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RANDBEMERKUNGEN

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STATT BLUMEN. Der österreichische Regierungschef feiert in diesen Tagen seinen 65. Geburtstag. Ing. Raab hat aus diesem Anlafj den beispielgebenden Wunsch ausgesprochen, von Gratulafionsadressen sowie von der Ueber-sendung von Blumen abzusehen und das Geld lieber der Ungarnhilfe zukommen zu lassen. Der Bundeskanzler will keine Blumen und Glückwunschtelegramme. Dieser Wunsch muh respektiert werden. Er beinhaltet aber keineswegs, daß das österreichische Volk am 65. Geburtstag Ing. Raabs seiner nicht besonders gedenkt und zugleich die Hoffnung ausspricht, er möge noch lange und bei voller Gesundheit für Oesterreich wirken. Und hier gibt es wohl auch keine durch Parteien gezogene Grenzen. Die Ueberzeugung ist allgemein, wie kaum in den Krisen vergangener Jahrzehnte steht in diesen Wochen und Monaten der .richtige Mann am Steuer des Staafsschiffes. Wir alle möchten ihn noch lange Jahre dort sehen.

ZITATE. In der letzten Zeit hat es der kommunistischen Presse wiederum gefallen, aus dem Zusammenhang gerissene Sätze der „Furche“ zu zitieren. Die Absicht liegt auf der Hand. Wie ein ertappter Spitzbube versucht, die Namen ehrenwerter Männer bei Gericht ,als Entlastungszeugen ohne deren Wissen und Wollen anzugeben, um so über den eigenen Kurs hinwegzutäuschen, ebenso hält man es zur Stunde in der kommunistischen Pressezentrale. In dem einen wie in dem anderen Fall bleibt nur eine Möglichkeit: die ungebetenen und unerwünschten Klientelen von den Rockschösseln abzuschütteln. Der Privatmann hat es hier leicht, eine Zeitung schwerer. 2 + 2 bleibt 4, auch wenn es die Kommunisten zufälligerweise nachplappern. Wenn man aber in ihren Reihen weiterhin Lust verspürt, die „Furche“ nachzudrucken, so empfehlen wir folgenden Text, den wir vor drei Wochen an dieser Stelle veröffentlichten, als besonders geeignet:

„ ... Man ist von dieser Seite einiges gewohnt, was aber diesmal geboten wurde, übersteigt das übliche Mars um ein beträchtliches. Weih wurde Schwarz, die Militärintervention einer fremden Macht zur .Arbeiferregierung', eine echte Revolution, wie es sie seit 1917 nicht gegeben hat, zur .Konterrevolution'. Als Christen verurteilen wir alle blutigen Ausschreitungen — gleichgültig, von wem gegen wen. Aber die Kommunisten, die • auf diesem Gebiet einiges auf dem Kerbholz haben, sind die letzten, denen moralische Entrüstung zusteht — ,.und die Verleumdung des ungarischen Arbeifereufstandes als .weiten Terror' am wenigsten. Aber .Fleißauf-gaben' sind eine Spezialität unserer Kommunisten geworden. Diesmal geben sie Parolen aus, die selbst in Ungarn auszugeben niemand die Stirn hat. Dazu kommt noch nicht zuletzt die Denunziation der österreichischen Neutralität in Moskau. Genug: unsere KPOe hat für alle Zeiten den Namen einer Arbeiterpartei verwirkt, und den einer österreichischen Partei obendrein.“

Wir fürchten allerdings lange warfen zu müssen, bis wir dieses Zitat in der „Volksstimme“ lesen können.

HANDEL UM DAS AUSSENHANDELSGESETZ.Wenn es zu keinem Einvernehmen über den neuen Entwurf des Aurjenhandelsgesetzes kommt, wird es, da das alte Gesetz am 30. November abläuft, zu, einem vertragslosen Zustand kommen. Wie in so manchen anderen Fällen hat man es wieder auf den letzten Augenblick ankommen lassen; man riskiert unter Zeitdruck eine zu wenig ausgefeilte Texfierung — was über kurz oder lang Novellen nach sich ziehen muh. Von den Gegnern des jetzigen Entwurfes wird ingewendet, dafj man nicht daran denke, Ein- und Ausfuhrregelung auf das Nötigste zu beschränken, vielmehr mit Formalitäten den Gewerbetreibenden überlasten wolle; dafj es technische Mängel in der Handelspolitik gäbe — etwa bei den Kontingenten, die einmal für eine bestimmte Sparte zu knapp, das andere Mal für eine andere zu grofjzügig bemessen sind, so darj sie nicht ausgeschöpft werden. Von den Fürsprechern des Entwurfes beklagen viele die bei einem vertragslosen Zustand vermehrte kontrollose Ausfuhr heimischer Rohstoffe, die hier zu Fertigwaren verarbeitet werden könnten, und ebenso ein Einströmen auswärtiger Fertigwaren: beides würde auf dem Arbeitsmarkt nachteilige Folgen zeitigen. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dafj dar neue Zolltarif noch nicht gelte und für einzelne Gewerbearten der augenblickliche Gewichtszollsatz als unzureichender Zollschutz empfunden werde, Zu allem kommt noch, dafj von der Linken des Nationalrates eine Verabschiedung des AHG verknüpft wird mit einer Annahme des geforderten Wohnraumversorgungsgesefzes. Diese beiden Entwürfe zu koppeln, heifjt nicht Außenhandel, sondern Parfeihandel zu treiben; das kann keine verantwortungsbewußte Wirtschaftspolitik dulden. Rein sachlich: jede ausgedehnte Konirolle des Aufjenhandels zöge nur eine vermehrte Bürokratisierung nach sich und widerspräche allen Plänen einer Verwaltungsreform; was an Rohstoffen in Oesterreich verarbeitet werden kann, wäre unsinnig, auszuführen; auswärtige Fertigware^ dürften nur im Kompensationswege Behandlung finden. Es ist daher die Absicht des Handelsminisfers zu begrüßen, all Teile der Wirtschaft, welche der

Führung und der Hilfe des Staates nicht mehr bedürfen, aus dem Dirigismus und der Kontroll* zu entlassen sowie die Zahl der Waren zu verkleinern, die auf die Liste des neuen AHG gesetzt werden sollen.

DIE VERANTWORTUNGSLOSE STIMME. Die Sendungen der in München stehenden „Freies Europa“ genannten Radiosiation werden zur Zeit in Bonner politischen Kreisen und an amtlichen Stellen sehr kritischen Betrachtungen unterzogen. Im Zusammenhang mit den Ereignissen in Ungarn verstärkt sich der Eindruck, daß dieser, seinerzeit von den Besafzungs-mächten errichtete Sender nicht nur eine Rolle als Propagandainsfrumenf der freien Welt gespielt hat, sondern auch besiimmfe Versprechung gen ausstrahlte, zu denen er von niemand ermächtigt war, und die bei dem ungarischen Aufstand eine fragwürdige, wenn nicht verhängnisvolle Rolle gespielt haben sollen. — Das parfeioffiziöse Organ der FDP schreibt, det; Sender strahle „seit Jahren in allen osteuropäischen Sprachen Programme- aus, die zum Widerstand gegen die Machthaber der sogenannten Volksdemokratien aufrufen und hierfür gleichzeitig die tätige Unterstützung und Hilfe des Westens-verheißen.“ Diese Propaganda sei auf die von aller Information abgeschnittenen Menschen jenseits des Eisernen Vorhanges nichi ohne Wirkung geblieben, wie die jüngsten Ereignisse in Ungarn in erschütternder Weise bewiesen hätten. Die Freiheitskämpfer hätten in ihrer Not vom Westen' nichi rkir Lebensmittel und Medikamente, sondern auch Waffen und Soldaten verlangt, und sie hätten auf Grund jener Sendungen geglaubt, solche Erwartungen hegen zu dürfen. „Eine Propaganda, deren z w e c k b e s t i m m t e Agitation letztlich mit dem Bluf irregeführter Menschen bemhlt werden muß, ist aber ein Verbrechen gegen die Menschlichke.it.' Der Sender „Freies Europa“ ist verpflichtet, die Bänder sämtlicher Sendungen 30 Tage aufzubewahren und für die Kontrolle des Auswärtigen Amtes auf dessen Verlangen bereitzuhalten. Wie man hörte, werden die Sendungen der letzten Zeit, zumal während des ungarischen Aufstandes und kurz vorher, genau überprüft werden. Nach dem Statut des Senders hat die Deutsche Bundesregierung das Recht, wenn Verstöße gegen di dem Sender vertraglich gezogenen Richtlinien festgestellt werden, das Nationalkomitee .iFreies Europa“ von der Beendigung der Sendelizenz in Kenntnis zu .setzen u.r\d. so,fort..de^_Ab7 brüch des' Sendebetriebes zil' verlangen.•■'■'in politischen Kreisen Bonns rechnet man damit, daß dies in Kürze geschehen kann. Jedenfalls ist gar kein Ost-West-Sender besser als einer, dessen Leiter sich nicht der ungeheuren Verantwortung bewußt sind, die sie zu trage* \ haben.

WO IST IMRE NAGYI Die Entführung des Ministerpräsidenten Imre Nagy und seiner Mitarbeiter durch das sowjetische Militär löste im Westen Worte der Entrüstung und des Abscheus aus, und die jugoslawische Regierung protestierte wegen der Verletzung des internationaler! Rechts. In Ungarn selbst war die Folge lähmendes Entsetzen. Niemand mehr gibt sich Illusion nen bezüglich der russischen Absichten hin. Marschall Schukow duldet keine Revolution und keinen ungarischen Weg des Sozialismus. Russische Generäle hielten sich zu früheren Zeiten an das gegebene Wort, so im Jahr 1849 dem ungarischen Oberkommandierenden Görgey gegenüber, der sich ihnen ergeben hatfe. Heut diktiert nur noch die kalte Staatsräson. Ehrgefühl und Recht müssen weichen. Aber selbst wenn man das alles als gegeben hinnimmt, muß

man eine solche Politik als höchst unklug bezeichnen. Zu beachten ist dabei besonders die Rolle Jugoslawiens. Hier die Fakten: In jenen Tagen, als der mutige Milovan Djilas als „Sprachrohr der westlichen Imperialisten“ in Belgrad verhaftet wurde, und Tito sich trotz mancher kritischer Worte an die Adresse der Sowjetunion schließlich doch für die Regierung Kadar aussprach, verhandelten die Jugoslawen mit Budapest über das Schicksal der etwa fünfzig Männer, Frauen und Kinder, die am 4. Not vember im jugoslawischen Botschaftsgebäude von Budapest Zuflucht gefunden haben. Es waren dies Imre Nagy und seine politischen. Freunde, wie Zolfan Vas, Zoltan Szanto, Geza Losonczy, Ferenc Donath, Sandor Harasztiy Ferenc Janosi, alle als „nationale Kommunisten* bekannt. Mit ihnen war der weltbekannte Literaturwissenschaftler Georg Lukacs, der Vorsitzende des „Petöfi-Kreises“ Gabor Tanczot und die Witwe des 1949 hingerichteten „Titoisfen“, Julia Raijk. Aus allem kann man gegenwärtig keinen anderen Schluß ziehen, als daß die Sowjetführer an keinem Ausgleich mit: Unaarn interessiert zu sein scheinen' “. .

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