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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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Die großen Schäden, die der zweite Welt krieg an rollendem Material, an Bahnhof bauten und Verkehrsanlagen zurückgelassen hat, machten den großen Staatsbetrieb der österreichischen Bundesbahnen zu einem besonderen Sorgenkind der zweiten Republik. Diese, von der Zeit gestellten Probleme wurden aber um eines vermehrt, das wir im österreichischen Kompetenzbereich suchen müssen: die Personalpolitik. Vnd gerade um sie gingen in den letzten Wochen lebhafte Debatten.

Die österreichischen Bundesbahnen sind passiv. Ihre Situation ist sogar so ernst, daß sich der Verkehrsminister gedrängt fühlte, von Bankrott zu sprechen, falls die zur Zeit bestehenden Personen- und Gütertarife nicht erhöht werden. Äußerste Sparsamkeit und eine ökonomische Betriebsführung müßten daher der erste Grundsatz der Verwaltung der österreichischen Bundesbahnen sein. Die Tatsachen sprechen jedoch eine andere Sprache. Während die Zahl der Züge heute noch hinter der des Jahres 1937 weit zurückbleibt, ist der Personalstand um nicht ganz ein Drittel der Vollbeschäftigten gestiegen. Um so größeres Aufsehen erregte daher jener Plan, der eine Einstellung von weiteren tausend neuen Kräften als für den Fahrdienst unbedingt notwendig vorsieht. Statt Personaleinschränkungen — neue Aufnahmen! Wie reimt sich dies auf die prekäre Situation der Bundesbahnen? Die Lösung des Rätsels liegt in den Irrwegen, die die Personalpolitik vor und nach dem Jahre 1945 gegangen ist. Im Zuge des allgemeinen Stre- bens nach dem Schreibtisch verließ mancher Streckenwärter seinen Blockposten und nicht wenige Angehörige des Fahr- und Verschub- dienstes versuchten ihr Glück hinter irgendeinem Schalter. So füllten sich Schreibstuben und Kontore, während im Fahrdienst jener Mangelzustand eintrat, zu dessen Ausfüllung angeblich Neuaufnahmen unbedingt notwendig sein sollen. Allein diese Maßnahme ist eine halbe Lösung. Sie steht nicht nur im Gegensatz mit der materiellen Situation, sondern sie liegt auch fernab jeder kommerziellen Praxis. Es wäre zielfährender, die richtigen Leute auf die richtigen Plätze zu stellen. Erst, wenn dies geschehen ist, sind Neuaufnahmen gerechtfertigt, erst icenn das bereits vorhandene Personal bestmöglich verwendet ist, wird auch der Alarmruf des Verkehrsministers bei den Steuerzahlern und Fahrgästen volles Verständnis finden.

Der Salzburger Landtag hat gegen den Einspruch der Bundesregierung beschlossen, auf der Einhebung der Vergnügungssteuer für Veranstaltungen im Salzburger Festspielhaus zu beharren. Als Begründung wird angeführt, daß im Salzburger Budget beträchtliche Summen für die Hebung und Ausbesserung von Brücken, für die Beleuchtung und Kanalisierung vorgesehen sind und daß die meisten dieser Arbeiten „lediglich in Hinsicht auf die Wiederbelebung der Festspiele“ vorgenommen wurden. Daß wir mit allen Kräften an den Wiederaufbau gehen müssen, ist ebenso klar, wie die Tatsache, daß das äußere Bild einer Stadt die Visitenkarte gegenüber dem ausländischen Besucher darstellt. Aber einigermaßen aufklärungsbedürftig bleibt es, inwiefern zum Beispiel Kanalisierungen „lediglich" der Wiederbelebung von Festspielen dienen.

Prinzessin Margaret, die zweite Tochter des englischen Königs, hat sich zur Erweiterung ihrer Bildung zu einer Italienreise entschlossen. Es ist das erstemal seit dem Kriege, daß ein Mitglied der englischen Königsfamilie ein ehemaliges Feindland betritt. Aber die Bedenken, die sich unerwarteterweise erhoben, sind nicht politischer Natur. Die „National Union of Protestants", die in den letzten Jahren immer wieder durch die Störung der ihrer Meinung nach zu „katholisierenden“ Kulthandlungen in der anglikanischen Kirche Aufsehen und Ärgernis in der Öffentlichkeit erregte, hat von einer Versammlung in Belfast ein Telegramm an den König gerichtet, mit der Bitte, einen Besuch der Prinzessin im Vatikan zu verhindern. „Wenn die Spitzen unseres Staates Zeit finden, sich von dem Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche empfangen zu lassen, dann ist es Zeit, daß die protestantischen Untertanen

Seiner Majestät protestieren", erklärte der Sekretär der Union.

Wir haben keinen Grund, Engländern eine Lehre in fair play und Toleranz, die sie gerade in letzter Zeit wieder so oft bewiesen haben, zu erteilen. Aber es ist doch ein schönes Gegenstück, daß zur selben Zeit, als in Belfast dieses Telegramm abging, hier in Wien unter dem Ehrenschutz des Wiener Kardinals und des evangelischen Landesbischofs die Festwoche des religiösen Films stattfand.

Der Kongreß von Paris Ist zu Ende. Auch aus Prag sind die Delegationen heimgereist, beziehungsweise in ihre Emigrantenquartiere zurückgekehrt. Picassos Taube — hat sie der Welt einen Ölzweig wirklich gebracht? Nein. Es war nur der alte Stachel einer Fraktion wider eine andere, einer Weltpartei wider ihre Gegnerschaft: die anderen sind schuld. Und dies ist die große Enttäuschung vieler Intellektueller, die diesen Kongreß begrüßt und in Resolutionen und Unterschriftssammlungen gutgeheißen hatten. Man sollte nicht lachen über sie und auch nicht höhnen über diese große Zahl von Menschen, die einfach glaubten, ein Friedenskongreß von Intellektuellen werde sich um das „intelligere", um das verständige und vernünftige Einsehen der Schwierigkeiten und Gegensätze mühen, die heute zwei Welten trennen. In geistiger Auseinandersetzung und Zusammenarbeit dachten sie sich zu finden; zumindest in Paris, wenn schon nicht mehr in Prag, und siehe da, man hatte sie nur auserkoren, eine prominente Claque zu sein, die Beifall klatschen durfte zu einem längst bekannten Vokabularium der Täuschungen. So ziehen sie nun wieder heim in langen und müden Karawanen, die getäuschten Intellektuellen und in flinken, flotten Zügen die Trupps der Fünften Kolonnen... Der Friede, von ihm war nicht die Rede, weil der freien Rede kein Tor geöffnet war. Ohne Freiheit kein Friede, ohne freie Rede kein Kongreß, sondern nur ein bestelltes Theater.

Während die Zwischenfälle auf dem Jangtse- kiang, die zahlreichen englischen Matrosen das Leben kosteten, die öffentliche Meinung im britischen Weltreich erregten, hat dieser alte Staatenverband wiederum seine Fähigkeit zu innerer Umgestaltung erwiesen. Das große, seit der Unabhängigkeitserklärung Indiens und Pakistans offengebliebene Probleme der Eingliederung dieser neuen asiatischen Staaten in die bisherige, so ganz andersgeartete Vereinigung des britischen Empire hat auf der Londoner Commonwealthkonferenz eine befriedigende Lösung gefunden, die sich vielleicht sogar in Zukunft auch auf das Verhältnis des eben erst völlig aus dem Verband ausgeschiedenen Irlands günstig auswirken könnte. Das weitmaschige Kompromiß einer Staatengemeinschaft der jungen „indischen Republik" mit den anderen, weiterhin monarchisch regierten Staaten innerhalb eines „Commonwealth", dessen „Oberhaupt“ doch wieder der englische König ist, stellt der staatsmännischen Weisheit und Mäßigung aller beteiligten Politiker das beste Zeugnis aus. Gewiß haben die jüngsten Ereignisse in Ostasien dem Unabhängigkeitswillen der drei „braunen Dominions“, Indien, Pakistan und Ceylon, eine eindeutige Warnung erteilt. Noch ist nicht abzusehen, welche Veränderungen der kommunistische Vormarsch in China für das gesamte politische Kräftespiel in Asien zur Folge haben wird. Aber auch die ständigen Schwierigkeiten, die das aus dem Commonwealthverband ausgetretene Burma mit seinen „roten“ und „weißen“ Rebellen — den Kommunisten einerseits, den baptistischen karenischen Aufständischen andererseits, hat, bilden einen recht eindringlichen Anschauungsunterricht für die Gefahren, die ein Austritt aus einem so weltumspannenden Verband mit sich bringt. Sowohl Pakistan und Ceylon, welche die monarchische Staatsform beibehielten, wie Indien, das auch als Republik im Commonwealth verbleibt, haben gezeigt, daß sie diese Lehre verstanden haben.

Über den Aufbau in der tschechoslowakischen Volksrepublik unterrichten einige Notizen aus dem Prager kommunistischen „Rudė Pravo".

„Das Prager Schulministerium hat beschlossen, mit Beginn des neupn Schuljahres die zum Teil erst 1945 errichteten Gymnasien in Marienbad, Dux, Podersam, Asch, Mährisch-Trübau und Wildenschwert wegen zu geringer Schülerzahl aufzulassen..."

„Die Bauabteilung des tschechoslowakischen Ministeriums für Technik hat die Vorbereitungen für eine gesamtstaatliche Aktion zur Demolierung unbewohnter Gebäude getroffen...“

Im Prager Informationsministerium wurde ein „Büro des Beauftragten für deutsche Bücher“ errichtet, das die Verwertung der deutschen Buchbestände organisieren und kontrollieren soll. Zum Beauftragten des Ministers wurde Dr. Paul Steindler ernannt. — Nicht im „Rudė Pravo“ steht, daß aus diesen deutschen Bücherschätzen schon riesige Mengen ohne die „Kontrolle“ des Informationsministeriums ihre Verwertung in einem riesigen Schwarzhandel über die Grenze gefunden haben.

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