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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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„GROSSE MÖGLICHKEITEN — IM GUTEN WIE IM BÖSEN.“ So umschreibt ein führendes amerikanisches Blatt die Bedeutung des Bonner Generalvertrags mit den Westmächten. — Dieser ist, nach der Machtergreifung Mao-tse-tungs über ganz China, das wichtigste weltpolitische Ereignis dieser Nachkriegszeit. Das spricht der Westen offen aus, der Osten anerkennt es durch seine Reaktionen. Furcht und Hoffnung der beteiligten Völker, vor allem Frankreichs und Deutschlands, umstehen die Reden der verantwortlichen Staatsmänner. Damit nähern wir uns dem Konkreten: die V Ö l- k er werden die Verantwortung zu tragen haben, in Arbeit und Opfer, für das, was soeben mit Tinte zu Papier gebracht wurde. Aus ihrer Leistung kann mit Hilfe dieses Vertragswerkes ein neues Europa entstehen: wenn, sie jeden Schritt, der nun weite r- gegangen wird im weltpolitischen Ringen, mittragen, mitüberwachen, mitverantworten. Jede Lethargie, jedes Erlahmen, jeder Fatalismus (so: als ob nun „die Räder rollen“ müßten, ohne Möglichkeit, ihren Weg zu beeinflussen) kann aber gefährlichste Folgen zeitigen; so gilt für alle Beteiligten die Parole: nicht sich verfangen lassen im Gespinst eines gigantischen Machtkomplexes, der sich der Beurteilung und Verantwortung durch den einzelnen, das einzelne Volk und seine politischen und weltanschaulichen Verbände entzieht. Der Generalvertrag weist sich damit zunächst aus als eine eminente Belastungsprobe, ein Prüfstand für die innere Reife und Stärke der an ihm beteiligten Völker — für jene und alle anderen: als ein großes geschichtliches Ereignis, dem es wesensgemäß eigen ist, eine Fülle von negativen und positiven Entwicklungen in sich zu bergen und aus sich zu entlassen. Das aber impliziert auch für den skeptischesten Beobachter dieser Tatsetzung die Anerkennung: hier wird Geschichte gewagt. Alle Europäer hoffen: zu ihrem und der Welt Heil.

DIE FREIE WIRTSCHAFT ist ein volkswirtschaftlicher Begriff, dem wie jedem nationalökonomischen Axiom Vorzüge und Mängel zu eigen sind. Soll sie nicht zu einer bloßen Freiheit der Preisbildung hinabgleiten, so erfordert sie ihrem ganzen Wesen nach das Korrelat und Korrektiv der freien Konkurrenz. Den Wettbewerb äuszu- • schalten, fuhirt zu Erstarrungen der Produktionstechnik und des Preisgefüges, die vom Standpunkt der Allgemeinheit bedenklich sind. Bedenklich aber auch deshalb, weil durch Einschränkungen der Wettbewerbsfreiheit das System der freien Wirtschaft gar nicht zum Tragen kommt und ein volkswirtschaftlicher Zwitter entsteht, der, von der Last der Inlandskonkurrenz befreit, zu seiner Lebenderhaltung die Hilfe der Staatsmacht in Form von Einfuhrverboten oder Prohibitivzöllen dem Ausland gegenüber herbeirufen muß. Der „österreichische Volkswirt“ gibt in seiner letzten Folge drei Fälle wieder, die die auf diesem Gebiet eingerissene Begriffsverwirrung eindrucksvoll widerspiegeln. In einem Falle wurde eine von einer Landesregierung verliehene Berechtigung zur Führung eines fahrbaren Büfetts durch drei Instanzen gejagt, bis endlich der Verwaltungsgerichtshof den fahrbaren Würstelstand für rechtskräftig zugelassen erklärte. Nach mehr als dreijährigem Streit hat im zweiten Falle — wieder der Verwaltungsgerichtshof — der Zulassung eines neuen Elektroinstallationsgewerbes in einem oberösterreichischen Orte Rechtskraft verleihen müssen. Nicht besser erging es einem wagemutigen Wiener Schlosser, der in einem zweiten Wiener Bezirke einen Zweigbetrieb eröffnen wollte. Auch für diese Causa mußte der Verwaltungsgerichtshof, der gewiß wichtigere Agenden zu erfüllen hätte, mobilisiert werden. Jedesmal fiel die Entscheidung zugunsten des Bewerbers. Wer aber verfügt über Zeit, Mittel und Nervenkraft, um ein solches Hindernisrennen zu bestehen oder in Kenntnis derartiger Umstände auch nur dazu anzutreten? So kann ein so ernsthaftes Konzept tote das von der freien Wirtschaft schwerlich gemeint sein oder ausgelegt werden.

„DIE AUFGABE DER UNTERNEHMUNGEN ist nicht nur der geschäftliche Erfolg, ein Unternehmen hat auch eine soziale Funktion zu erfüllen. Es soll und muß einer Idee dienen. Wir müssen trachten, daß es eine Leistungsgemeinschaft zur Erreichung eines gemeinsamen Zieles ist. Und das Ziel mag lauten: Das Unternehmen geachtet und wettbewerbsfähig zu halten. Einen Gleichklang der Interessen innerhalb des Betriebes herziistellen und der Öffentlichkeit bestens zu dienen. Es muß unser Bestreben sein, alle unsere Mitarbeiter in einem Teamwork zu vereinen. Das bedeutet: das Gefühl der Zusammengehörigkeit auf Gedeih und Verderb, das Bewußtsein, in irgendeiner Weise einem Elitekorps anzugehören, stolz sein zu können auf die eigene gute Leistung … Und dann wird die Arbeit auch das sein, was jede Arbeit sein muß, nämlich sinnvoll.“ — Selten noch sind die Aufgaben und Erfolge einer Neugestaltung und Vertiefung der menschlichen Beziehungen innerhalb des wirtschaftlich-sozialen Lebens in so klarer und einleuchtender Art formuliert worden wie in den obigen Sätzen, die dieser Tage der Chef eines österreichischen Unternehmens, Dr. Alfred Sturminger (Meinl AG), in einem viel beachteten Vortrag aussprach. Ein Geist vornehmer Führerschaft und tiefer Verbundenheit mit Mensch und Werk spricht aus ihnen —- und nicht zuletzt ein österreichischer Sinn für Tatsächliches und Praktisches. Denn bei aller Achtung vor den mannigfachen ausländischen Bestrebungen — voran Englands „Neuer Humanismus in der Wirtschaft“ und Amerikas „Human Relations“, die schon mehrmals Gegenstand ausführlicher Untersuchungen in der „Furche“ waren — will fast scheinen, als ob damit in Ziel und Methode da und dort bereits über das Ziel geschossen werde. Hier wird einzig und allein die Persönlichkeit des Werkführers regulierend eingreifen können. Und auch dafür erbrachte gerade der österreichische Sprecher einen überzeugenden Beweis, in dem er eindringlichst davor warnte, diese Bemühungen um den Menschen zur Routine, zur angewandten Massenpsychologie, zur T echnik der Menschenbehandlung werden zu lassen. Einen „abscheulichen Begriff“ nannte er die letztere, einen Irrweg, den der Verstand, nicht das Herz gewiesen habe. Der Weg aber liegt klar vor uns.

„KOSMOPOLITEN“: das sind von Haus und Natur aus unzuverlässige Elemente, die sich als besonders anfällig für Individualismus und Internationalismus erweisen, die unausrottbare Sympathien für den Westen hegen, dort auch noch ihre Verwandten und Gesinnungsgenossen haben — und somit die geborenen Agenten für den westlichen Imperialismus abgeben. Seine nahezu klassische Formulierung fand diese kommunistische Gebrauchsterminotogie jüngst in einer Rede des Prager Informationsministers Vaclav Kopecky, der bei dem großen (und noch längst nicht abgeschlossenen) Reinigungsfeldzug innerhalb der tschechischen KP eine besondere Rührigkeit als Ankläger an den Tag legt. „Wir sind uns bewußt“, erklärte Kopecky, „daß der Kosmopolitismus ein ähnliches Produkt jener zynischen, aggressiven Kriegsideologie des amerikanischen Imperialismus ist, wie es der Faschismus und Nazismus war und ist, und daß er daher ein für allemal ausgerottet werden muß. Der Fall der elenden Verräter Slansky, Sling, Reicin, London, Kopold, Löbl und Konsorten hat uns gezeigt, wie die heimtückischen Agenten des westlichen Imperialismus versuchten, auch in unseren Reihen auf titoistische Weise zu arbeiten, indem sie sich des Kosmopolitismus in seiner tr otzkistis ch-zionistischen Form bedienten. Jawohl! Deshalb müssen wir den Kosmopolitismus, dieses ideologische Scheusal, das heute vor den Wagen der amerikanichen Kriegsbarbarei gespannt wird, um so entschlossener vernichten.“ Daß Kopecky in der Namensliste der „elenden Verräter“ nur bekannte Juden nennt, ist nicht weniger bezeichnend als die antizionistische Wendung, die damit der Säuberungskampagne gegeben ist. Schon vor einigen Monaten hatte der Prager Ministerpräsident Zapotocky Jerusalem ein Zentrum kapitalistisch-antikommunistischer Aktivitäten genannt. Auch hier ist die Entwicklung im Verhalten der Sowjetunion vorgezeichnet. Die jüdische Staatsgründung in Palästina schien zunächst in Moskau auf Sympathien zu stoßen. Rußland lieferte Israel Waffen und unterstützte es bei den Vereinten Nationen, offenkundig in der Hoffnung, auf diese Weise einen sowjetischen Stützpunkt im Nahen Osten zu gewinnen. Je mehr sich dann die Beziehungen zwischen Jerusalem und London entspannten, und gerade auch die USA den jungen Staat helfend unter die Arme griffen, desto feindseliger wurde im Kreml die Stimmung gegenüber Israel. Man entsann sich wieder der alten Gegnerschaft des Kommunismus zur „reaktionär-bürgerlichen“ jüdischen Nationalbewegung, und offenkundiger noch als zuvor gingen die Sowjets daran, die jüdische Bevölkerung — heute noch etwa zwei Millionen Menschen auf dem Boden der UdSSR — zu assimilieren und dem Zionismus auf diese Weise den Boden zu entziehen. Israels Ansuchen, die Einwanderung der Ostjuden nach Palästina zuzulassen, werden von Moskau kaum noch beantwortet — wobei man auch durchblicken ließ, daß man die Juden als Arbeitskräfte festzuhalten wünsche.

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