6567147-1950_02_13.jpg
Digital In Arbeit

Randbemerkungen zur woche

Werbung
Werbung
Werbung

Unter den von dem Vertreter einer Besatzungsmacht als „neonazistisch“ apostrophierten Organisationen wurde die „Junge Front“ genannt, eine Gruppe junger Österreicher, die „in kritischer Freundschaft zur Volkspartei“ sich die Sammlung und Aktivierung junger Kräfte mit dem Ziel einer politischen Regeneration zur Aufgabe gemacht hat. Vielfach ist das Wollen dieser Menschen noch nicht zur letzten Klarheit ausgereift. Aber es ist unzweifelhaft viel guter Wille da, die Fehler und Irrtümer der Vergangenheit zu meiden. Ein Beispiel hiefür gaben die Delegierten des Wiener Landesverbandes der „Jungen Front“, die gegenüber der Öffentlichkeit ihre Ziele in einer Resolution aussprachen: nach einem Bekenntnis zur Unabhängigkeit und Selbständigkeit des österreichischen Staates lehnen sie, „bei Anerkennung der Notwendigkeit der Aufstellung eines Bundesheeres in der Politik jede militaristische Denkart ab“. Sie bekennen sich zu „einem sozialen Rechtsstaat, der nach den Grundsätzen echter Demokratie geleitet wird“. Deshalb betrachten sie auch als Grundlage für den Wiederaufstieg unseres Volkes „die Neuordnung der Beziehungen zwischen Mensch und Gesellschaft im Sinne des auf den Grundsätzen des Christentums beruhenden Solidarismus“. An der Spitze jeder ,Tat müsse daher „das Bewußtsein der Verantwortung gegenüber dem Nächsten und der Zusammengehörigkeit aller“ stehen. Das ist doch wohl eine unmißverständliche Sprache. Da sollte sich kein „alliiertes Element“ — wie der schöne Ausdruck heißt — Sorgen machen. ,

Als ob wir nicht übergenug an Streit und bösartigen Gefechten und also allen Grund hätten, jedes Fleckchen, wo noch selbsttose Liebestätigkeit blüht, sorgsam zu umhegen, ist nun auch das katholische Caritaswerk das Opfer eines häßlichen Überfalles geworden. Viele tausend erholungsbedürftige Kinder, nicht die Kinder der Reichen, sondern hilfsbedürftiger Familien ohne Ansehen ihrer Partei und Gesinnung bringt das katholische Caritaswerk alljährlich ins Ausland. Die Sympathien für das österreichische Volk und das christliche Mitleid für seine durch bittere Notzeiten bedrängte Jugend haben österreichischen Kindern im Ausland viele Türen gastlich geöffnet, selbst in dem vom Krieg schwer Versehrten Holland. Auch in Spanien, obwohl dieses selbst mit eigenen Sorgen und dem Notstand breiter Bevölkerungsschichten zu kämpfen hat. Immerhin gibt es in einem Lande von -rund 25 Millionen Einwohnern nicht nur Bedürftige, sondern auch solche, die für Werke christlicher Nächstenliebe noch etwas übrig haben, und so haben katholische Private sich erbarmend österreichischer Kinder angenommen und mehreren Kindertransporten eine fürsorgliche Aufnahme gewährt. — Dieses private, jeder Politik und Partei mit Vorsicht und Energie ferngehaltene Liebeswerk ist Zielscheibe eines Angriffes der sozialistischen Presse geworden, die dabei sehr aufgeregt den Spuren der kommunistischen Attacken folgt. Weiß der Himmel, wer den Angreifern den Bären aufgebunden hat: ihm zufolge ist die Caritas nicht ein katholisches Hilfswerk der österreichischen Diözesen, sondern der — Volfcspartei, und die hiefür nötigen Mittel würden von Franco durch eine „besondere Steuer“ aufgebracht, die bisher 40 Millionen Peseten eingebracht habe. Damit „der letzte faschistische Diktator“ den Schwindel aufführen könne, „daß die europäischen Demokratien bereit sind, zu ihm ihre Kinder auf Erholung zu schicken“. In Wirklichkeit benützt die private Hilfsaktion, die spanische Katholiken gestartet haben, weder die staatlichen Jugendheime Spaniens, noch wird sie aus irgendwelchen staatlichen Zuwendungen oder gar Steuern genährt; so wie in der Heimat ihre Kinderauslese ohne Unterschied der Partei erfolgt, so ist auch in dem Abkommen mit dem spanischen Hilfswerk verabredungsgemäß jede politische oder offizielle staatliche Teilnahme ausgeschlossen. — Es scheint, daß einer nur „Franco“ zu sagen braucht, und schon sehen manche Leute weiße Mäuse. Das ist sehr ungesund und besonders bedauerlich, wenn es zu Akten gröblichen Undankes gegenüber Menschen führt, die selbstlos österreichischen Kindern geholfen haben. •

Der „Totoismus“, wie der Volksmund treffend eine Zeiterscheinung benennt, der die Zeichen einer Krankheit nicht fehlen, die neue Wettleidenschaft also, scheint seiner ersten Krise entgegenzugehen. Es mehren sich die Nachrichten von Unregelmäßigkeiten, Betrugsversuchen und Schwierigkeiten rund um die Hunderttausende von Wettzetteln, die allwöchentlich in der Postsparkasse abgeliefert werden. Vermeintliche oder wirkliche Gewinner erhalten ihre Gewinne nicht, weil ihre Wettscheine auf unerklärliche Weise abhanden kommen. Die Staatsanwaltschaft wird für die Fälle von Totoschwindeleien bald ein eigenes Ressort eröffnen müssen. Nein, man wird des Fußballtoto keineswegs froh. Sportlichkeit und guter Sportgeist mindern sich, die Wettleidenschaft wächst; ein nicht unbeträchtlicher Teil der Menschheit ist am Samstag abends keines Gespräches fähig, das sich nicht auf die zwölf Spiele bezieht, deren Ausgang einen einzigen zum reichen Mann machen wird. Und nun haben die Totoskandälchen eine Welle des Mißmuts und der Unzufriedenheit zur Folge, die über ganz Österreich rollt. Man könnte es lächerlich finden, wäre es im Grunde nicht traurig und ein wenig beschämend. Aber es war so vorauszusehen.

Vom „Volkshelden“ zum „Verräter“ ist schon ein zwangsläufiger Schritt. Tito, Rajk, Gomulka, Kostoff, die Reihe wird immer länger. Schon wird der nächste in der Reihe, der bulgarische Ministerpräsident Kolaroff, der Disziplinlosigkeit und ungebührlichen Kritik an Moskau bezichtigt. Aber auch um Anna Pauker und Matyas Rakosi ist es ganz plötzlich offiziell still geworden, während inoffiziell das Gerücht sein zischendes Schlangenhaupt erhob. Sicher sind nur mehr die Toten, der einbalsamierte Lenin auf dem Roten Platz in Moskau und der einbalsamierte Dimitroff. So wie von Lenins einstiger Garde einer nach dem anderen den furchtbaren Sturz in den Abgrund erleben mußte — Trotzki, Kamenew, Sinowjew, Rykow, Radek, Bu-charin, wer kennt heute noch alle die Namen dieser ersten Führergarnitur der bolschewistischen Revolution? —, so erfüllt sich jetzt auch mit unerbittlicher Folgerichtigkeit das Schicksal von Dimitroffs ehemaligen Mitarbeitern und das der selbständigen Köpfe in allen Parteien und Sektionen des Weltkommunismus.

Die Ernennung von Pater Alberto G ori, dem Kustos des Heiligen Landes und Franziskanerguardian des Zion, zum Patriarchen von Jerusalem, ist ein Ereignis von historischer Bedeutung. Sie schließt ein Kapitel geteilter kirchlich-katholischer Autorität im Heiligen Lande. Die Patriarchenwürde Jerusalems ruhte nach dem Zusammenbruch des Kreuz-fahrerkönigreichs. Nach dem Rückzug der Franken gestatteten die Sarazenen nur den Franziskanern dauernden Aufenthalt in Palästina. Ihr Oberhaupt, der „Kustos des Heiligen Landes und Guardian des Zion“, war für Jahrhunderte Repräsentant der Katholiken, gleichermaßen anerkannt vom Papst und Sultan. Mit der allmählichen Europäisierung des Ottomanischen Reiches entwickelte sich die „Custodia della Terra Santa“ zu einer mächtigen Institution, die großen Einfluß in der Levante ausübte. Der Kustos hatte außerordentliche Vorrechte. Er durfte seine Flagge, das alte weiße Kreuzfahrerbanner mit den fünf roten Kreuzen, christlichen Kapitänen verleihen und Persönlichkeiten zu Rittern des Heiligen Grabes schlagen. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts traten weitgehende Veränderungen ein: russischer Einfluß bewirkte die Rückkehr des griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem, der seit dem ersten Kreuzzug ein Suffragan des ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel gewesen war, zu dauernder Residenz in seiner Diözese. Die protestantischen Mächte traten mit der Errichtung des „Bistums in Jerusalem“ auf und Rom ließ das „lateinische“ Patriarchat Jerusalems wieder aufleben. Der erste lateinische Patriarch, seit den Tagen der Kreuzritter, wurde 1845 ernannt. Die Erneuerung des Patriarchats war zu jener Zeit fast ebenso eine Angelegenheit der katholischen Großmächte sowie eine rein kirchliche Entschließung. Der Franziskanerkustos war Bischof von Jerusalem, seine Kathedrale war die Heilige Grabeskirche. Alle anderen historischen Bistümer Palästinas waren längst reine Titel „in partibus infidelium“ geworden. Alle weltlichen Prärogativen des neuen Patriarchen waren traditionell seit Menschengedenken mit dem Amt des Kustos verbunden gewesen. Die Ernennung eines katholischen lateinischen Patriarchen von Jerusalem bedeutete nun eine Teilung der Kompetenzen, die aber nicht scharf abgegrenzt wurden. Daraus ergaben sich Widersprüche, die mehr als ein Jahrhundert überdauerten. Im allgemeinen erwies sich die Kustodie als die Stärkere. Auch unter britischem Mandat blieb sie einflußreicher als das Patriarchat. Als der ehrwürdige Patriarch Barlassina während des Palästinakriegs starb, blieb der Patriarchenstuhl vorläufig unbesetzt. Die jetzt vollzogene Personalunion von Patriarchat und Kustodie bedeutet — so schreibt man der „Furch e“ aus Jerusalem — eine wichtige Stärkung der katholischen Stellung im Heiligen Lande. Pater Gori hat sich wiederholt für die volle Inter-nationalisierung Jerusalems ausgesprochen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung