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Priestererziehung tabu?

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FRAGE: Kardinal König hatte einmal in einem Interview mit der Zeitschrift „Analyse“ gesagt, daß die Kirche überall dort kritisiert werden soll', wo es Grund zu Kritik gibt. Die Kirche solle nicht geschont werden, sie wolle keine Ausnahmestellung, fügte der Kardinal hinzu. Würden Sie sich, Herr Prälat, auch zu dieser Auffassung bekennen, wenn sich die Kritik gegen jene Institution richtet, deren Leiter Sie sind, das Wiener Priesterseminar? ,

ANTWORT: Natürlich bin ich wie der Kardinal der Auffassung, daß man kritisieren soll, wo es Grund zum Kritisieren gibt. Und echte Kritik kann durchaus ein wertvoller und notwendiger Beitrag für eine gesunde Entwicklung in der Kirche sein. Was die Kritik am Seminar anlangt, kann ich Ihnen versichern, daß man als Regens an Kritik gewöhnt ist, weil die . Seminaristen selbst naturgemäß ihre Vorstehung einer ständigen und gewöhnlich, sehr offenen Kritik unterziehen. Daß heute auch Kritik von außen kommt, ist nicht nur zu erwarten, sondern insofern auch berechtigt, als das Seminar ja nicht meine. Privatangelegenheit ist, die die Öffentlichkeit der Kirche nichts anginge.

FRAGE: Um vom Allgemeinen ins Konkrete zu gehen, haben Sie auch die Kritik begrüßt, die das Priesterseminar kürzlich in einer Studenten-zeitschrift gefunden hat?

ANTWORT: Wenn Sie die beiden Artikel meinen, die vor kurzem im Organ des „Wahlblockes“ erschienen sind, so muß ich hier den Ausdruck „Kritik“ im oben gemeinten Sinn ablehnen. Denn Kritik hat doch ihren Sinn danin, daß sie Ausgangspunkt fÜT ein sachliches Gespräch bilden kann. Ein solches aber ist auf der Basis dieser Veröffentlichungen nicht möglich. Voraussetzung für ein Gespräch sind Sachlichkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit. Kritik muß auf der Boden von Tatsachen stehen.

FRAGE: In der erwähnten Kritik in der Studentenzeitschrift sind ja einige Tatsachen angeführt.

ANTWORT: Ja, aber die meisten dieser angeblichen Tatsachen sind Behauptungen, die in keiner Weise der Wahrheit entsprechen.

FRAGE: Was meinen Sie hier im besonderen, Herr Prälat?

ANTWORT: Wenn es etwa heißt, daß jeder Seminarist zweimal wöchentlich beichten gehen muß oder nicht den Beichtvater wechseln darf, so ist das eine absurde Unwahrheit. Ebenso, daß die nichtkirchlichen Angestellten* nicht gegrüßt werden dürfen. Daß keine Radioapparate auf den Zimmern sein dürfen, daß man nur mit Genehmigung der Vorstehung fernsehen darf (natürlich: sofern es nicht in eine Zeit fällt, die anderen Verpflichtungen vorbehalten ist), daß die Seminaristen über die Probleme der Semirtarerziehung nicht diskutieren dürfen und manches andere ist einfach unwahr. Um bei letzterem Beispiel zu bleiben: ich habe wiederholt die Seminaristen aufgefordert, selber Vorschläge für Verbesserungen in unserem Gemeinschaftsleben zu machen und viele solcher Vorschläge tatsächlich verwirklicht; wir besprechen immer wieder mit den frei gewählten Jahrgangsvertretern offene Probleme des Hauses, ja die Vorsteher setzen sich von Zeit zu Zeit mit einzelnen Jahrgängen zusammen, um ihre Fragen offen zu diskutieren. So mittelalterlich und nur auf einseitige sture Autorität aufgebaut ist das Leben in unserem Seminar tatsächlich nicht.

FRAGE: Wie ist es mit dem Ausgang, Herr Prälat. Stimmt es, daß die Seminaristen nur sehr spärlich Ausgang erhalten und daß auch dieser Ausgang sozusagen vorgeschrieben wird?

ANTWORT: Die Seminaristen haben dreimal in der Woche einen ganzen Nachmittag zum Ausgang zur Verfügung, wobei sie keineswegs zu zweit gehen müssen und in keiner Weise vorgeschrieben ist, wohin sie gehen. Allerdings steht in den Statuten die Aufforderung, die ich auf Grund ernster Erfahrungen wiederholt in Erinnerung bringe, daß sie wenigstens einen Teil dieser Ausgänge dazu benützen sollen, in die frische Luft zu kommen, was beim Leben in der Großstadt sicher gesundheitlich begründet ist. Es ist keineswegs verboten, ins Kino zu gehen, aber natürlich wird darauf hingewiesen, daß es eine wichtige Frage der eigenen, persönlichen Verantwortung jedes einzelnen ist, zu entscheiden, wie oft man sich das leisten kann und welche Filme man auswählt.

Bescheidenheit im Lebensstil

FRAGE: Eine Zwischenfrage, Herr Prälat. In den Angriffen der Studentenzeitschrift wird auch gesagt, die Seminaristen würden zu einem Mißtrauen gegenüber den technischen Möglichkeiten der Gegenwart erzogen.

ANTWORT: Das ist ein typisches Beispiel, wie in unseren Statuten gegebene Ratschläge von ihrer Motivation losgerissen und damit in ein ganz falsches Licht gestellt werden. Mit Mißtrauen gegen die Technik hat der verstümmelt zitierte Passus überhaupt nichts zu tun. Es geht dort um einen Hinweis auf eine gewisse Bescheidenheit im Lebensstil. Der Priester, erst recht der Seminarist, lebt zum Großteil vom katholischen Volk. Er darf sich keinen unnötigen Aufwand leisten und muß nicht die teuersten Geräte und den schnellsten Wagen besitzen. Ich glaube, diese Hinweise genügen, um zu zeigen, wie unsachlich und unwahrhaftig die zitierten Publikationen sind.

FRAGE: Herr Prälat, ich glaube, das berührt bereits die Frage nach dem Priesterbild. In der Kritik wird besonders hervorgehoben, daß die Priester gewissermaßen außerhalb der Welt und ohne Kenntnis der Welt erzogen werden.

ANTWORT: Hier kommen wir zweifellos zum Kern der Sache. Wer von einem falschen Priesterbild ausgeht, wird auch Sinn und Aufgabe eines Seminars nicht richtig beurteilen können. Wenn der Priesterberuf nur ein Beruf ist wie jeder andere, und wenn es zum Priesterwerden genügt, ein Diplom über die notwendige Fachausbildung vorzuweisen, dann könnte das Seminar einfach ein Studentenhotel ohne jegliche Verpflichtung sein. Das Leitbild für die Priesterausibäldunig hat uns das Konzil in dem entsprechenden Dekret klar gezeigt. Daß die wissenschaftliche Ausbildung eine sehr wesentliche Aufgabe der Priestertoildung ist, daran kann niemand zweifeln. Daß aber die Briesterbildung mehr verlangt als eine rein wissensmäßige Bewältigung der Theologie, geht sehr eindeutig aus dem Konzilsdekret hervor. Priestertumn (das algemeine, wie das Amtspriestertum) läßt sich eben doch nur aus und im Heilsmysterium Christi und Seines Priestertums begreifen und verwirklichen. Das aber verlangt nicht nur den Verstand, sondern den ganzen Menschen. Um Zeuge der Botschaft Christi sein zu können, muß man sie nicht nur gelernt, sondern im Glauben, in der Meditation, im Gebet, auch in manchem Verzicht und opferbereiter Hingabe in das eigene Leben integriert haben. Dafür muß das Seminar Möglichkeit und Hilfen und den unbedingt nötigen Raum der Konzentration schaffen. Nicht unwesentlich ist, daß das Seminar die Theologen in echte Gemeinschaft zusammenführt, die Grund legen muß für eine echte, fruchtbare Zusammenarbeit in der Seelsorge. Das macht eine gewisse, geregelte Ordnung notwendig, auch manche Einschränkung und manchen Verzicht, Ohne den freilich der Priester in seinem ganzen Leben nicht auskommen wird. Natürlich steht dazu in einer gewissen Spannung die unerläßliche Weltoffenheit und Weltverbundenheit, ohne die der Priester seine Sendung nicht erfüllen kann. Es kann keine Rede davon sein, daß das Seminar den Kandidaten den lebendigen Kontakt mit der Welt verwehrt. Schließlich haben sie ja schon einen sehr beträchtlichen Teil des Jahres Ferien, die sie nicht im Haus verbringen, und auch während der Seminarzeit selbst sehr viele Möglichkeiten zu Kontakten mit der Welt ihrer künftigen Tätigkeit. Auf der anderen Seite bleibt die unabdingbare Aufgabe, wenigstens den absolut notwendigen Raum zur Entfaltung des Berufes zu sichern. Diese Spannung läßt sich nicht aus der Welt schaffen. Aber sie fordert sicher auch von den Vorstehern Viel persönlichen Kontakt mit den einzelnen und verständnisvolles Eingehen auf ihre persönlichen Probleme.

FRAGE: Herr Prälat, Sie haben an einigen Beispielen gezeigt, daß manche in der Kritik angeführte Fälle nicht der Wirklichkeit entsprechen, und Sie haben das Büd des Priesters gezeichnet, der im Seminar eine Erziehung als Theologe, als Mensch und als Priester erhalten soll. Sind Sie der Meinung, daß also alles in bester Ordnung sei?

ANTWORT: Gewiß nicht. Die Seminarerzdehung hat ihre echten Probleme, die bestimm* nicht alle befriedigend gelöst sind. In den Jahren, die ich nun das Seminar leite, hat sich schon vieles geändert und es wird sich noch manches ändern. In vielen Dingen suchen wir neue Lösungen. So haben wir im heurigen Studienjahr erstmalig für den letzten Jahrgang das „Diako-natsjähr“ versucht, um eine bessere pastoraie Ausbildung zu erreichen. Bei der großen Spannweite der Aufgäben werden sich freilich nie alle Probleme auf Null reduaieren lassen. Nur wird man sicher nicht zum Ziele kommen, wenn man von falschen Voraussetzungen ausgeht. Daß eine sachliche Diskussion notwendig ist und zur Klärung helfen kann, steht außer Zweifel, aber bezüglich der Priesterausbiidurig ist sie ja heute ohnehin vor allem unter den betroffenen Stellen in vollem Gang.

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