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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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In dem Nachhall zu den Verlautbarungen über die Pariser Konferenzen der Großen Vier, durch die eine baldige Fertigstellung des österreichischen Staatsv ertrag es tn nahe Sicht gerückt wurde, ist ein schönes Wort ausgesprochen worden: Präsident T r um a n gedachte mit achtungsvoller Anerkennung der „geduldigen Haltung des österreichischen Volkes während der lang hingezogenen Verhandlungen“. Nach den vielen Formeln, juristischen Mückenseihereien und Definitionen dieser Verhandlungen ein Ton warmer Menschlichkeit! Einer hat doch erkannt — und es umr der Präsident der Vereinigten Staaten —, daß dem österreichischen Volke nach einem langen und noch nicht ganz vollendeten Kreuzwege mehr gebühre als ein endliches Traktament, das ihm die lang verheißene Freiheit und Unabhängigkeit sichern soll. Dabei wird erst in dem Augenblick, da die österreichische Unterschrift neben denen der großen Mächte auf das kostbare Dokument stehen wird, der Titel „österreichischer Staatsvertrag“ seine Rechtfertigung erhalten. Denn an den Verhandlungen war Österreich als B e- r ater, nicht als Partner beteiligt. Für die künftige Rechtswirksamkeit des Vertrages wird dies gleichgültig sein, nicht aber für die Verteilung der Verantwortlichkeit.

Die Wiener Rathausmehrheit hat steh für den Wiener Gemeinderat und Landtag zum Festhalten an der starr en Liste entschlossen. Die Parteileitung befiehlt, das Parteisekretariat verkündigt und der Wähler hat ja zu sagen. Er darf die Partei seines Vertrauens wählen, aber nicht den Menschen seines Vertrauens. Das ist außerordentlich bequem für die Partei, das heißt für die Kapitäne auf der Kommandobrücke. Die Volksvertreter werden von ihnen geliefert, prompt wie aus dem Kühlraum eines Großlagerhauses. Diktatur? — Bewahre. — „Demokratie!“

Die Vorlage des Rechnungshofberichtes soll nach Fug und Recht nächst der Budgetberatung das Ereignis jedes Parlamentsjahres sein. Der einzelne Abgeordnete und auch die Parteien haben aus guten Gründen nach der Verfassung kein Recht, sich in die Verwaltung einzumischen und etwa in Staatsämtern Akten zu prüfen. Deshalb hat die Verfassung im Rechnungshof das unabhängige, fachlich mit allen Rechten und Fachkenntnissen ausgestattete Prüfungsorgan vorgesehen, dessen Arbeit dem Parlament die Erfüllung einer seiner kardinalen Pflichten, die Obsorge für die Korrektheit und Sauberkeit der Verwaltung und die Abstellung von Übelständen, erleichtern soll. Die Berichte des Rechnungshofes und ihre Behandlung im Parlament haben in früheren Jahren zuweilen Ämter zittern gemacht.

Der diesmalige Bericht des Rechnungshofes für das Verwaltungsjahr 194S enthielt ungeschminkte Feststellungen. Er bot einen Blütenstrauß unerfreulicher Tatbestände dem Parlament. Aber das vielleicht wichtigste Dokument, das dem Nationalrat in dieser Session vorgelegt wurde, rief im Plenum von jeder Partei nur einen Hauptredner auf den Plan. Dann wurde es von einer Schar beredter Schweiger zur Kenntnis genommen und damit war die Sache abgetan. Mindestens soweit die Bevölkerung davon erfuhr, die doch ein Recht hat, davon zu hören, ums die Ressortverwalter zu den Dingen sagen und was zur Abhilfe der so offen dargelegten Übel geschehen werde. — Die Presse hat sich dann nicht mehr strapaziert als der Nationalrat. Nichts ist schädlicher als Schweigen, wo die Reinlichkeit öff endlicher Gebarung bestritten ist. Damit wird den Übertreibungen und der Gerüchtemacherei Vorschub geleistet. Der Bericht des Rechnungshofes ruft also noch immer nach einem andern ebenso genauen, der dartut, wie die aufgezeigten Flecken gesäubert werden.

Ein frühsommerliche s Wärmegewitter, geladen mit den Spannungen eines Wahljahres, ist abgezogen. Uber die lebhafte, vielleicht für die besondere außenpolitische Lage des Augenblicks zu lebhafte publizistische Austragung der Meinungsverschiedenheiten rund um die „Affäre Oberweis“ hat zu guter Letzt die Vernunft einen entscheidenden Sieg davongetragen. Die Koalition blieb unangetastet. Die Arbeits- und Aufbaugemeinschaft der beiden großen Parteien hat die Belastungsprobe Überstunden, den Beweis erbracht, daß sie nicht eine der vielen Kombinationen ist, die die Politik zuläßt und gelegentlich wieder entläßt, sondern daß ihre Idee der Vermeidung in der Vergangenheit teuer bezahlter Fehler und dem. gemeinsamen Anliegen aller Österreicher, einem Aufbau unseres Staates in einer Atmosphäre innerer Ordnung dient. Dieser Aufbau ist noch lange nicht abgeschlossen. Auch nicht nach dem Wahltag dieses Jahres. Herumzündeln im Hause bleibt also verboten.

Man erfährt aus dęr Tschechoslowakei, daß Präsident Gottwald im Verlauf seiner bisherigen Amtszeit 167.000 Personen begnadigt hat, Aufhebungen von Mili- tärgerichtsurteilen sind hiebei nicht mitein- gerechnet. Demnach muß mindestens ein jeder Achtzigste, der heutzutage in der Tschechoslowakei lebt, bereits Gegenstand eines persönlichen Gnadenaktes des Staatsoberhauptes gewesen sein. Wie viele, fragt man, hat man da in diesem paradiesischen tschechischen Volksstaat wohl insgesamt eingesperrt?

Im deutschen Bundesstaat hatte sich Bayern bei der Gründung des deutschen Hohenzollernreiches ein ansehnliches Stück Föderalismus bewahrt; gewissermaßen Insignien seiner staatlichen Eigenständigkeit waren nicht nur die Königskrone des volkstümlichen Herrscherhauses der Wittelsbacher, sondern auch das eigene Postregal, sichtbar gemacht durch die eigene bayrische Briefmarke, die eigene Eisenbahnverwaltung, bestimmte selbständige Steuerrechte, eigene Diplomatie und vor allem ein eigenes Heer, dessen oberster Kriegsherr der bayrische König nur als deutscher Bundesfürst dem Hohenzollernkaiser militärisch untergeordnet war. Alle diese „Reservatrechte“ des bayrischen Staates hat 1919 der „Freistaat“ Bayern nicht einmal für ein Linsengericht dem neuen Weimarer Zentralstaat stückweise überlassen. Der Föderalismus war bis auf freundliche Erinnerungen erledigt. Die allzu späte Reue ließ nicht auf sich warten. — Vergeblich hat Bayern in der Bonner Verfassung für Westdeutschland sich ein wenig föderalistisch auszustaffieren versucht. Es war gewiß übertrieben und tendenziös, wenn dabei von „bla u- wei.ßem Separatismus“ gesprochen wurde. Die bayrischen Föderalisten haben sich bald zufrieden geben müssen. Von ihrem Verlangen ist nicht mehr übriggeblie- ben als ein paar Zeichen föderalistischer Repräsentation, zunächst bezeugt durch die Merkwürdigkeit, daß heute innerhalb Deutschlands an drei Orten, nämlich ln Berlin, Frankfurt und Stuttgart eigene bayrische Gesandtschaften existieren. Eine davon wird jetzt gleichzeitig mit der Auflösung des Stuttgarter Länderrates aufgelassen werden. Diese Gesandtschaften stellen eine Art föderalistischen Titel dar. Sie kosten zufolge Landtagsbeschluß ganz nennenswerte Mittel, nämlich einen außerordentlichen Zuschuß von mehr als einer Viertelmillion D-Mark. Viel Föderalismus ist das nicht, aber doch ein teures Federl auf dem Hut.

Die scharfe Kritik, die in dem Bericht der vom französischen Parlament eingesetzten „Beschwerdekommission“ mit rückhaltsloser Offenheit schwere Mißstände in der staatlichen Verwaltung auf deckte, dehnt sich jetzt auch auf die Armeen erwaltung aus. Offiziell wird die Heeresstärke mit einem Effektivstand von 757.000 Mann beziffert, einem um fast ein Viertel höheren, als ihn 1912 kurz vor dem ersten Weltkrieg Frank- reiche hatte. Aber „Ecrits de Paris“ alarmiert die Öffentlichkeit mit der Behauptung, von acht verfügbaren Divisionen seien nur die zwei in Deutschland stehenden aus den amerikanischen Überbeständen modern ausgerüstet. Dabei sitze eine ungeheure Anzahl von uniformierten Bürochefs und sonstigen Beamten in den Ämtern herum. Diese Masse an nutzlosem Personal erklärt sich, ähnlich wie auch die Überfüllung vieler ziviler Zweige des Staatsapparats, nicht zuletzt aus den politischen Wirren der Befreiung, wo viele Leute wahllos, oft nur auf Grund von Parteimitgliedskarten, in die neugebildeten Truppenkörper aufgenommen wurden. Die französische Luftwaffe sei noch schlimmer daran: sie besitze kaum 30 Kampfgruppen mit 500 erstrangigen Maschinen, während sich in der Reserve nur 3000 bereits veralteter Flugzeuge nicht weniger als 70 verschiedener Typen befinden. Selbst zur. Zeit des Waffenstillstandes unter Marschall Petain habe 19 41 und 1 9 42 die Luftwaffe des besiegten Frankreich noch die doppelte Kampfstärke der heutigen besessen. Dabei haben die Ausgaben Frankreichs für sein Militärbudget während der letzten drei Jahre zehn Milliarden Francs betragen.eitet. In Jeder Diözese der amerikanischen Zone sollen soziale Seminare für Geistliche sowie Institute für Industrie-, Kirdien- und Arbeiterführer orr:chtet werden. Weiter sind christliche Arbeiterschulen zur Ausbildung von Arbeiterführern geplant. Das Ziel ist eine aktivere Beteiligung an der Arbeiterbewegung und ein stärkerer Einfluß christlicher Grundsätze auf die Lösung der Arbeiterfragen.

In den letzten Wochen sind in der Slowakei sechs Jesuiten-, zwei Franziskaner-, vier Salesianer- und 2 Steyler-Missionsklöster geschlossen worden. Auch zwei orthodoxe Klöster wurden geschlossen und die Insassen mit unbekanntem Ziel abtransportiert.

In Polen erscheinen gegenwärtig 34 Tageszeitungen mit einer Gesamtauflage von 3,7 Millionen, ferner 877 Zeitschriften mit 17 Millionen Auflage. Die größte Auflage hat die „Przyja- ciolka“ (Freundin) mit 1,6 Millionen, während die polnische Ausgabe der Kominformzeitschrift mit nicht ganz 100.000 aufgelegt wird.

Ein internationaler Philosophenkongreß wird in Rom am 28. September unter dem Protektorat des italienischen Kultusministers eröffnet und anschließend in Florenz fortgeführt.

Das holländische Finanzministerium hat eine neue Verordnung über die Verwendung von staatlichen Subventionen zum Wiederaufbau kirchlicher Gebäude, die der Jugenderziehung dienen, erlassen. In ihm wird der staatliche Beitrag mit 55 bis 75% der Gesamtkosten festgelegt.

Die in allen Teilen Englands steigende Zahl von Gewalttaten durch Jugendliche wird in der Öffentlichkeit mit zunehmender Sorge verfolgt und von kirchlichen Kreisen mit der religiösen Interesselosigkeit in Zusammenhang gebracht. Auif Anregung des britischen Innenministers beschäftigen sich nunmehr an ollen Orten Ausschüsse mit diesen Erscheinungen. Auch auf den Konferenzen kirchlicher Würdenträger und in beiden Häusern des britischen Parlaments wurde die Entwicklung mit großem Ernst besprochen.

Meldungen aus der Türkei zufolge sind Professor Bossert, dem Vorstand des Forschungsinstituts für altorientalische Kultur an der Universität Istanbul, entscheidende Schritte zur Entzifferung der hettitischen Hieroglyphen gelungen. Von ihm geleitete Ausgrabungen, die im Verein mit dem Museum von Istanbul und der türkischen historischen Gesellschaft 1947 begonnen wurden, führten in den unterirdischen Gängen der alten Festung von Karatepe am Jeyhanfluß in den Ausläufern des Taurus zur Entdeckung einer Kammer, in der sich die Sta- tuengruppe eines Königs mit zwei Stieren und einer weiblichen Gestalt als deren Führerin befand, die sich, ebenso wie die Wände ringsumher, mit Inschriften bedeckt zeigten. Diese entpuppten sich in der Folge als eine hettitisch- phönizische Bilingue, welche, seit die Identität beider Texte verifiziert werden konnte, einen Vorstoß in ein neues Stück kleinasiatischer Frühgeschichte erhoffen läßt. Inzwischen sollen bereits 40 Sätze, ein Drittel des hieroglyphischen Textes, entziffert sein. Bisher war es nur gelungen, einzelne Ideogramme unter den hettitischen Hieroglyphen ihrem Sinn nach zu deuten, ohne jedoch einen Schlüssel zu der von ihnen dargestellten Sprache finden zu können. Die Bedeutung dieses Fundes für eltorientalische Philologie ist also noch nicht abzuschätzen. Da die herrischen Keilschriften von Bogaz-Koi im 12. Jahrhundert v. Chr. enden und Bossert seinen Fund mit etwa 730 v. Chr. datiert, werden auch historisch größere Aufschlüsse erwartet. Ob auch am Ende für die sogenannte Minoische Schrift von Kreta neue Ergebnisse zu erhoffen sind, ist vorerst Ungewiß. Immerhin scheint es nicht ausgeschlossen, daß wir vor einem jener Wissenschaftsgeschichte machenden Ereignis stehen, wie sie die Auffindung der Tafeln des Darius für die Keilschrift bedeutet hat oder die Entzifferung des Steines von Rosette für das Ägyptische.

Ein Schatz wertvoller frühmittelalterlicher Schmuckgegenstände wurde in Kiew bei Arbeiten für die Verlegung eines Gasleitungsnetzes gefunden. Alle Schmuckgegenstände sind aus Gold oder Silber und von künstlerischer Arbeit; sie gehören zur Periode des Kiewer Reiches (11. bis 12. Jahrhundert). Der Schatz wurde dem Institut für Archäologie der Akademie der Wissenschaften der UdSSR übergeben.

Der „Iswestija“ vom 17. Juni entnimmt die „Furche“: Am 11. Juni um 8 Uhr 10 Minuten örtlicher Zeit wurden die Bewohner des Kuna- schakser Rayons im Gebiet Tscheljabinsk in der Gegend der Seen von Tschebarkul und Urukul Zeugen eines großartiger. „Ster n- regen s“. Die kosmtischen Erscheinungen waren von drei betäubenden Donnerschlägen begleitet. Am Himmel trat ein weißer, leuchtender Streifen auf, und nach drei Minuten fielen Steine pfeifend vom Himmel. Die an Ort und Stelle durch-’ geführten Untersuchungen bewiesen, daß der „Sternregen“ das Ergebnis der Explosion eines großen Meteoriten wat, der in die oberen Schichten der Erdatmosphäre geriet. Die Splitter fielen auf einem Raum von zirka 325 Quadratkilometer zu Boden, der größte war 30 Kilogramm schwer. Die chemische Analyse erwies das Vorhandensein von reinem Eisen, Schwefeleisen und Nickel in der allgemeinen Silikatmasse des Meteoriten.

Dr. E. C. N. van Hoepen, der Direktor des Nationalen Museums von Bloomfontain, hat 16 Meilen nordwestlich von Kimberley Felsenformationen entdeckt, die den Nachweis dafür bilden, daß Südafrika nicht, wie bisher angenommen, nur eine, sondern zwei Eiszeiten durchgemacht haben muß.

Dem neuen japanischen Parlament gehören 19 christliche Abgeordnete an. Unter den Kabinettsmitgliedern ist nur ein Christ.

Der bekannte Film „Das Lied der Bernadette“ wurde in Anwesenheit zweier kaiserlicher Prinzen und zahlreicher Regierungsmitglieder erstmals in Tokio in japanischer Synchronisierung aufgeführt.

Der amerikanische Gelehrte Prof. Dr. S. A. Waksman, der Entdecker des Streptomyzins, hat den Gesamtertrag aus seinen Patenten der Rudgers Uniwersity in New Brunswick im Staate New York überwiesen, um damit ein Institut für Mikrobiologie zu errichten.

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