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Randbemerkungen zur woche

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BEIFALL FÜR DEN FINANZMINISTER ist wirklich selten. Als dieser aber vor dem Nationalrat die Forderung des Alliierten Rates nach Erhöhung der Besatzungskosten mit Nachdruck zurückwies, da folgte allgemeiner Beifall seiner Rede. Inner- und auch außerhalb des Hohen Hauses. Ruhig, aber bestimmt sprach Dr. Margaretha. Von Besatzungskosten, Alliierten-Militär-Schillingen und Alloku-tionen. Ziffern wurden genannt — Millionen. Diese zahlt Österreich, zahlt der österreichische Steuerzahler. Wirklich: Wir haben's getragen sieben Jahr.,. Vnd jetzt sollen es noch mehr werden? Nein, so geht es wirklich nicht weiter. Deshalb wird auch, wie die herbe parlamentarische Kritik betonte, die Bundesregierung mit verstärkter Energie für die Streichung aller Besatzungskosten eintreten und, wenn notwendig, alle Welt auf das schreiende Unrecht an einem kleinen Staat aufmerksam machen: Hier, mitten in Europa, lebt ein Volk, dessen Menschen vor Jahren guten Mutes die Kunde von der kommenden Befreiung aufnahmen. Sie glaubten nämlich an die Versprechungen und Deklarationen der Großen, der Mächtigen, der Siegreichen. Es ist nicht die Schuld dieses Volkes, wenn heute das Wort „Befreiung“ nur mehr unter Anführungszeichen geschrieben wird.

DIE BUDGETDEBATTE ist meist der Augenblick, da in das Dickicht der astronomischen Ziffern des Staatshaushalts Schlaglichter fallen. Sie ist auch der Moment, da die Auswirkungen deutlich werden, welche bei der Aufbringung der Staatserfordernisse durch Gesetze oder, was auch der Fall sein kann, durch von der Öffentlichkeit wenig bemerkte Erlässe eingetreten sind. Und im Kampf der Parteien fallen auf beiden Seiten die Schleier. Säulen der Wirtschaft enthüllen sich als mäßige Träger der Staats-yjirtschaft. Ein Beispiel? Nein, deren zwei! Das Erträgnis der Einkommensteuer der Land- und Forstwirtschaft dürfte sich für 1950 auf sechzig Millionen belaufen, nicht zuletzt dank einer durch Erlaß zugestandenen Sonderberechnung, welche die zum Schutze der Vermögenssubstanz niedrig festgesetzten und oft weit zurückreichenden Einheitswerte auch der Einkommensbesteuerung zugrunde legt. Auf der Gegenseite wird, wie man bei demselben Anlaß erfährt, die Körperschaftssteuer der verstaatlichten Unternehmungen — nach österreichischen Maßstäben vielfach Mammutbetriebe — noch etwas unter der obenerwähnten Grenze liegen. Die gegenseitigen Vorhaltungen beider Teile füllen weder den Staatssäckel, noch können sie die Öffentlichkeit befriedigen. Es ist schließlich Tatsache: beide Gruppen haben alljährlich das Vielfache ihrer Einkommensteueraufbringung an ERP-Hilfen bezogen, während ihre erwähnten Beiträge zu dieser Steuer nur einen Bruchteil jener der Gewerbetreibenden oder der Lohnempfänger ausmachen. Ist es da nicht an der Zeit, an die Grundsätze der Steuergerechtigkeit und der Billigkeit zu erinnern? «

„WER IST HOREISCHY?“ Die Frage gilt jenem Assistenten des 1. Chemischen Instituts der Universität Wien, der in den bewegten Apriltagen des Jahres 1945 bei dem Versuch, das kostbare Elektronenmikroskop vor sinnloser Zerstörung zu bewahren und seinem Institut zu erhalten, erschossen wurde. Daß nun, spät aber doch, die Bundeshauptstadt sich dieses Mannes erinnerte und sein Andenken durch die Benennung einer Straße ehrte, ist für das in Salzburg erscheinende offizielle Organ einer im Nationalrat vertretenen Partei Anlaß zu einer ^ebenso durchsichtigen wie böswilligen Polemik:

„... so bedauerlich der Tod Horeischys auch war, ist die Benennung einer Straße nach ihm jedenfalls sechs Jahre nach den Ereignissen von 1945 vollkommen fehl am Platze. Wir haben Männer der Kunst, der Wissenschaft und der Literatur genug, nach denen keine Straßen in Wien benannt sind. Wer wird nach wenigen Jahren fragen, wer Horeischy war, wer kennt ihn heute noch? Die Namensgebung nach einem kleinen politischen Mitläufer, der im Zuge der drohenden Besetzung durch eine Kugel fiel, ist unangebracht. ...Straßennamen gibt man für Jahrhunderte; für Horeischy der Ehre zu viel!“ Hämische Glossen über einen Toten, eine Verunglimpfung jener Männer, die in kritischer Zeit der Heimat und ihren Menschen die Tage der Schrecken abkürzen wollten, das scheint nicht der richtige Weg zu einer „Überwindung der Vergangenheit“, zu jener „Politik des Schlußstrichs“, von der man gerade an der Salzach gerne spricht.

BEI DER GRÜNDUNG DES STAATES ISRAEL war eines seiner vornehmlichsten Ziele, daß ihn alle Juden der Welt als ihre Heimat betrachten sollten und daß jeder Jude dort als Bürger aufgenommen werden solle. Nach diesem Grundsatz handelte auch die neue israelitische Regierung. Unter dem Druck der politischen Spannungen ergoß sich eine Flut von Einwanderern aus Mittel- und Westeuropa, aus den „Volksdemokratien“ und aus den arabischen Ländern — wo die Juden seit dem Kriege mit Israel als politisch unwillkommen betrachtet wurden, nach Palästina. Die Einwohnerzahl von einer Million stieg in dreieinhalb Jahren um fast 600.000, also um beinahe 60 Prozent. Die Folge: Israel hatte seit 1948 nur einen Export von 40 Millionen, gegenüber einem Import von 300 Millionen Dollar, den es benötigte, um diesen Menschenzustrom zu erhalten. Die Differenz muß durch Spenden und Anleihen aufgebracht werden. So gebefreudig sich die Juden der wohlhabenden Länder erwiesen, so genügt diese Hilfe allein doch auf die Dauer nicht, wenn nicht die Entwicklung der Hilfsquellen des Landes selbst mit dem Bevölkerungszuwachs Schritt hält oder dieser mit ihr in Einklang gebracht wird. Eine solche wirtschaftliche Entfaltung ist aber ein Ziel auf lange Sicht. Zudem waren von den 600.000 Immigranten etwa ein Viertel so alt oder so krank, daß sie der Fürsorge bedürftig waren. So mußte der Grundsatz der „Offenen Türe“ erheblich eingeschränkt werden. Sie bleibt auch weiterhin für Einwanderer aus den kommunistischen und den arabischen Ländern geöffnet. Immgiranten aus anderen Staaten müssen aber in Hinkunft im Alter zwischen 20 und 35 Jahren stehen und sich zu zweijähriger Arbeit in landwirtschaftlichen Betrieben verpflichten. Ein Anteil von 20 Prozent darf auf „unproduktive Einwanderer“ entfallen, wenn sie genügend Mittel haben oder Verwandte in Israel für sie sorgen. Als Herzl vor 50 Jahren Palästina als Heimstätte für die in aller Welt verstreuten Juden forderte, ahnte er wohl nicht, daß die Zuwanderung sich unter solchem Druck vollziehen werde und ihr Ausmaß so radikal begrenzt werden muß.

WENIGE TAGE, NACHDEM DER ÖSTERREICHISCHE VERWALTUNGSGERICHTSHOF sein 75jähriges Bestehen feiern konnte, erinnerte ein Prager Blatt an einen Ausspruch, der in diesem Zusammenhang wiederholt zu werden verdient: „Das Oberste Verwaltungsgericht der Tschechoslowakei, das große Vorbild des Wiener Tribunals vor Augen, wurde durch dieses Beispiel von Anfang an angespornt, Richtung und Niveau seines Vorgängers zu halten.“ Die Worte, die 1933 der damalige Erste Präsident des Prager Verwaltungsgerichts, der spätere Staatspräsident Dr. Emil Hächa, im Vorwort seines Buches über die Verwaltungsgerichtsbarkeit niederschrieb, werden heute freilich nur zitiert, um ihren Verfasser lächerlich zu machen: „Konnte der von der österreichischen Bourgeoisie erzogene Bürokrat eine andere als dem tschechischen Volk der arbeitenden Klasse feindliche Einstellung haben?“ Nun, Minsterpräsident Zdpotocky schlägt in die gleiche Kerbe: In seiner letzten Rede, in der er nach vielen Abschweifungen zu den in verschiedenen Orten ausgebrochenen Streiks Stellung nahm, kam er auch auf die Pensionen zu sprechen, die das volksdemokratische Regime so reichlich auszahlt — völlig freiwillig natürlich und ohne jegliche Rechtsgrundlage, denn: „Welchem Staat haben sie eigentlich gedient? Viele sogar noch im alten kapitalistischen Österreich. Verdienen sie dafür besondere Belohnung und Anerkennung! Halfen sie doch vielfach durch ihren Dienst für den kapitalistischen Staat und seine Regierungen das arbeitende Volk unterdrücken ...“ Von dieser „Unterdrückung“ und den „schlechten Zeiten“ im alten Österreich träumen allerdings heute in der Tschechoslowakeit mehr Leute, als den neuen Herren lieb ist.

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