6543991-1947_04_10.jpg
Digital In Arbeit

Probleme um den Hafen Wien

Werbung
Werbung
Werbung

Die Ausgestaltung der Binnenhäfen beschäftigt im allgemeinen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Techniker. Abgesehen von planmäßigen Verbesserungen einiger Seehäfen, denen besondere strategische Bedeutung zukam, hat xman den Handelshäfen erst dann ein größeres Augenmerk zugewendet als im Gefolge der gewerblichen und industriellen Hochleistungen die Massengütererzeugung den Massengütertransport bedingte.

Die Donau trat anfangs des 19. Jahrhunderts in das völkerrechtliche Blickfeld der großen Welt, als auf dem Pariser Kongreß im Jahre 1814 und dem Wiener Kongreß 1815 der Begriff des internationalen Stromes geprägt wurde. Nach Beendigung des Krimkrieges wurde im Pariser Friedensvertrag vom Jahre 1856 die europäische Donaukommission geschaffen, in der Österreich, Frankreich, Großbritannien, Preußen, Rußland, Sardinien und die Türkei vertreten sein sollten. Man kann heute in rückschauender Betrachtung feststellen, daß die europäische Donaukommission die ihr übertragenen Aufgaben in vorbildlicher Weise erfüllt hat. Von dieser Körperschaft gingen die gewaltigen Planungen aus, welche zu den grundlegenden Donauregulierungen im Mündungsgebiet der Donau geführt haben: unter anderem wurde durch das Durchschneiden von 27 Flußkrümmungen der Fahrweg um 22 Kilometer verkürzt, es wurden Leuchttürme in Sulina und Sankt Georg gebaut und der Sulinaarm mit einer Tiefe von über 7 Meter ausgestattet und durch ununterbrochene Baggerungen auch in diesem Ausmaß erhalten.

Unabhängig von den durch die europäische Donaukommission vorgenommenen Regulierungsarbeiten an der unteren Donau, führte Österreich von 1869 bis 1875 eine großzügige Donauregulierung durch, und zwar stromaufwärts und -abwärts von Wien, die einer weiteren

Verwilderung des Stromlaufes begegnete und bei Hochwasser einen raschen Ablauf sicherte. Durch den Bau von Dämmen wurden Wien und das Marchfeld vor Naturkatastrophen geschützt Durch erfolgreiche Arbeiten erreichte man eine größere Stromtiefe, so daß wenigstens vollbeladene 650-Tonnen-Schiffe ungefährdet passieren können. Zum Verständnis ist festzuhalten, daß der Hauptarm der Donau ehemals ungefähr in der Richtung des jetzigen Donaukanals geflossen ist. Im Laufe der Jahrhunderte erfolgte eine Richtungsänderung mehr gegen Osten, der Ebene des March-feldes zu. Dementsprechend vernachlässigte man den Hauptstrom und pflegte den später als Donaukanal bezeichneten Nebenarm. Nach den großen Überschwemmungen, 1830 und 1862, wodurch die ganze Leopoldstadt, Teile des Stadtkerns und der niedriger gelegenen Vorstädte vollkommen überflutet wurden, entschloß man sich, an jene durchgreifende Regulierung zu denken, die 1875 im Wiener Durchstich verwirklicht wurde. Erst mit dieser großzügigen Tiefbauarbeit wurden für Sdiiffahrt und Handel-entsprechende Umschlagländen errichtet und die Möglichkeit geschaffen, moderne Hafenanlagen zu bauen.

Der Hafen Wien rückte in ein besonderes wirtschaftspolitisches Interesse mit dem Auftauchen der verschiedenen Projekte des Donau-Oder-Kanals. Von Seiten der Anglo-östcrreichischen Bank wurde 1871 ein Entwurf vorgelegt mit einer Einmündung gegenüber von Kaiserebersdorf und nach verschiedenen Projektierungen entschloß sich das Stadtbauamt Wien mit einem eigenen Plan hervorzutreten, wonach ein System von vier Hafenzungen ungefähr auf der Höhe von Aspern gebaut werden sollte. Bemerkenswert ist ferner das Projekt der Wasserstraßendirektion Wien mit der Einmündung bei Kilometer 1916,4 und der Bildung von drei Hafenzungen zwisdien Pysdori und Groß-Enzersdorf

einerseits und zweier Hafenzungen in der Lobau, von denen eine vor einigen Jahren tatsächlich Verwirklichung gefunden hat.

Es ist allerdings wahrscheinlich, daß die Einmündung des künftigen Donau-Oder-Kanals in die Donau vom Hafen Pr.eß-b u r g in Anspruch genommen werden wird, doch muß Wien bei dieser Gelegenheit einen entsprechenden Stichkanal erhalten, da die gewaltigen, bereits bestehenden Anlagen um den Hafen Wien eine derartige Maßnahme jedenfalls rechtfertigen. Man darf nicht vergessen, daß der Hafen Wien außerordentlich viel zu bieten hat mit seinem umfangreichen Hafengelände, seinen Krähnen, die in einer solchen Anzahl wie bei keinem anderen Donauhafen zur Verfügung stehen, seinen umfangreichen Pumpenanlagen und Tankmöglichkeiten, den Lager- und Kühlhäusern der Gemeinde Wien, von denen eines, das Kühlhaus Sankt Marx, in ganz moderner Ausstattung und mit einer Kühlfläche von 9836,5 Quadratmeter errichtet ist.

Dazu kommt noch, daß Wien seit Jahrzehnten der Sitz der größten Binnenschiffahrtsgcsellschaft der Welt, nämlich der Donau-Dampfschiffahrtsgesellschaft, ist, die im Jahre 1914 139 Dampfschiffe (49 Personendampfer und 90 Schleppdampfer), ein Motorschiff und 858 eiserne Warenboote mit einem Tragvermögen von 476.692 Tonnen zählte. Im Schöße einer so gewaltigen Körperschaft haben sich Konstruktionsideen und Erfahrungen aller Art angesammelt, die zweifellos noch von zukunftsweiter Bedcu-~ tung sein werden. Mit Rücksicht auf die geringe Fahrrinnentiefe auf der Strecke von Wien bis Gönyö (zirka 110 Kilometer stromabwärts von Wien) — nach der vorliegenden Statistik gab es im Jahre 1939 59 Schiffahrtstage mit einer Furttiefe unter 2,1 Meter — muß die konstruktive Möglichkeit erwogen werden, eine bestimmte Art von seetüchtigen Warenbooten zu bauen, mit denen der Transport ohne Umladung über die Donaumündung hinaus nach Konstantinopel und dea M i 11 e 1 m e e r h ä f e n geleitet werden kann.

Wir haben heute im Verbände des Hafens Wien drei Winterliegeplätze: Freu-denau, Lobau und Albern. Die nächste Aufgabe wird es sein, in Albern, wo einstweilen von den ursprünglich geplanten drei Hafenzungen nur die südliche ausgebaut ist, zumindest noch die zweite zu schaffen und sobald als möglich dem Verkehr zu übergeben.

Von besonderer Wichtigkeit aber wird es sein, großzügige städtebauliche Gedanken mit den tiefbautechnischen Notwendigkeiten zu verbinden. Es muß hier in Erinnerung gebracht werden, daß von Seiten des ehemaligen Stadtbaudirektors Ing. Dr. H. Goldemund eine interessante Studie über die Ausgestaltung der Donauregulierung bei Wien und die Idee eines neuen Donaustadtteiles am linken Ufer vorliegt. Goldemund knüpft an den Gedanken eines Kanals im Inundationsgebiet an und versucht die Lösung durch einen Seitenkanal, der unmittelbar neben dem jetzigen Stromgebiet verläuft und von diesem durch einen Dammkörper getrennt ist. Ein Absperrwerk mit drei Staustufen ist vorgesehen. Dieses Kanalprojekt hat den Vorteil, daß der größte Teii des heutigen Hoch Wasserbettes als Verbauungsterrain, tei'weise aber auch für die Schaffung von Umschlagplätzen am linken Ufer Verwendung finden kann.

Mit dieser Idee sei ein weiterer Gedanke verbunden. Sowohl auf dem rechten wie auf dem linken Donauufer soll eine Donausiedlung entstehen, deren Einrichtungen dem internationalen Handel zu dienen haben.

Unsere Stadt genießt gegenwärtig die besondere Auszeichnung, wieder einmal die Aufmerksamkeit der großen Welt zu erregen. Durch die Schaffung einer nach zwischenstaatlichen Grundsätzen ausgerichteten internationalen Handelsenklave an beiden Ufern der Do - au wird Gelegenheit gegeben sein, dieses iir wesentlichen militärgeographische Interesse der großen Welt in die zweifellos sympathischere Sphäre friedlicher wirtschaftspolitischer Betreuung abzuleiten.

Ich will nicht unerwähnt lassen, daß sich vor einigen Wochen eine Vereinigung mit dem Namen „Donaustadt' gegründet hat,' deren Mitglieder sich die Verwirklichung der Probleme um den Hafen Wien zum Ziel gesetzt haben.

Das Büro Ist mit dem Begriff des Staates fast Identisch geworden. Tatsächlich ist das Büro in Jeder Organisation ein notwendiges — beinahe hätte ich gesagt — Übel. Ordnung muß sein. Ohne Ordnung kein Leben, kein Schaffen, sondern Chaos. Der papierene Akt muB sein, er muB auch aufgehoben, ausgehoben und registriert werden, denn der Mensch kann sich nicht alles merken. Denn wo der papierne Akt ein Ding an sich, ein selbständiges Wesen, ein eigenges atzliches, eigenwilliges, mit eigenen Geschicken und Tücken wird, da hört der schöpferische Akt auf. Das Leben erstirbt im Papier und am Papier. Ich halte es für eine der Tordringlichsten Pflichten des Beamten, das Leben von Zeit zu Zeit aus dem Papier, in dem es zu ersticken droht, herauszuziehen und jedenfalls, sofern es des Lebens wert Ist, zu verhindern, daß es darin endgültig begraben werde.

Hans von Hammerstein: .Das Prinzip des SchSpierlschen in det Gemeinschaft'

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung