6632780-1956_47_13.jpg
Digital In Arbeit

RANDBEMERKUNGEN

Werbung
Werbung
Werbung

BILLIGER BAUENI Wie das Institut für Wirtschaftsforschung festgestellt hat, sind die Baukosten in Oesterreich, verglichen mit jenen der Bundesrepublik, unverhältnismäßig hoch. Obwohl etwa die Rohmaterialien, insbesondere das Bauholz, in Oesterreich erheblich billiger sind als in Westdeutschland. Interessant ist nun beim Kostenvergleich, dafj die Gemeinde Wien billiger baut als die beiden öffentlichen Fonds (Wohnhauswiederaufbaufonds und Wohn- und Siedlurtgsfonds). Woher kommt das? Die Frage ist berechtigt, weil die ausgewiesenen Unterschiede sehr bedeutend sind. Zugegeben: die Gemeinde Wien ist in der Lage, in einem grofjen Umfang Rohmaterial einzukaufen und auf diese Weise in den Genufj von Rabatten zu kommen. Sicher ist, dafj die Unternehmer bei den Gemeindebauten sehr knapp kalkulieren müssen. Was doch nicht etwa heifjen soll, dafj sie sich etwa bei den Eigentumswohnungen das hereinholen, was sie bei der Gemeinde Wien verlieren...? Liegt es an den Bauarbeitern? Tragen Sie einen Ziegel, wenn sie bei der Errichtung eines Gemeindebaues beschäftigt sind, schneller, und ist ihr persönlicher Einsatz, im Bewußtsein, für den „sozialen Wohnungsbau“ tätig zu sein, ein anderer? Das ist kaum anzunehmen. Ist es die Organisafion, die Ausstattung mit. Maschinen, die den Unterschied ausmacht? Auch das ist unwahrscheinlich! Wir vermuten andere Gründe. Unter anderem: die zentrale Lenkung der Bauvorhaben bei der Gemeinde Wien. Die Tatsache, dah es bei Gemeindebauten so etwas wie keinen General-unfernehmerzuschlag gibt, also den Tatbestand, dafj ein Elekfrikermeisfer seine in einem Eigen-tumswohnungsbau geleisteten Arbeiten nicht dem Wohnungseigenfümer selbst fakturieren darf, sondern zuerst dem Baumeister, der dann (unter Zahlung von USt.) an den Wohnungseigenfümer weiferfakturiert und dabei selbstverständlich einen nichf kleinen Zuschlag macht und dann neuerlich USt. zahlt. — Nicht unwesentlich sind die vielen Provisionen, die von Bauunternehmern und den Professionislen in natura und in Form von Geld gegeben werden müssen. Erst unlängst erfuhr man in einem anderen Zusammenhang (Durchstechungen bei der Autobahn), in welchem Umfang öffentliches Eigentum (und das sind in einem gewissen Umfang auch die Kredite der Fonds) vertan wird und wie sehr die Wohnungseigentümer und die anderen Bauherren überhalten werden. Tausende wissen davon. Aber nichts oder fast nichts geschieht. Und doch wäre ein Durchgreifen nicht einmal so schwer; nicht seifen würden oberflächliche Ueberprüfungen der Auf-wandirechnungen genügen. Das aber könnte erheblich, dazu beitragen, unser Bauvolumen zu vergrößern.

ZWISCHEN WIEN UND PRAG wurde erneut um die Entschädigung für Vermögensverluste österreichischer Staatsbürger gerungen. Die tsche hischen Regierungsvertreter machten die Entschädigung yon der , Feststellung des Stichtages der Staatsbürgerschaff abhängig, auf der österreichischen Seite des Verhandlungstisches aber beharrte man darauf, keinen Unterschied zwischen der Zeit vor dem 12. März und darnach zu machen.'Nun Ist nach internationaler Rechts-auffassung die Sammeleinbürgerung nach dem 12. März null und nichtig, selbst die Tschechen erkannten diese Staatsbürgerschaft nicht an. Die in Oesterreich eingebürgerten, ehemals tschechoslowakischen Staatsangehörigen deutscher Sprache hatten bis zum Datum ihrer jetzigen Einbürgerung in Oesterreich die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft nicht verloren. Sie hatten Arvspruch auf den Schutz des tschechoslowakischen Minderheitenschutzvertrages, der zur Zeit der Beschlagnahme der Vermögenswerte noch gültig und ein Bestandteil der Verfassung unseres Nachbarn war. Die ausgesprochene Beschlagnahme war nach Artikel 1 dieses Vertrages unwirksam, weil sie blofj auf Grund der Volkszugehörigkeit erfolgte. Die einstigen tschechoslowakischen Bürger sind demnach mit allen Vermögenswerfen bei uns eingebürgert worden. Bei den Wiener Besprechungen handelt es sich wirklich um keinen Pappenstiel: unsere Ansprüche betragen 4,67 Milliarden Schilling! Durch die Hartnäckigkeit unseres Verhandlungspartners ist eine ernste Lage eingetreten. Wenn die Vernunft nicht im letzten Augenblick siegt, wird Oesterreich nichts anderes übrigbleiben, als gemäß Artikel 35 des Sfaatsvertrages ein Schiedsgericht anzurufen, das sich aus den beiden Verhandlungsfeil-nehmern und einer unbeteiligten Macht zusammensetzt und mit Stimmenmehrheit zu entscheiden hat, wie der Artikel 27 des Staatsvertrages auszulegen ist, der besagt, daß unser Nachbar als „assoziierte Macht“ verhalten ist, „österreichische Vermögenschaften, Interessen und Rechte zurückzustellen, oder, soweit sie einer Liquidierungs-, Verwandlungs- oder sonstigen Verwertungsmaßrvahme unterzogen wurden, den Erlös daraus auszufolgen“. Eine baldige und endgültige Klärung einer so lange verschleppten Angelegenheit läge durchaus im Sinne der von der Tschechoslowakei immer wieder gewünschten Intensivierung unserer Beziehungen. Mehr noch: sie schüfen erst die Voraussetzung dazu.

DAS GANZE DEUTSCHLAND SOLLTE ES SEIN ... Die 43.. Folge des Jahrgangs 1956 der „Deutschen Kommentare“ erschien als Jubiläums- und Erinnerungsnummer. Im Leitartikel teilt der Chefredakteur, Dr. Karl Silex, seinen Lesern mit, daß er genötigt sei, sich für immer von ihnen zu verabschieden. Leserschwund und damit verbundene finanzielle Schwierigkeiten sowie die Berufung des bisherigen Leiters als Chefredakteur des „Tagesspiegels“ nach Berlin haben zu diesem Endpunkt geführt. — Diese Wochenzeitung mit dem programmatischen Untertitel „Das ganze Deutschland“ wurde vor sieben Jahren ohne fremdes Geld und ohne Vorfinanzierung vom ehemaligen Chefredakteur der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ gegründet. Unabhängig von den verschiedenen Parteien und auch abseits der orthodoxen Bonner Außen-und Innenpolitik wurde hier eine eigene Linie eingeschlagen, die Deutschland nicht trennen, sondern die es wieder als Einheit umschließen, allenfalls die Wiedervereinigung vorbereiten sollte. Die anfangs hier vertretene These war die der „bewaffneten Unabhängigkeit“, später die der neuen Strategie des Atomzeitalte's angepaßte des „Treaty of Assurance“, das bei der zweiten Genfer Konferenz von den Westmächten der Sowjetunion angeboten wurde und das — früher als ketzerisch verschrieh — dann hoffähig geworden war. Das Verdienst der „Deutschen Kommentare“ war es jedenfalls, die Aufmerksamkeit ihrer Leser und der Weltöffentlichkeit immer wieder auf die Verquickung der europäischen und der mondialen Politik mit dem Problem der Wiedervereinigung gelenkt zu haben. — Damit haben die „Deutschen Kommentare“, in deren jeder Nummer sich das Wort von Ernst Moritz Arndt „Das ganze Deutschland soll es sein“ als Leitspruch fand, ihre Aufgabe erfüllt. Ist auch dies ein Grund für ihre nunmehrige Einstellung? Mag sein, aber die bittere Frage bleibt, ob denn im Lande des Wirtschaftswunders so geringe Beträge, wie sie für die Weiterführung einer hochstehenden Wochenschriff erforderlich sind, nicht aufzubringen waren? Die Unabhängigkeif der Zeitung wäre damit wahrscheinlich dahin gewesen. Darauf aber kam es ihrem Leiter gerade an, der auf die Rubrik „Material für das ; eigene Urteil“ immer besonderen Wert gelegt hat.

KOMMUNISMUS IN FALSCHER VERPACKUNG. Der polnische Pax-Kreis hat es vermocht, auch in den dunkelsten Stunden , des; polnischen Katholizismus der Kirche Restposifio.nen zu sichern (wenn auch mit Mitteln und, Worten, die nicht immer zu billigen waren). Ganz anders jenes Gebilde, das in Ostdeutschland vorgibt, die christlichen Belange in der Politik zu vertreten und .sich zu diesem| Zweck^,,Christlich-demokratische Union“ nennt. Die. Ost-CDU. ist nicht einmal ein. Zwitter- und Zittergebjlde. (was man noch verstehen könnte), sondern, je näher es dem Ende des Stalinismus geht, um so mehr ein Aufjenposten der SED. Kaum mehr. Wenn es eines Beweises für die „christliche“ Substanz der Ost-CDU bedürfte, so ist es eine Nummer des Pressedienstes der Union. Nehmen wir die Septembernummer: -Wird da unter Hinweis auf eine Nachricht des Magazins „Der Spiegel“ behauptet, dafj einem Umsiedler nur deswegen sein Feld mit Eisenstücken „bestückt* wurde, weil er der einzige Evangelische der Gemeinde sei. Hier mächt man in Anti-Papismus.' Freilich kann man auch anders. Die.tapfere Anspräche, die der sächische Bischof Spülbeck aus Anlaß des Kölner Katholikentages gehalten hatte (eine Abrechnung mit dem, was am Kommunismus unchristlich ist) erregt selbstverständlich den Unmut des „christlichen“ Nachrichtendienstes, der nicht dulden darf, dafj die Politik seiner Auffraggeber angegriffen wird. Die Vorstellung des Bischofs Spülbeck von der Kirche wird daher als im 17. oder 18. Jahrhundert wurzelnd bezeichnet. Unausgesprochen bleibt: Der Marxismus lebt im 20. Jahrhundert. Dafj vom Bischof nur mit „er“ gesprochen wird, pafjt zum Jargon des Blattes. Daß fast auf jeder Seite das westdeutsche Regime angegriffen wird, kann bei einem in' Ostdeutschland herausgegebenen Blatt zum Teil und im Prinzip (vielleicht auch aus Gründen der Taktik) noch verstanden werden. Daß aber eine Partei, die sich bemüht, die Christen in Ostdeutschland politisch zu aktivieren,, ihren Lebenszweck darin zu sehen scheint, ein Regime mit Fanatismus anzugreifen, dessen Führer Christen sind, läßt nicht auf die Bestimmung des politischen Handelns der Ost-CDU vom Christlichen her, sondern von wesentlich anderen Faktoren schließen. Niemand, der. um die Position der Christen in der ostzonalen Politik weifj, wird die Schwierigkeiten verkennen, denen die Christen, die auch auf politischer Ebene operieren, ausgesetzt sind. Von den einen werden sie als „Abweichung“ angesehen und sind in Gefahr, bei einer Säuberung liquidiert zu werden. Die anderen sehen in ihnen auf Grund ihrer Tuchfühlung mit der KP Verräter. Der Versuch, auch in Situationen, wie1 in der Ostzone, -hrisfliche Politik zu machen, muß gewagt werden, wenn Chancen dafür geboten sind. Das hat (nachträglich) im Prinzip das Vorgehen der Pax-Gruppe in Polen gerechtfertigt. Aber irgendwo ist eine Grenze! Irgendwo besteht die Pflicht, zumindest zu schweigen, wenn Reden nur Verrat bedeuten würde. Verrat aber ist es, wenn um der persönlichen Sicherheit willen und um des vom Regime bewilligten Einkommens Elemente des Kommunismus in das eigene Programm aufgenommen und das KP-Regime kritiklos und in allem, was es unternimmt, verteidigen wird. Der christliche Ueberguß kann daran nichts ändern.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung