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Prestige bis aufs Messer

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Am späten Vormittag des 27. Februar 1969 erläutert Bautenminister Dr. Kotzina in einer Pressekonferenz Teilergebnisse der großangelegten Neubewertung des österreichischen Bundesstraßennetzes. Und auf die Frage eines Journalisten kündigt er dabei eine Entscheidung über die Weiterführung der Südautobahn „noch vor Ostern“ an. Einen Tag später widerlegt er in einer offiziellen Stellungnahme Behauptungen des Landeshauptmannes Kery, der zuvor in seiner Rundfunkrede von einer Benachteiligung des Burgenlandes und vom Protektionismus gegenüber anderen Gebieten des Gesamtstaates gesprochen, sich gleichzeitig aber darüber beklagt hatte, daß man in der Südautobahnfrage zu keiner Entscheidung bereit sei. Und der Bautenminister bekräftigt auch in dieser Erklärung seinen Entschluß, das Tauziehen um die Trassenführung noch vor Ostern zu beenden...

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Am späten Vormittag des 27. Februar 1969 erläutert Bautenminister Dr. Kotzina in einer Pressekonferenz Teilergebnisse der großangelegten Neubewertung des österreichischen Bundesstraßennetzes. Und auf die Frage eines Journalisten kündigt er dabei eine Entscheidung über die Weiterführung der Südautobahn „noch vor Ostern“ an. Einen Tag später widerlegt er in einer offiziellen Stellungnahme Behauptungen des Landeshauptmannes Kery, der zuvor in seiner Rundfunkrede von einer Benachteiligung des Burgenlandes und vom Protektionismus gegenüber anderen Gebieten des Gesamtstaates gesprochen, sich gleichzeitig aber darüber beklagt hatte, daß man in der Südautobahnfrage zu keiner Entscheidung bereit sei. Und der Bautenminister bekräftigt auch in dieser Erklärung seinen Entschluß, das Tauziehen um die Trassenführung noch vor Ostern zu beenden...

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Es begann zunächst mit dem taktischen Versuch, den Bautenminister zu umgehen. Landeshauptmann Kery bittet Bundeskanzler Dr. Klaus um einen Vorsprachetermin in Sachen Autobahn. Der Kanzler sagt zunächst ein solches Gespräch für den 20. März zu, hält aber die Anwesenheit des sachlich zuständigen Bautenministers für erforderlich. Dieser ist jedoch verhindert, und so kommt es am 19. März zur telegraphischen Absage des Termins. Der Kanzler stellt ein Treffen nach Ostern in Aussicht. Dr. Kotzina weiß indessen ganz genau, daß zu diesem Zeitpunkt eine Besprechung nicht mehr sinnvoll sein kann. Er erklärt sich daher bereit, eine Delegation der burgen-ländischen Landesregierung am 27. März im Parlament zu empfangen. Landeshauptmann Kery zieht es aber vor, diesem Treffen fern zu bleiben. Er schickt seinen Straßenbaureferenten Dr. Vagi, der in Begleitung von Landeshauptmannstellvertreter Polster kommt, um die Argumente des Burgenlandes noch einmal vorzutragen. Auch Innenminister Soronics ist in seiner Eigenschaft als ÖVP-Obmahn de.s Burgenlandes ßei dieser Aussprache zugegen. Die Burgenländer versuchen den Bautenminister zu bewegen, seine Entscheidung zu verschieben, obwohl Kery selbst noch wenige Tage zuvor gerade das Ausbleiben dieser Entscheidung zu beklagen wußte.

Am Abend des nächsten Tages wird der Kofferraum eines Autos im Hof des Regierungsgebäudes mit Paketen gefüllt. Sie enthalten die umfangreichsten Gutachten, die in der Geschichte des österreichischen Straßenbaues je eingeholt wurden, und sie bilden die Grundlage für die Südautobahnentscheidung des Bautenministers. Dr. Kotzina reist wenig später ab, um in Linz während eines vorösterlichen „Urlaubs“ diese Unterlagen zum letztenmal gründlich zu studieren, bevor er seine Entscheidung trifft. Am Mittwoch, dem 2. April, steht dann in den späten Abendstunden das Ausbaukonzept für Südostösterreich fest:

• Die Südautobahn wird von Wiener Neustadt über Zöbern und Pinkafeld auf kürzestem Weg nach Hartberg verlaufen.

• Zwischen Wien und dem Raum Eisenstadt/Mattersburg wird eine Schnellstraße gebaut, ebenso eine vierspurige Schnellstraßenverbindung zwischen Wiener Neustadt und Mattersburg/Eisenstadt.

• Eine weitere Schnellstraße soll Oberwart mit der Südautobahn bei Hartberg verbinden, die Eisenstädter Bundesstraße soll noch besser ausgebaut werden.

• Bei der Planung der Ostautobahn sind überdies die Verkehrsbedürfnisse des Raumes Parndorf/Neusiedl zu berücksichtigen.

• Gleichzeitig dekretierte der Bau-tenminisiter, daß die Planung der Autostraße zwischen Wiener Neustadt und Eisenstadt/Mattersburg unverzüglich einzuleiten und mit dem Bau dieses Verkehrsweges noch im Jahr 1970 zu betginnen sei.

Von der sechs Punkte umfassenden Entscheidung gelten demnach fünf Punkte dem Burgenland. Wenn der Bautenminister dennoch statt Anerkennung böse Attacken quittieren muß, so geht dies keineswegs auf sachlich fundierte Einwände, sondern auf die in Jahren zu einem riesigen Berg aufgestauten Prestigeüberlegungen einzelner bur-genländischer Mandatare zurück.

1958 beschließt das Parlament die Südautobahn von Wien über Graz, Klagenfurt nach Arnoldstein. Fixpunkte sind dabei Wiener Neustadt und Allhau, das östlich von Hartberg liegt. Damit ist der Grundstein zu einem erbitterten Gefecht auch schon gelegt, denn bei den ersten Studien kristalisierten sich drei Möglichkeiten als realisierbar heraus. Zwei führen über niederösterreichisches Gebiet (Wechseltrasse I und II), eine über das Burgenland. Und während man 1959 zwischen Wien und Wiener Neustadt mit einem sechsspurigen Ausbau der Autobahn beginnt, entbrennt zwischen Niederösterreich und dem Burgenland der Kampf um die Weiterführung der Trasse nach Hartberg. Als 1964 schließlich die Teilstrecke Wien—Wiener Neustadt für den Verkehr freigegeben wurde, ist diese heiße Frage immer noch nicht entschieden. Knapp nachdem im Sommer 1966 das Bautenministerium geschaffen* worden war, bemüht sich - BautenimäMister Dr. Kiuia diese Frage zu objektivieren. Drei unabhängige Experten werden mit vergleichenden Untersuchungen hinsichtlich der

• Höhe der Baukosten (Dr. Petrovic),

• Fahr- und Betriebskosten (Dipl.-Ing. Zieritz),

• raumplanerischen Erwägunger. (Institut für Raumplanung)

beauftragt.

Dieser Weg erscheint zunächst vielversprechend, denn das Burgenland veröffentlicht im September 1967 ein Weißbuch mit dem Titel „Die Autobahn durch das Burgenland“, in dem zwar für die Burgenlandtrasse Stimmung gemacht wird, worin es aber zur Einholung der Expertisen durch Bautenminister Dr. Kotzina heißt: „Das Burgenland begrüßt diese Entscheidung, weil es der festen Uberzeugung ist, daß die Mehrzahl der fachlichen Argumente für die Osttrasse der Südautobahn, also die Burgenlandtrasse, sprechen.“ Diese selbstbewußt vorgetragene Uberzeugung erweist sich indessen einige Monate später als eindeutig unrichtig.

Am 24. Juni 1968 können die Experten nach eineinhalb jährigen Studien die Ergebnisse ihrer Untersuchungen deix.; interessiertei Bundesländern vortragen.

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