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RANDBEMERKUNGEN

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DES KANZLERS REISEBERICHT. Der Name Oesterreich habe derzeit, nicht zuletzt durch die ausgezeichnet besetzten Vertretungsbehörden in den USA, einen sehr guten Klang, erklärte der Bundeskanzler Raab auf einer Pressekonferenz. Man wisse sogar jetzt zwischen Austria und Australia zu unterscheiden. Hinter solchen heiteren Aspekten zeigten sich doch sehr schwerwiegende, noch nicht gelöste Probleme. Besonderen Wert lege man von amerikanischer Seite auf die erweiterte Doliarliberalisierung, bei der es allerdings bei den Agrarpradukten noch Schwierigkeiten gebe, die sich nur durch weitere Verhandlungen lösen liehen. Ebenso gelte das für die Rückstellungsansprüche amerikanischer Erdölfirmen, die ursprünglich sehr weitgezogen seien. Als „sehr engherzig“ bezeichnete Raab die Haltung des Staatssekretärs Dulles in der Frage des Ostembargos, die nicht zur Beliebtheit der Amerikaner beitrage. In diesem Zusammenhang habe der Bundeskanzler auch die Frage der geplanten VOeESt.-Lieferung eines Blasstahlwerkes in die CSR zur Sprache gebracht, gegen die es von amerikanischer Seite Widerstände gebe. Die Aussichten für eine Gipfelkonferenz seien nach Ansicht der Amerikaner nicht weit gediehen, aber Rußland sei bereit, Wien als Verhandlungsort zu wählen, während die USA die Festsetzung des Tagungsortes von der Zusammensetzung der Tagesordnung abhängig machen wollen. Auf jeden Fall gewann man den Eindruck, dafj der Bundeskanzler Oesterreichs Anliegen in Amerika richtig zu vertreten wußte, ja, daß gerade seine nüchtern Arf Eindruck gemacht hat, deren Fernwirkung bei den künftigen Expertenverhandlungen spürbar sein wird. , *

HASELGRUBER UND DIE FOLGEN. Wieder einmal leben wir in Oesterreich im Zeitalter der „Entdeckungen“. Und es werden wenig schöne Dinge ans Licht gebracht. Sie betreffen vor allem die Vorgänge in von düsterem Zwielicht beleuchteten Bezirken, wo Politik und Kommerz sich ein Stelldichein geben. Da weil; ein in seinen Geschäftspraktiken als äußerst rabuslt bekannter Selfmademan plötzlich nicht weiter — und schon herrscht Unruhe in den Sekretariaten der beiden groben Parteien. Die SPOe verspricht durch den Mund eines prominenten Sprechers gegen jene Mitglieder hart durchzugreifen, in deren Taschen nachweislich Provisionen flössen. Auf der anderen Seite gab der Wiener Landesparteiobmanh der Volksparfei seine Demission — es darf angenommen werden, daß er seinen Abschied von der aktiven Parteiarbeit durch die Niederlegung seines Nationalrafsmandates demnächst vollständig macht. Der Grund: keineswegs persönliche Bereicherung, aber doch Finanzierungsmefhoden der Parteiarbeit, die vielleicht im letzten Jahrzehnt da und dort üblich geworden, aber dem gesunden rechtlichen Empfinden des Volkes widerstreben, das auch in unserer oft von „überkommenen Vorurteilen“ wenig geplagten Gegenwart die saubere Trennung von Politik und Kommerz erheischt. Das erlaubten wir uns in aller Bescheidenheit schon anläßlich der leidigen „Transfi-nes“-Angelegenheit zu bemerken. Und wir fügten damals hinzu: „Wird so eine ,Grenzverletzung' offenkundig, so heißt es immer, persönliches Interesse vor dem der Partei zurückzustellen. Das wäre in früheren Zeiten selbstverständlich gewesen. Heute kann es nicht schaden, daran zu erinnern.“ („Furche“ Nr. 47/1957.) Nun, man hat es damals anders halten zu müssen vermeint. Schade. Die Partei und die Person des scheidenden Mannes hätten beide sich einiges erspart.

„NIE WIEDER KANONEN“: Mit diesen Worten empfing der Generalbevollmächtigte des Krupp-Konzerns, Berthold Beitz, Ministerpräsident Cyran-kiewicz und Parteisekretär Gomulka am Eingang des Pavillons der Bundesrepublik Deutschland auf der Pösener Messe. Dieser westdeutsche Industriepavillon umgreift eine Fläche, die gröfjer ist als die der Sowjetunion, der USA und Großbritannien zusammengenommen. Gomulka verweilte über eine Stunde in der westdeutschen Ausstellung; fünfzehn Minuten waren vorgesehen. Krupp veranstaltete zudem eine Pressekonferenz in Posen für die polnischen Journalisten, um das Interesse der deutschen Wirtschaff am Ostgeschäft zu unterstreichen. Ueber 200 Firmen aus Westdeutschland stellen in Posen, dem westlichsten Tor des Ostens, aus. — In diesem Zusammenhang verdienen zwei scheinbar in keiner Weise mit diesem Ostversuch zusam-

menhängende Personalnotizen Beachtung. U Washington, ist, überraschend für die Oeffentlichkeit, Lewis Strauss als Vorsitzender der Atomenergiekommission zurückgetreten. In letzter Zeit geriet er öfter sogar mit John Foster Dulles in Konflikt, der seit längerem eine amerikanische Einstellung der Atomwaffenversuche befürwortete. Gleichzeitig wird aus Bonn bekannt: Außenminister von Brentano, der soeben wochenlang Bundespräsident Heuss auf seiner Kanada- und USA-Tournee begleitet hatte, wird gerade von immer mehr seiner eigenen Parteifreunde politisch etwas lieblos als „toter Mann* angesehen. Man wirft dem persönlich integren und sympathischen Kavalier vor allem vor, daß er ohne Reaktionsfähigkeit seine Außenpolitik verwalte. Dazu obliegt es uns nichf, Stellung zu nehmen. International bedeutsamer ist das andere: Macmillans Besuch bei Eisenhower hängt bereits auf das engste mit englischen Befürchtungen zusammen, dah, hinter den Kulissen, die USA und die UdSSR ins Geschäft kämen. Die deutsche Wirtschaft sucht auf ihre Weise dem . vorzubauen: indem sie ihre geschicktesten Männer vorsendet, um den Ostraum zu erkunden; in eben dem Moment, in dem Chruschtschow in Amerika große Einkäufe tätigen will . .. Zeigt die Politik starre und starrste Fronten, zeigt die Wirtschaft, wieviel rn Bewegung geraten ist.

CHINA RADIKALISIERT DEN WELTKOMMUNISMUS. Ein klassisches Beispiel für die enge Verflechtung innen- und außenpolitischer Spannungen stellt soeben das kommunistische China der Welt vor. Chruschtschows Einlenken in die nun tagtäglich von Peking her geführte Offensive des kommunistischen Infegralismus gegen Tito-Jugoslawien, auffallend in seinen bulgarischen Reden, ist allgemein als eine gewisse zumindest zeitweilige Kapitulation vor China verstanden worden. Diese Tatsache ist bedeutsamer als die alt-neue Moskauer Fehde mit Belgrad. Warum aber, so trugen sich in letzter Zeit mehrfach Beobachter der weltpolitischen Lage, hat gerade Peking sich zum Vorkämpfer des heißesten und härtesten kommunistischen Integralismus gemacht? Nun haben die ersten Berichte über die schweren inneren Auseinandersetzungen hinter der Kulisse der zweiten Session des 8. Parteitages in Peking (die erste Session fand vor mehr als einem Jahr statt) klares Licht auf die Gründe dieser Offensive geworfen. Hier setzten sich nc mlich die radikalsten Verfechter einer schnellen Industrialisierung durch. Noch 1958 sollen tausend Großbetriebe gebaut werden. In spätestens 15 Jahren will China England eingeholt habn. Diese Beschlüsse bedeuten mindestens dreierlei. Erstens: die forcierte Industrialisierung zwingt zu schärfstem Terror. Zweitens: die Forcierung der Industrialisierung muß magisch auf die Völker Asiens und Afrikas wirken, die durch ihre Führer verführt werden eben mit der Versprechung: in wenigen Jahren haben wir eine Industrie, die uns vom Westen unabhängig macht. Drittens: die überrasche Vollindustrialisierung soll China von jenem Lande unabhängig machen, von dem es bis heute bis über 90 Prozent seiner Indusfrieaussfattung erhielt: das aber ist Rußland ... — Es ist verständlich, daß Chruschtschow der Schweiß auf der Stirne stand, als er in Sofia den neuen Kampf gegen Tito mit seinen Reden eröffnete ...

INDISCHES WETTERLEUCHTEN. Vor einigen Tagen kam es irgendwo an der pakistanischindischen Grenze zu einer kleinen Schießerei. Jawaharlal Nehru benützte den Anlaß zu einer heftigen Kritik an der Regierung des Nachbarstaates. Die gesamte Politik Pakistans, so erklärte er in einer Rede in Delhi, sei von Haß gegen Indien diktiert. Es ist nicht bekannt, ob er seinen Zuhörern auch den Text der Meldung wiederholte, die am 25. Mai vom indisch kontrollierten Sender Srinagar ausgestrahlt worden war: „Krishna Menon, der indische Verteidigungsminister, traf heute hier ein. Seiner Ankunft folgte unmittelbar eine dreistündige Konferenz mit dem Premierminister von Kaschmir, Bakshi Ghulam Mohammed, an der der Chei des indischen Luffstabes, mehrere indische Korpskommandanten sowie hohe Offiziere des indischen Verteidigungsministeriums teilnahmen. Die Sicherung und Verteidigung der Waffensfill-sfandslinie und der Grenze gegen Pakistan bildete den Gegenstand der Beratung.“ Daß eine solche Verlautbarung nicht geeignet war, in Pakistan besänftigend zu wirken, sondern im Gegenfeil eine Atmosphäre der Nervosität schaffen mußte, in der ein pakistanischer Grenzposten in begreiflichen Zweifel darüber gerief, ob die angeblichen Verteidigungsmaßnahmen „drüben“ nicht eigentlich Angriffsvorbereitungen seien, liegt wohl auf der Hand. Wenn die Haltung Pakistans gegenüber seinem Lande dem indischen Premier wirklich Sorge bereitet, dann sollte er es, an Stelle von Drohungen, doch auch dem Nachbarn gegenüber einmal mit der Anwendung des Rezepts versuchen, welches er so gerne den Nationen des Westens empfiehlt: des Rezepts der friedlichen Koexistenz. Was in diesem Falle nichts anderes erfordern würde, als daß die indische Regierung sich endlich dazu entschlösse, ihr wiederholt gegebenes Versprechen einer freien Volksabstimmung in Kaschmir einzulösen.

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