt, dabei aber auch dem Gegner nicht jede Qualifikation abspricht, ihn zumindest nicht diffamiert. Noch dazu einen Gegner, der im vorliegenden Fall gar nicht der richtige Gegner ist.

Bartedräson in Ehren, aber selbst in Wahlzeiten müßte man auf die Schwere der Aufgaben des künftigen Bundespräsidenten mehr Rücksicht nehmen. Es ist merkwürdig: als es darum ging, Dr. Schärf ein zweitesmal als den besseren Kandidaten dem Wählervolk zu empfehlen, gab es Propagandisten, die durchblicken lassen wollten, er wäre eine Art Monarch, zumindest ein Monarchenersatz — obwohl er selbst klar aussprach, daß er das nicht war und nicht sein wollte. Heute schreibt man über das „politische Engagement“ des Staatsoberhauptes, das allerdings seine Überparteilichkeit und Objektivität nicht beeinträchtigen soll. Wenn dais kein Spiel mit den Worten ist, dann sohiießt es auf jeden Fall Verdächtigungen, die Verteufelung des Gegners, die völlig unmotivierte (Einführung einer Bürgerkriegs-^phraseologie aus. Das „politische Engagement“ eines Präsidentschaftskandidaten kann nicht bedeuten, daß man in seinem Namen im vorhinein das hohe, verantwortungsvolle Amt des Bundespräsidenten zu diskreditieren versucht, indem man so tut, als hätte dieser keine andere Aufgabe als die Erfüllung seines Plansolls innerhalb der politischen Zielsetzungen und nach den Direktiven seiner Partei. Dieses Antasten, diese Umklammerung der verfassungsgesetzlich garantierten Unabhängigkeit des Bundespräsidenten ist unerträglich und alarmierend. Diejenigen haben recht, die meinen, daß die Zweite Republik noch auf der Suche nach ihrem eigenen Stil — nach einem zeit- und sinngemäßen Repräsentationsstil, aber auch nach einer Recht und Freiheit ausreichend garantierenden politischen Praxis — sei. Die Benützung der Bundespräsidentenwahl als „Aufhänger“ für ziemlich durchsichtige parteipolitische, ja innerparteiliche Manöver käme einer Abwertung der Demokratie gleich. Sie darf nicht stattfinden.

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