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Praxisübung in der Schule

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In den Schulen soll unsere Jugend die Praxis der Demokratie üben. Es gibt genug Angelegenheiten, wo man sie zum Mitwirken und Mitverantworten heranziehen kann. Man sollte ernstlich in affen Schulen, vor allem in den höheren Schulen Schulgemeinden schaffen. Wo sie in Wien bestehen und von den Lehrern -gut- geheißen werden, leisten sie eine wirklich gute Arbeit. Schließlich verläßt der Schüler die Schule und kommt vielleicht schon im Jahre darauf als wahlberechtigter Bürger in Frage. Ihn hierzu vorzubereiten, ist Aufgabe der Schule. Dies verlangt der § 2 des Schulorganisationsgesetzes, im zweiten Absatz, in dem es heißt:

„Die jungen Menschen soffen zu gesunden, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewußten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil und sozialem Verständnis geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und

Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken."

Es ist wohl selbstverständlich, daß die Mitverantwortung der Studenten an den Hochschulen, soweit dies möglich ist, festgelegt und geführt werden muß.

Dine große Erziehungsaufgabe fällt dem Fernsehen und dem

Rundfunk zu und natürlich der Presse.

Für alle, die auf diesem Gebiet wirken, bedeutet der große Einfluß auch große Verantwortung. Das gedruckte Wort hat noch immer eine besondere Wirkung. Es soll hier keine Beurteilung und Bewertung der Zeitungen vorgenommen werden, es ist ja -bekannt, daß die Journalisten selbst an dier Sauberkeit ihrer Zeitungen interessiert sind.

Es geht aber in dieser Fest- -n-ummer um das Wochenblatt „Die Furche“, und darum mögen einige Gedanken über „Die Furche“ und ihren Einfluß auf die Gemeinschaft niedergeschrieben werden. „Die Furche“ hat sich die Aufgabe des Zusammenführens, des Begegnens, der Toleranz, der Diskussion, der gegenseitigen Achtung als besonderes Ziel gesetzt. Wenn sie in diesen Tagen einen Festtag begeht, so ist das ein Anlaß, ihr hierzu zu gratulieren. Aber Festtage sind ja auch immer Tage der Besinnung und des Rückblickes.

Man wird das Wirken der „Furche“ am besten verstehen, wenn man sich mit ihrem Begründer, Friedrich Funder, und seinen Ab-

sichten befaßt. Funder war ein harter Gegner mit einer scharfen Klinge, reich mit Argumenten bewaffnet und immer zur Stelle. Er war ein Gegner, dem man Achtung entgegenbrachte, einer von denen, die aus der erlebten Geschichte lernten. Seine beiden umfangreichen Werke über die Zeit nach dem ersten Kriege bis zum Ende des zweiten Krieges sind heute so lesenswert wie in den Tagen, in denen sie erschienen sind. Im zweiten Band schreibt er im Hinblick auf das Jahr 1934: „Unglück und Schmerz sind große Lehrmeister“. Er bedauert den Mangel an geistigem Kontakt zwischen den Vertretern der großen Parteien, die vielfach nicht wußten, was die andere Seite vor hatte und wie sie es begründete. Er trat ein für das gegenseitige Kennenlernen, um im Urteil gerechter zu werden. Vielleicht kann man in der Politik Ernst Karl Winter als einen Vorgänger und Vertreter des Geistes, den „Die Furche“ später vertrat, bezeichnen. Winter war weniger Politiker, mehr Gelehrter und vor allem Mensch.

Funder brachte am 1. Dezember 1945 die erste Nummer der „Furche" heraus. „Dienst sollte es werden der menschlichen Begegnung, dem Echtwerden der Volksgemeinschaft und an einem der größten Anliegen der Christen: den toten Raum zu überwinden, der zwischen Kirche und den großen Massen der industriellen Arbeiterschaft sich ausbreitet.“

„Dm Furche“ hat sehr viel dazu beigetragen, daß es anders, besser, freundlicher geworden ist. Es war ein langer Weg notwendig, um zu der Stellungnahme der Sozialistischen Partei Österreichs im Wiener Programm 1958 zu kommen, das die Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen Kirche und Sozialismus vorsieht. Heute kann man sagen, daß fast Unmögliches gelungen ist: die finanzielle Wiedergutmachung an der Kirche, das Schulkonkordat und die Lösung des Lernmittelproblems in Wien. „Die Furche“ ist ein Blatt, das in sozialistischen Kreisen gewissenhaft gelesen, aber auch unter die Lupe genommen wird, ob sie den Weg Funders auch immer einhält... Im Unterbewußtsein jedes Sozialisten schlummert die Sorge, es könne im öffentlichen Leben anders werden, als es, Gott sei Dank, nach dem zweiten Weltkrieg geworden ist. Jeder weiß, daß es Kräfte des Zusammenführens geben muß und daß Gegnerschaft nicht in Haß ausarten dürfe. Die Gemeinschaft, wie Funder es betont, braucht diese Querverbindungen, wenn der Staat nicht zerreißen soll, wie es 1918 aus nationalen, 1934 aus politischen Motiven geschehen ist.

Wenn „Die Furche“ ihre Aufgabe, wie sie sie in vielen Jahren erfüllt hat, im gleichen Geist eindeutig fortführt, ist sie eine unschätzbare Kraft In der Demokratie.

Beute wird sie beglückwünscht zu dem erfolgreichen Wirken im Sinne des Ausgleiches der Gegensätze.

Das ist ein Stüde großartiger Arbeit, für die ihr das österreichische Volk Dank sagt. Diskussionen, wie sie heute stattfinden, hat es in der Zeit zwischen den beiden Kriegen nur selten gegeben, obwohl man oft das Wort hörte, daß Demokratie Diskussion sei. Man muß ein Problem zu Ende diskutieren, wenn man Zusammenkommen will. In der Ersten Republik gab es selten eine Diskussion, darum auch kein Näherkommen, aber einen wachsenden Einfluß der Fanatiker und Dogmatiker. Es gab Abgeordnete verschiedener Richtung, die einander wohl kannten, aber nicht grüßten. Natürlich ist es einfacher, zu regieren, wenn man sich um die anderen nicht kümmert, aber es ist auch gefährlicher für den Staat. Immer wieder kommen Zeiten über uns, die uns mahnen, zusammenzustehen. Wir sind ein kleiner Staat, der auf das Weltgeschehen keinen besonderen Einfluß hat. Wir liegen aber im Zentrum Europas, unsere Grenzen berühren den Osten und den Westen. Wir sehen unsere Sendung im Vermitteln. Wenn wir gute Vermittler sein wollen, so müssen wir das in unserem eigenen Hause gelernt haben und es immer wieder üben.

Der gute Geist der „Furche“ entspricht diesen Aufgaben. Möge „Die Furche“ in diesem Sinne weiterwirken, dann wird sie erfolgreich bleiben. Jede Abkehr davon wäre zu bedauern.

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