6591852-1952_31_09.jpg
Digital In Arbeit

Randbemerkungen ZUR WOCHE

Werbung
Werbung
Werbung

DIE ALS „INFORMATIONSNOTE“ BE- ZEICHNETE TREFFLICHE ÖSTERREICHISCHE DENKSCHRIFT, die in den letzten Tagen in den auswärtigen Staatskanzleien überreicht wurde, ist eines der erschütterndsten Aktenstücke der Nachkriegszeit. Nicht genug, daß Österreich, obwohl ei, wie völkerrechtlich anerkannt ist, nicht Kriegsteilnehmer war, bis heute nicht die verheißene Wiederherstellung seiner Souveränität erreicht hat. Darin schlechter behandelt als mancher gewesene Feindstaat der Alliierten, sind ihm bis heute Lasten auferlegt, für die nur der barbarische Rechtstitel des Starken gegenüber dem Schwachen geltend gemacht werden kann: da ist neben 6,4 Milliarden Schilling Besatzungskosten die gleichfalls bis Ende vorigen Jahres aufgelaufene Summe von 3,34 Milliarden Schilling an Zöllen, Steuern und Abgaben, die der Wirtschaftsbetrieb einzelner Besatzungsmächte der österreichischen Staatskasse schuldig geblieben ist; da ist der fast gleich große Milliardenbetrag, den die Ausbeutung des österreichischen Erdölvorkommens für fremde Rechnung unserem Lande entzog. Und weiter: 109.452 Hektar österreichischen Bodens sind für militärische Zwecke der österreichischen Bewirtschaftung vorenthalten. Nicht zu reden von den lange nicht heilbaren Wunden, die nach dem Kriege durch Verschleppung der besten Lokomotiven und tausender Waggons, durch Demontagen usw. geschlagen worden sind. Und dies alles geschah und geschieht einem Staate, der, wie die österreichische Information an die Mächte sehr höflich und zeitgemäß erinnert, dem Völkerbund, dem Vorgänger der UNO, seit 1920 bis zu seiner gewaltsamen Besetzung durch Hitler als vollberechtigtes Mitglied angehörte und „während dieser ganzen Zeit loyal an der Erreichung der dem Völkerbund gesetzten Aufgaben zur Sicherung des Friedens mitgearbeitet hat“, dabei hat er „sein Vertrauen auf die Erhaltung seiner Unabhängigkeit in erster Linie auf Artikel 10 der Völkerbundsatzung gesetzt, wonach die Bundesmitglieder sich verpflichteten, die Unversehrtheit des Gebietes und die bestehende politische Unabhängigkeit aller B und e s mit gl te der zu achten und gegen jeden äußeren Angriff zu wahren“.

Die damaligen Mitglieder des Völkerbundes sind heute Mitglieder der UNO, heute so wie damals auf dieselben Ziele, dieselbe sittliche Rechtsordnung verpflichtet. Darauf gründete sich die Zuversicht und der Dank des österreichischen Volkes für die in Aussicht gestellte Wiederherstellung seiner Freiheit und staatlichen Unabhängigkeit, bestärkt durch die Moskauer Deklaration, die im April 1945 durch Marschall Tolbučhin bei seinem Einmarsch in Niederösterreich erfolgte Proklamation an die Bevölkerung und durch das Kontrollabkommen des Alliierten Rates. An die Stelle des Vertrauens trat die bittere Enttäuschung. Denn Wirklichkeit wurde auf österreichischem Boden eine völkerrechtliche Abnormität, eine Mischung von demokratischer Existenz und demokratiewidriger Unfreiheit, ein Geschöpf, das den Vorzug für sich hat, eine Erklärung zu sein, aus welchen weithin wirkenden Ursachen das eingefressene Mißtrauen stammt, das im internationalen Verkehr übernommene Verpflichtungen fragwürdig macht und das ehrliche Friedensgespräch sabotiert. Nicht der Kriegswille dieses oder jenes, sondern der Mangel an Treu und Glauben im Verkehr der Völker verhindert heute die sichere Begründung des Weltfriedens.

EINE NEUE POLITISCHE GEMEINSCHAFT wollen die aus der „Jungen Front“ hervorgegangenen Männer der „Aktion“ mit dem „Verband der Unabhängigen“. bilden, unter einer gemeinsamen Fahne soll die kommende Wahlschlacht gegen die Regierungsparteien geschlagen werden: so die Mitteilung auf einer Wiener Pressekonferenz. Hiemit kommt eine Entwicklung zu ihrem vorläufigen Abschluß, die nach dem übereilten Abschied des Führungskreises der „Jungen Front“ von der Volkspartei — übereilter Abschied übrigens von beiden Seiten — unschwer vorauszusagen war. Vor die Wahl gestellt, in die Wüste zu gehen und in aufreibender Kleinarbeit eine eigene politische Gruppenbildung zu wagen oder ein Übereinkommen mit der parlamentarischen Rechten zu suchen, entschloß man sich für letzteren Weg. Er scheint außerdem der Konstitution und den persönlichen Fähigkeiten der wertvollsten jungen Kräfte in der „Aktion“ besser zu entsprechen, die nur zu gut aus ihren bisherigen Erfahrungen wissen, daß die organisatorische Kleinarbeit nicht ihre stärkste Seite ist. Also versucht man es am grünen Tisch eines Arbeitsausschusses mit dem VdU, wo man das eigene Kräftepotential, überdurchschnittlichen Intellekt, diplomatisches Geschick und gutes gesellschaftliches Auftreten zu eigenem und auch vielleicht zum Nutzen des Partners besser einsetzen kann. Eine „Antikoalition“ ist das Ergebnis. Allein sind in dieser nicht die Gewichte schon jetzt noch viel ungleicher verteilt als in der befehdeten auf der Regierungsbank? Welche Vorzüge einzelne der neuen Männer in die Kombination mit dem VdU mitbringen, wurde schon gesagt. Dagegen steht das offen zugegebene Fehlen von Mitgliedern. Die „Aktion“ kennt nach den Worten ihres Bundesvorsitzenden zur Zeit nur Funktionäre; um die Ausbildung ihrer Kader ist man bemüht. Auf der anderen Seite ist aber im Arbeitsausschuß eine politische Partei mit immerhin 15 Abgeordneten, einer Zellenorganisation in Stadt und Land, einer eigenen Presse und einem bestimmten Personenkreis als Wahlkader vorhanden. Keine Fraget nach welcher Seite sich die Schale neigt!

BATRnCHOMYOMACH1A nannten’s die alten Griechen — und so bizarr, wie uns dieses Wort anmutet, so bizarr mutet uns der Krieg um das Amstettner E-Werk und seine politischen Folgen an. Die Hintergründe des Amstettner Froschmäusekrieges sind kurz die, daß der Niederösterreichischen Elektrizitätsgesellschaft — kurz NEWAG genannt — auf Grund der Gesetzeslage und zweier höchstgerichtlicher Entscheidungen das bisher kommunal geleitete Amstettner E-Werk einverleibt werden soll; nun aber empörte sich darüber das Volk von Amstetten und unterstützte die Arbeiter des E-Werkes, als letztere zweimal den Versuch der NEW AG, ihr Recht anzutreten, in mehr oder weniger „entschlossener“ Weise verhinderten. Damit wird eine durch Gesetz und Richterspruch geklärte Lage in — man mag’s nennen wie man will — durchaus ungesetzlicher Weise zu verwirren gesucht. Dabei ist diese Affäre den Kommunisten natürlich hoch willkommen. Es ergibt sich somit das seltsame Schauspiel, daß die ganz Linken als entschiedene Wahrer bürgerlicher Interessen auf treten, und von der ansonsten gepriesenen Verstaatlichung — etwas anderes ist die Übergabe an die NEW AG nämlich nicht — kein Wort wissen wollen. Die Sozialisten segeln mitten durch: polemisieren aus politischen Gründen gegen die NEW AG und aus wahltaktischen für die Amstettner. Die „Verstaatlichung“ aber findet ihre Fürsprecher in den Reihen der Volkspartei. Verkehrte Fronten, verkehrte Welt…

DEM SCHUTZE DES KINDES GILT IN SOWJETRUSSLAND eine seit mehreren Jahren rasch ansteigende Zahl von behördlichen Dekreten; energische Vorschriften suchen der Jugendkriminalität, den schlechten Einflüssen des Films und der Schund- und Schmutzliteratur zu steuern, sie gehen so weit, die Eltern für Versäumnisse in dieser Richtung strafbar zu erklären. Ein im Mai 1951 für Moskau ergangener Erlaß bestimmte zum Beispiel, daß Kinder unter 16 Jahren nicht ohne Begleitung Erwachsener öffentliche Vergnügungsstätten, Kinos, Theater besuchen dürfen. So hält man es in Rußland. Aber die Spitzen der österreichischen Gefolgschaft kümmern sich keinen Deut um. die „Linientreue“. Der Parteiverlag auf dem Fleischmarkt veranstaltet unentwegt einen richtigen Fleischmarkt. Da gibt es Jugendschriften „Die blonde Fracht in Kairo“, „Verdoux, der Frauenmörder“, „Das Elixier des Lasters“, „Der Würger“ und sofort in Grazie, eine ganze Serie großzügiger Beiträge zur Schundliteratur. Das Jugendamt der Gemeinde Wien hat seine liebe Not, mit all diesem Zeug aus der Gosse fertigzuwerden. Linientreue? Furcht vor den in der Nachbarschaft umgehenden Säuberungsaktionen? Bewahre! Voran geht das Geschäft.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung