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QUERSCHNITTE

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Maecenas

Am Anfang war eine Horaz-Ode: der Dank des Künstlers an den Freund und Förderer seines Schaffens. Zwei Jahrtausende lang hat dieser Maecenas allen jenen Hochgesinnten den Namen gegeben, denen Gönnerschaft nicht eine eitle Selbstbespiegelung, sondern eine mit Geburt und Rang mitgegebene Verpflichtung an die Menschheit gewesen ist. Den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen zweier Weltkriege des 20. Jahrhunderts ist es vorbehalten geblieben, das Geschlecht der Mäzene zu dezimieren — nicht auszurotten! Denn mit zunehmender Konsolidierung von Arbeit und Wirtschaft dringt in unsere Tage immer öfter die Kunde davon, daß an den Spitzen der modernen Industrieunternehmungen die alte Tradition privater Schutzherrschaft wieder auflebt, die jahrhundertelang von geistlichen und weltlichen Fürsten zum Segen von Kunst und Wissenschaft ausgeübt worden ist.

Auf diesem Entwicklungswege wurde dieser Tage eine bedeutende Tat gesetzt. Bei der Oesterreichischen Akademie der Wissenschaften wurde anläßlich des 60. Geburtstages des österreichischen Wirtschaftsführers Dr. Franz Josef Mayer-Gunthof durch die Aktiengesellschaft der Vöslauer Kammgarnfabrik eine Stiftung unter dem Namen „Dr.-Franz-Josef- Mayer-Gunthof-Fonds“ zur Förderung der Wissenschaft mit einem Betrage von 250.000 Schilling errichtet und der Akademie zur Förderung wissenschaftlicher Unternehmungen übergeben. An den Namen des Jubilars, der der Oeffentlichkeit schon lange vorher durch beispielgebende Betriebs- und Menschenführung, besonders aber durch neuartige und großzügigste Förderung von Kunst und Wissenschaft bekanntgeworden ist, knüpft somit die erste Nachkriegsstiftung der Akademie der Wissenschaften an, beendet eine Zeit der Not urj eröffnet weithin sichtbar eine neue Epoche gesellschaftlicher Verantwortung. Man könnte sich keine schönere und sinnvollere Verwendung der neuen Stiftung vorstellen, als sie im Hinblick auf diesen Wendepunkt der Entwicklung vornehmlich der Erforschung und Fortführung österreichischer Geschichte, österreichischen Schicksals und österreichischer Sendung für Welt und Heimat dienstbar zu machen, in deren Rahmen auch dem neuen Verdienstadel eine Fülle ehrenvoller neuartiger Aufgaben erwächst.

. um wahr zu sein!“

Der Druckfehlerteufel treibt es manchmal wirklich arg: Erschien da vor kurzem in einer großen österreichischen Tageszeitung ein längerer Artikel im Innern des Blattes unter dem Titel „Moskau lehnt Oesterreichnote ab“. Was aber stand auf der ersten Seite des Blattes im Inhaltsverzeichnis, das die Leser verlocken sollte, das Blatt zu kaufen? „M o s k a u lehnt Sowjet note ab.“ Der Leser, dessen Blick natürlich auf die erste Seite fiel, suchte entzückt den Artikel und fand dann enttäuscht den wirklichen Titel. „Es wär zu schön gewesen…“

Unter dem Doppeladler

Bei der Lektüre einer großen Schweizer Zeitung, die heute als das führende dXitsch geschriebene Weltblatt gilt: instruktive politische Artikel, Korrespondentenmeldungen aus aller Welt, fein?iselierte Feuilletons, ein umfassender Wirtschaftsteil und dann Annon cen, Annoncen, Annoncen… Der österreichische Zeitungsleser will schon das Journal aus der Hand legen, da bleibt sein Blick auf einem Inserat hängen:

Wahrhaftig, das ist doch …

… ja, es ist der österreichische Doppeladler, der hier für das Erzeugnis einer Schweizer Tabakfabrik werben muß.

Die Eidgenossen sind als gute Republikaner bekannt. Sie haben sogar mit dem Herrschergeschlecht, dessen Ahnherr ein Schweizer Graf war, manchen harten Strauß ausgefochten. Sie scheuen jedoch nicht davor zurück, den doppelköpfigen Adler — sogar in seiner „monarchischen“ Ausgabe mit Krone, Reichsapfel, Zepter und Schwert — als ein Zeichen zu beschwören, wenn es besondere Qualität zu dokumentieren gilt.

Sollen wir Oesterreicher gegen den Mißbrauch jenes Wappens, das durch Jahrhunderte unseren Staat im Konzert der Weltmächte symbolisierte, durch eine private Firma laut Protest erheben? Nein, wir müssen schweigen. So lange zumindestens, als man sich hierzulande nicht aufrafft, das historische österreichische Wappentier — eben den Doppeladler wenn auch „republikanisch“ ohne die kaiserlichen Insignien — statt einer willkürlichen unheraldischen Schöpfung in seine Rechte wieder einzusetzen.

„Doktor“ oder nur „Magister“?

Wenn der alte Faust in der Studierstube verzweifelt sagt: „Heiße Magister, heiße Doktor gar", so erhellt daraus, daß hier zweierlei Titel vorliegen und der erste dem zweiten untergeordnet ist.’ Der Magister ist in der Heimat des Doktor Faustus seither aus der Mode gekommen. Dafür gab es, besonders seit dem ersten Weltkrieg, im deutschen Sprachgebiet eine wahre Doktor-Inflation, und der Titel wurde zwangsläufig, wenn nicht diskreditiert, so doch im Wert ein wenig herabgesetzt. Besonders im Urteil jener Länder, wo der Doktorgrad eine hohe, schwer zu erringende wissenschaftlicl.e Auszeichnung bedeutete, wie z. B. in Frankreich, England und den USA.

In den angelsächsischen Ländern entspricht unserem Doktortitel etwa der Magister artium liberalium Master of arts. Diesen Titel nun möchte die westdeutsche Rektorenkonferenz wieder einführen, um den Rangunterschied zu betonen. Eine absolute Bewertung der wissenschaftlichen Leistungen — schreibt hierzu die „Badische Zeitung“ — werde man wohl nie erreichen können, weil die Wissenschaften zu verschieden sind und das moderne Spezialistentum die Ausbildung einer universellen Persönlichkeit, also eines wirklichen Doktors, sehr erschwert. Aber der Gerechtigkeit käme man durch die Unterscheidung zwischen Magister und Doktor doch wohl einen Schritt näher.

Das leuchtet im Hinblick auf das Prestige des deutschen Doktortitels im Ausland sicher ein. Wieviel freilich damit gewonnen wäre, daß die Deutschen nach dieser Reform anstatt ein Volk der Doktoren nunmehr eines der Magister würden, bleibt zu überlegen.

Das Hirn und das Herz

Mit den Elektronenrechnern hat man sich im Atomzeitalter schon vertragen. Das macht den Erfindern Mut. Wie man hört, soll es 1964 so weit sein, daß das Uebersetzen von Dichtungen eine Sache von Robotern ist, die ein „besonderes Gehirn“ besitzen. Es trägt mehrere Wörterbücher sozusagen in sich, und während der Wortschatz des Durchschnittsengländers etwa 2000 Worte umfaßt, wird Mr. Roboter deren 8000 besitzen. So will es Prof. Andrew Booth vom Birkbeck College. Zwar wird zugegeben, daß die Arbeit der Maschine kompliziert ist, aber hinzugefügt, daß sie keineswegs langsamer vonstatten gehe als die eines gewiegten Uebersetzers. Sie wird also einen Wettbewerb gestatten: ob man mit „Rameaus Neffe“ von Diderot, wie Goethe anno 1805, auch bloß vier Wochen zum Uebertragen aus dem Urtext brauchen werde oder gar weniger. Was ist dereinst Hölderlins „Sophokles"-Uebersetzung, was die unabsehbare Reihe unserer Landsleute, die sich mit Shakespeare abgaben und abgeben denn eben erscheint wieder eine neue Ueber- setzung von Flatter: Männer, die ihren Lebenszweck darin sahen, das geistige Gut fremder Sprache den Menschen in der Heimat zu vermitteln; eine Brücke, nicht aus Stahl, sondern aus Geist und Empfindung zu bauen. Wir zweifeln gar nicht: ein Milton dessen „Paradise lost" der Mehrzahl seiner Landsleute unbekannt war, indes die Deutschen das „Verlorene Paradies" lasen wird, ins Deutsche und Hofmannsthals „Terzinen über die Vergänglichkeit" ins Englische robotisiert und elektronisiert, eine fehlerlose Arbeit sein — und Uebersetzerhonorare ersparen. Gerade weil davon nicht die Rede ist, sollte man darüber reden. Indes: die Männer, die jahrelang, Tag und so manche Nacht sich in fremde Vorstellungswelten versenken, sind keine Maschinenstürmer. Das wissen die Erfinder. Was sie aber nicht berücksichtigen und was ihre Erzeugnisse niemals vermögen werden, das ist, das Herz eines Volkes schlagen hören, mitschwingen im Klang fremder Worte, Glied zu sein einer großen Gemeinde, welche die ganze Welt umfaßt, indes in einem Zimmer die Feder schreibt oder die Taste klappert. Einer Gemeinde, welche die Uhren des Geistes schlagen hört, mitrückt wie die Zeiger der Geschichte.

Das wird kein Elektronengehirn vermögen.

Es wird eine perfekte diplomatische Note in der Krise des Jahres 1964 in vierzig Sprachen zugleich übersetzen.

Und alle Vierzig werden sie anders auslegen.

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