6633706-1957_02_02.jpg
Digital In Arbeit

PROSIT

Werbung
Werbung
Werbung

Der israelische Staatspräsident Ben Zwi hat den Einfall gehabt, zehn befreundeten Staatsoberhäuptern als Neujahrsgeschenk die in der Zeitung „Maariv“ erschienene Satire des politischen Schriftstellers Ephraim Kischon „Wie Israel die Sympathien der Welt verlor" in Uebersetzung zuzusenden. Die Novelle stellt eine ironische literarische Verteidigung des Vorgehens Israels gegen Aegypten dar: sie schildert utopisch, was geschehen wäre, wenn

Israel nicht im Gaza-Streifen und auf der Sinai-Halbinsel einmarschiert wäre — sie gibt eine Darstellung des angenommenen ägyptisch- syrisch-jordanischen Massenangriffs auf Israel im Mai 1957. Es heißt in der Satire u. a.:

„Die Anfangserfolge der Angreifer veranlaßten Saudi-Arabien und Irak und zum Schluß auch Libanon, sich der militärischen Aktion gegen Israel anzuschließen. Die israelische Regierung wandte sich unverzüglich an die UNO. Der Generalsekretär der UNO schickte sofort zwei persönliche Abgesandte nach dem Nahen Osten, aber die ägyptischen Behörden verweigerten ihnen die Einreise. So blieben die beiden in Kopenhagen und verfolgten von dort aus die Ereignisse. Inzwischen hatten die Araber die Vororte der großen Städte Israels erreicht und bombardierten sie mit Geschützen. Der Sicherheitsrat versammelte sich zu einer außerordentlichen Sitzung, Rußland legte Veto ein. Die USA riefen die Vollversammlung zu einer Notstandssitzung — und der Antrag auf Einstellung des Feuers ging mit großer Mehrheit durch. Jedoch rief die endgültige Formulierung des Beschlusses eine stürmische und langwierige Debatte hervor. Der ursprüngliche Antrag forderte .sofortige' Feuereinstellung: hingegen sprach der indonesische Gegenantrag nur von einer .baldmöglichen' Feuereinstellung. Nach vier Sitzungen kam ein Krompromiß zustande und der Wortlaut .Feuereinstellung so schnell wie möglich' wurde mit Stimmenmehrheit angenommen. Inzwischen kämpfte man bereits innerhalb der Städte. Amerika drohte beiden Teilen mit Sanktionen,. falls sie nicht innerhalb von fünf Tagen das Feuer einstellen, und Nehru schickte eine persönliche Note an Nasser, gegen die israelische Bevölkerung eine versöhnliche Haltung einzunehmen.“

Die utopische Darstellung der Vorgänge bringt eine Zerstörung Tel Avivs und Haifas — die UNO betreut schließlich ein Lager, in das die am Leben gebliebenen 80.000 Juden gebracht werden. Ephraim Kischon stellt einen Nekrolog der Moskauer „Prawda“ dar:

„Israel war ein reaktionäres und feudales Gebilde, das sich wegen seines militärisch-diktatorischen Regimes nicht entwickeln konnte. Israel allein trägt die Schuld an seinem Unglück. Dieses kleine künstliche Staatsgebilde wurde in ein gewaltiges Waffenlager der Westmächte umgewandelt, und die bis an die Zähne bewaffneten Juden drangsalierten durch fortwährende Waffenhandlungen ihre friedliebenden arabischen Naeh-

Die Reaktion auf Israels Untergang im Westen stellt die Satire wie folgt dar:

„Churchill nannte die Beseitigung der demokratischen Feste im Mittleren Osten eine .Schande des Jahrhunderts', und sogar Anthony Eden, der bis nun sich der größten Zurückhaltung beflissen hatte, erklärte, daß gerade im Augenblick, wo die UNO zur größten Einigkeit verpflichtet gewesen wäre, jene dramatischen Ereignisse sich entwickelt hätten. Der Führer der britischen Labour-Party betrauerte den Untergang Israels in bewegten Worten: .Unsere Freunde', rief er, .waren tapfere Sozialisten. Ihr Andenken wird uns immer teuer sein...' .Alle unsere Sympathien', sagte Präsident Eisenhower, .gelten dem tapferen Israel. Eingedenk der traditionellen Freundschaft zwischen den beiden Völkern werde ich der Regierung einen Gesetzesvorschlag unterbreiten, der außerhalb des Rahmens der normalen Quote fällt und laut welchem zusätzlichen 25.000 israelischen Flüchtlingen die Einreise nach den Vereinigten Staaten gestattet werden soll.' Guatemala erhöhte die Entwände- rungsquote für israelische Flüchtlinge von 500 auf 750... Der Weltverband der Schriftsteller rügte in einer feierlichen Sitzung das barbarische Vorgehen der arabischen Völker... Die Abgeordneten des brasilianischen Parlamentes erhoben sich im Gedenken der gerechten Sache von Israel auf eine Minute von ihren Sitzen ... Der Unterstaatssekretär für den Mittel-Osten im US-State Department hielt auf der Konferenz der jüdischen Verbände Amerikas eine Ansprache und gab mit Kenntnis Präsident Eisenhowers die feierliche Zusage, daß die Regierung der Vereinigten Staaten von nun an in einem verstärkten Maße sich den Problemen der kleinen Völker widmen und ihren ganzen Einfluß in die Waagschale werfen werde, um Verwicklungen der erwähnten Art für die Zukunft zu verhindern. Dessenungeachtet konnte der Sprecher des State Department die Bemerkung nicht unterdrücken, daß bis zu einem gewissen Grade auch Israel am Ablauf der Ereignisse Schuld habe, da es sich nicht bemüht habe, der arabischen Gefahr rechtzeitig zu begegnen ...“

Hier überschlägt sich die Ironie, mit der die unzulänglichen Institutionen unserer Epoche und die laue Reaktion der demokratischen Welt auf das Unrecht der Diktatoren angeprangert werden, und wird zur Kritik an der Menschennatur, die es liebt, eigenes Versagen durch Hinweis auf angebliches Verschulden des andern übersehen zu lassen.

„Dies hat sich natürlich nicht zugetragen'', schließt die Satire: „Das kleine Israel wartete nicht bis zum Mai 1957. Vielmehr zerschlug es unberechenbarerweise die militärische Kraft Aegyptens — und ließ sich auf diese Weise die

Gelegenheit entgehen, die Sympathien der Welt zu erobern. Wirklich schade! Es war eine große Chance!"

Die schneidende Pointe des Autors und die ironische Geste des israelischen Präsidenten Ben Zwi, die Novelle als Neujahrsgabe zu versenden, sind, wie immer man zum tragischen Kampf der Waffen stehen mag, eine scharfe Parade mit einem geistigen Florett wider die Menschliche Unvollkommenheit und die politische Pleite der Welt.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung