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RANDBEMERKUNGEN zur Weene

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UBERTRIEBEN „KORREKT“ mag dagegen vielen die Nichtentsendung einer eigenen äster-reichischen Mission zum letzten der neun Totenämter für Papst Pius XII. am vergangenen Sonntag erscheinen. Vielköpfige ausländische Missionen nahmen daran teil: im ganzen 53, angeführt von Ministern, Aufjenministern, sogar Staatsoberhäuptern. Oesterreich aber hatte lediglich seinen Botschafter beim Heiligen Stuhl delegiert, dessen heikle und taktvolle Aufgaben damit, so will es uns scheinen, nicht eben erleichtert werden.

TAKT UND PIETÄT bei Presseveröffenflichun-gen in Bild und Text gelten auch, ja besonders für eine so eminente Vertrauensstellung, wie sie der einstige Leibarzt Papst Pius' XII., Galeazzi-Lisi, zuletzt Direktor des Vatikanischen Gesundheitsdienstes, innegehabt hat. Er hat dieses Gesetz durch verletzend „interessante“ Publikationen aus den letzten Lebenstagen des Papstes gröblich verletzt. Die Reaktion erfolgte mit einer inmitten des betrüblichen Verfalls erfreulichen Raschheit und Gründlichkeit: Entfernung von allen Aemtern, Verbot des Zutritts zur Vatikanstadt. Ein Exempel wurde statuiert. Mehr noch: eine der schlimmsten Abarten und Ausartungen moderner Publizität wurde verurteilt.

„BAUERN, BOMBEN UND PAPIER“ überschrieb die „Furche“ kürzlich eine Glosse, die die bewegten Klagen der Kriegs- und Besatzungsgeschädigten über die Umständlichkeit, Unklarheit und Unsicherheit des nunmehr gesetzlich festgesetzten Entschädigungsvorganges verdolmetschte. Vielleicht nicht ganz ohne Zusammenhang mit dieser temperamentvollen Klage gab Nationalrat Erwin Machunze dieser Tage in mehreren Versammlungen Erklärungen, die die beabsichtigte aufklärende und beruhigende Wirkung nicht .verfehlen dürften. Das Anliegen der Antragsteller wurde vor allem als gesetzlicher Anspruch benannt und nicht, wie vielfach befürchtet wurde, als eine Angelegenheit,' die im Ermessen der Finanzbehörden liege. (Offen bleibt dabei leider immer noch der Ermessensspielraum der entscheidenden Stelle!) Gerne hörte man auch von der Erleichterung, daß der Nachweis des Schadens nicht unbedingt, wie das Formular allerdings nach wie vor vorschreibt, durch amtliche Erhebungen und Feststellungen, sondern auch durch die Aussagen glaubwürdiger Zeugen erbracht werden kann. Auch der späte Letzttermin der Einreichung (30. Juni 1959) erleichtere dem Antragsteller die Bewältigung der geforderten Nachweise. Im übrigen habe die Landesparteileitung der Wiener Volkspartei in allen Bezirksparteisekretariafen einen kostenlosen Beratungsdienst eingerichtet. Da ist gewiß lobenswert und wird den armen Teufeln, die damit zu tun haben, eine fühlbare Entlastung bringen. Vielleicht wäre es aber möglich gewesen, schon das Gesetz selbst und seine Durchführung so klar und unbürokratisch zu fassen, daß Kommentare und Beratungen, Umfragen und Rückfragen dabei überflüssig werden. Wir befürchten nämlich, daß sich die vorgesehenen zwei Milliarden durch die Kosten des Apparates, der sie nach „Bearbeitung“ verteilen soll, noch in unnotwendigem Ausmaße erhöhen werden.

ZWEI JAHRE UND KEIN ENDE. In der grauen, müden Atmosphäre der Budapester Fabrikhöfe, deren Leben „auf dem Wege zum Sozialismus“ der Exkommunisf — jetzt Staatshäftling — Tibor

Dery in einer Novelle so treffend charakterisiert hat, fand in der vergangenen Woche eine Großversammlung statt. Ungarn steht vor „Par-lamenfswahlen“, und es galt, die „Wahlkampagne“ zu eröffnen, was Parteichef Janos Kader mit einer Rede denn auch tat. Er wiederholte dabei die Grundsätze seiner und seiner Partei Politik, die Politik der Mitte: Geduld mit den Bauern, kleinen Gewerbetreibenden, Intellektuellen, bis diese sich freiwillig dem „Sozialismus“ anschlössen; „Diktatur des Proletariates den „Feinden des Volkes“ gegenüber; Zusammenarbeit mit den Kirchen; höherer Lebensstandard und Linderung der Not der Rentner, der Lehrer, der kinderreichen Familien. Friedliche Töne auch dem Ausland gegenüber. Polen und Rumäniep, ließ er, unerwähnt, die Freundschaft mit China und Bulgarien hob er besonders hervor und ließ erkennen daß das Verhältnis zu Jugoslawien nicht ungetrübt sei. Die ganze Rede Kadars bewies, daß man in Ungarn — wie im gesamten Ostblock — noch immer vor allem Ruhe und Zeit braucht, um mit dem gegenwärtig als unlösbar scheinenden Problem des inneren „kleinen“ Widerstandes irgendwie fertig zu werden. Mit gutem Instinkt wird da der Typ des kommunistischen Kleinbürgers teils propagiert, teils geduldet; als solcher stellt sich auch von Zeit zu Zeit Kadar vor, dieser mit humoristischen Redewendungen operierende, sonst aber trocken wirkende Parteifunktionär, freuer Paladin Chruschtschows. Er weiß, was er tut, kommt er doch mit seiner Politik des Ueberschweigens blutiger Gegensätze und unüberbrückbarer Spannungen vielen geheimen Wünschen in aller Welt entgegen, die, zwei Jahre nach „Budapest“, auch in Budapest nur den „Kampf um den Lebensstandard“ sehen wollen.

BOURGUIBA UND NASSER. Mit dem Austrift Tunesiens aus der Arabischen Liga und dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Tunis und Kairo hat der ägyptische Diktator einen Rückschlag erlitten, der weitreichende Folgen nach sich ziehen kann. Abd el Nassers bisherige Laufbahn, die ihm die Gloriole eines panarabischen Idols gewonnen hat, war gekennzeichnet durch eine Serie eklatanter Erfolge gegenüber den Bemühungen der Wesfmächte, seiner rücksichtslosen Expansionspolitik einen Riegel vorzuschieben; durch eine Reihe von Siegen, die in arabischen Augen mif dem bedingungslosen Abzug der Anglo-Amerikaner aus Libanon und Jordanien einen neuen Höhepunkt erreicht hat. Nun, zum erstenmal, wurde ihm Schach geboten; nicht von den westlichen „Imperialisten“, sondern von einem arabischen Staatsmann, anerkannt auch von vielen Arabern als unbestechlicher Patriot, der die Unabhängigkeil seines Vaterlandes von westlicher Vorherrschaft erkämpft hat, sich aber trotzdem, und hier liegt das Entscheidende, als unwiderruflich dem Westen zugehörig bekennt. Diese mutige Stellungnahme Bourguibas wird ihren Eindruck in anderen arabischen Ländern nicht verfehlen. Sie kann zum Ausgangspunkt einer wirksamen arabischen Abwehrbewegung gegen Nassers Imperialismus werden, vorausgesetzt, daß die Westmächfe von der sich hier bietenden Chance Gebrauch machen und beweisen, daß eine enge Verbindung mit dem Westen und der Empfang westlicher Hilfe durchaus zu vereinbaren sind mit dem berechtigten Verlangen der arabischen Völker nach voller Freiheit und Selbständigkeit.

BÖSES SCHLAGWORT: NATO-KIRCHE. Wer dieses Schlagwort erfunden hat, läfjf sich noch nicht feststellen. Tatsache aber ist, daß es seit geraumer Zeit im Westen existiert, so in deutschen national-liberalen Kreisen. Nun steht Rom, kurz vor dem Konklave, im Wirbel der Gerüchte. Das Eintreffen westlicher Außenminister wie Brentano, Couve de Murville und vor allem von John Foster Dulles in Rom zum Besuch des letzten Requiems für Pius XII. wird von sehr verschiedenen Kreisen in dem Sinne eines politischen Druckes ausgelegt. Es ist heute wichtig, dah die Katholiken der ganzen Well hier die Dinge nüchtern und klar sehen. Eine Papstwahl war immer ein hohes Politikum, besonders natürlich in Kriegs- und Krisenzeiten. Hundertmal haben im letzten Jahrtausend Frankreich, Spanien, der Kaiser und italienische politische Parteien Einfluß gesucht und gefunden auf die Wahl des Papstes. Die letzten Tage, bevor die Kardinäle eingemauert werden im Konklave, werden natürlich von allen Seiten her benutzt, um die eigene politische Sache zu vertreten. Nun berechtigt das alles nicht, einfach von einer NATO-Kirche zu sprechen. Die überwiegende Mehrheit der Katholiken will, das muß denn doch festgehalten werden, keinen NATO-Papst und keinen „Links “-Papst, sondern einen würdigen und starken Nachfolger Papst Pius' XII., der die Freiheit der ganzen Menschheit in seinem Kampf um die Freiheit der Kirche vertritt: ein starker Papst, der in der Vollmacht seines Amtes Ost und West die Frohe Botschaft des Erlösers verkündet und wo es nottut, ernste Worte der Kritik und Mahnung spricht. Für einen solchen Papst betet die gesamte katholische Christenheit, und, wie wir wissen, auch viele Menschen jenseits ihrer Grenzen. Einen solchen Papst zu finden, lohnt es sich, ein langes Konklave zu halten: in dem im gewissenhaften Pingen der verschiedenen Gruppen mit Hilfe des Heiligen Geistes der Ersehnte gewählt werden soll: der Mann des wahren Friedens, der „Koexistenz in Wahrheit“, wie es sein Vorgänger r-onannf und selbst verkörpert hat.

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