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Randbemerkungen zur woche

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FESTIGUNG DER WAHRUNG, strengste Sparsamkeit im Staatshaushalt, ernsthafte Verwaltungsreform, Abbau des bürokratischen Apparates — das sind Begriffe, die zum Grundsatzbestand der Wirtschaftspolitik unserer Tage gehören. In schwerer, gefahrvoller Zeit sind sie schon einmal zu unser athr Glück mit unerschütterlicher Konsequenz erfochten und verlebendigt worden. Vom ersten bis zum vierten, dem letzten Kabinett Seipel stand Dr. Kienböck als Finanzminister, später Präsident und heute Konsulent der Oesterreichischen Nationalbank zur Politik des wertfesten Schillings, der von ihm seinen Namen erhalten hatte. Das heutige Oesterreich tut gut daran, auf diesen unerbittlichen Anwalt der sauberen Ordnung und Strenge in der Staatswirtschaft nicht zu verzichten. Aus Anlaß seines 80. Geburtstages wird das für Volk und Staat geleistete bedeutsame Lebenswerk Dr. Viktor Kienböcks mannigfach publizistisch gewürdigt. Für die Arbeitsgemeinschaften, die in unserem Herold-Hause ihre Werkstätten haben, steht dieser Gedenktag unter einem intimen besonderen Aspekt. Dr. Kienböck ist der Aelteste der noch Lebenden aus der ersten kleinen Gemeinde von Gesinnungsfreunden, die vor der Jahrhundertwende um Ambras Opitz und den Dogmatiker der christlichen Sozialreform Univ.-Prof. Dr. Franz Schindler sich zum Verein „Reichspost“ zusammengetan hatten. Auf dem Wege, der die ersten Pioniere der Wiener christlichen Pressebewegung aus schwierigsten Anfängen von Station zu Station aufwärtsführte — von dem kleinen Abendblatt „Reichspost“ zur modernen Großzeitung internationaler Geltung dieses Namens, zum Bau des großen Zeitungshauses in der Strozzigasse, zur Gründung der Druck- und Verlagsgesellschaft „Herold“ und weiterhin zur Schaffung des „Kleinen Volksblatt“, der ersten katholischen Tageszeitung vom Typ der Massenpresse —, dieser Weg konnte während der nationalsozialistischen Okkupation geschädigt und unterbrochen, aber nicht zerstört werden. Auf ihm war Dr. Viktor Kienböck den verantwortlichen Leitern ein nie fehlender Berater, Helfer und Freund, So spricht aus den Wünschen, die aus dem Zeitungshause in der Strozzigasse dem Jubilar gelten, das dankbare Wissen um seinen vornehmen Anteil an der Geschichte und den Werken dieses Hauses, an harten Mühen, an Opfern und am Erreichten.

AUCH DIE ÖSTERREICHISCHEN STUDENTEN WAHLEN. Sie eilen sogar den Nationalratswahlen um ein gutes Stück voraus und entscheiden am 27, Jänner über die Zusammensetzung ihrer Standesvertretung. Aber Studentenwahlen sind in Oesterreich — man mag es bedauern, aber die Entwicklung nach 1945 ließ keinen anderen Weg— keine rein akademische Angelegenheit, sie entscheiden nicht nur, ob der Kollege X oder der Kollege Y Sprecher und Sachwalter Studentischer “ Interessen ist, durch die Tatsache einer Wahl nach Fraktionen geben sie auch, gleich einem Barometer, Auskunft über Stimmungen und Störungen unter der akademischen Jugend. Bisher stand — alle Hochschulwahlen der Jahre 1945 bis 1951 haben es bestätigt — das Barometer auf „ruhig bis mäßig bewegt“. Die Mandatare der aus allen christlichdemokratischen Studentenorganisationen gebildeten „Union österreichischer Akademiker“ — in den letzten Jahren verstärkt durch unabhängige Fachvertreter zum „Wahlblock österreichischer Akademiker“ — erhielten mehr als die absolute Mehrheit aller Stimmen und besorgten somit weitgehend die Agenden der studentischen Selbstverwaltung. Der „Verband sozialistischer Studenten“ mußte sich, beinahe immer auf Prozente genau, stets mit einem Achtungserfolg von etwas über 20 Prozent begnügen. Der Kommunismus fand unter den österreichischen Studenten ein schlechtes Arbeitsfeld; selbst unter dem Tarnnamen eines Verbandes demokratischer Studenten“ kam er über drei Prozent nie hinaus. An diesem Bild änderte im Jahre 1951 auch nichts Wesentliches das Auftreten einer neuen studentischen Gruppe. Ihr Standort war durch die Unterstützung in der VdU-Presse unschwer zu lokalisieren. Bei den Studentenwahlen 1951 blieb sie im Zentralausschuß hinter den sozialistischen Studenten auf dem dritten Platz. Nicht zu übersehen war aber gerade bei diesen Wahlen die mangelnde Wahlbeteiligung, die an einzelnen Hochschulen nur die Hälfte aller Inskribenten an der Urne sah. Seither sind zwei Jahre vergangen: nicht gerade die leichtesten in der Arbeit der studentischen Selbstverwaltung; einschneidende Ersparungsmaßnahmen in der Verwaltung wurden durchgeführt, nötige — aber auch unnötige — Scharmützel zwischen den einzelnen Fraktionen ausgetragen. Dann kam der große Kampf in der Gebührenerhöhungsfrage. Er endete, wie abzusehen war, mit einem Kompromiß, aber mit einem ehrenvollen und durchaus annehmbaren für die Studenten: Garan-tii weitgehender Ermäßigungen! Trotzdem haken hier — natürlich — alle mit der Verantwortung nicht direkt bedachten Gruppen ein. Vor allem jene vierte Gruppe, jetzt „Ring freiheitlicher Studenten“ genannt, deren Wortführer fast alle das Band irgendeiner der inzwischen restaurierten „nationalen“ Korporationen tragen, macht sich Hoffnungen. Sie wirbt für eine schlagkräftige Studentenvertretung“, Schlagkräftig, geschrieben wie Schläger und Bestimmungsmensur? Sei es, wie es sei: die österreichischen Studenten der Nachkriegsgeneration werden gut tun, den Weg in alte Gassen, die schon einmal zu keinem guten Ende geführt haben, zu meiden.

WENN MAN SOLCHE NACHRICHTEN, WIE DIE VON DER NEUEN TSCHISTKA, von der Säuberung der jüdischen Aerzte in der Sowjetunion hört, die ein Ueber greifen der antisemitischen Welle aus der Tschechoslowakei, Ostdeutschland und Rumänien auf Rußland anzeigen, richtet sich unwillkürlich der Blick auf Ungarn. Und Räkosi ?lst er „unverwundbar“? Das nicht, aber aus anderem Holz geschnitzt. Wir hatten schon einmal darauf hingewiesen, daß er, der kleine Proletarierjude mit den vielen Geschwistern, ein echter Volksmann und „Harun al Raschid“ geworden ist. Seine Mitarbeiter haben einer nach dem andern einen ähnlichen Assimi-lierungsprozeß durchgemacht, wie der ehemals jüdische Setzer gehilf e, jetzt Kriegsminister, Armeegeneral. Parkas, dem kein Russe beigegeben ist, und der jüdische Volkserziehungsminister Revai. Gegen einen Mann ganz anderen Typus richten sich hierzulande die Spitzen des „neuen Kurses“: Georg Lttkäcs, dem bekannten und anerkannten Meister der marxistisch-leninistischen Literaturwissenschaft. Lukdcs stolperte schon vor zwei Jahren. Seine große Schuld war, den absoluten literarischen Höhepunkt aller Zeiten nicht in der Sowjetliteratur erkannt zu haben. Seine Jünger sammelten damals Unterschriften in der alten Garde zu seiner Rettung, was auch gelang. Er wurde bloß sanft auf das Geßde der Weltfriedenskongresse abgeschoben, wo er noch kraft seiner westlichen Beziehungen seine Dienste tun kann und darf, bis die Pflege derselben Beziehungen auch ihm zum Verhängnis wird. In den Tagen des „Völkerkongresses“ hielt Professor Lukdcs im „Institut für Wissenschaft und Kunst“ in Wien einen Vortrag — über die klassische russische Literatur. Ob die Wiener Parteileitung von der Fragwürdigkeit des Redners Wind bekommen hat, wissen wir nicht. Tatsache bleibt, daß der in der glänzenden Rüstung eines weltaufgeschlossenen Aestheten erscheinende, in gepflegtem Hochdeutsch frei redende Lukdcs vor einem leeren Saal, vor nur etwa zwei Dutzend Neugierigen sprechen mußte. Kein einziger Mensch aus der österreichischen Parteiprominenz, aus der tingarischen „Friedensdelegation“ war auf ihn neugierig. Daß auch kein österreichischer Literat auf ihn neugierig war, verzeichnen wir, nicht ohne Bedauern, nur am Rande. Doch wurde das Bild erst damit rund und wirklich aufschlußreich und es lohnte sich schon, dafür die drei Stockwerke der Museumstraße 5 zu erklimmen: das Bild des völligen Isoliertseins eines der Begabtesten jener jüdischen Intellektuellen, deren Wort einst, als es darum ging, dem Kommunismus Weltgeltung zu erringen, sehr viel mehr in der Waagschale wog, als das der Piecks und Gottwalds. Heute behandelt sie der Obrigkeitsstaat schlimmer als ausgediente Schlachtrosse.

PRÄSIDENT EISENHOWER hat sein Amt unter günstigen Auspizien angetreten. Die weltpolitische Lage ist zwar nicht entspannt, an ihren Brennpunkten im Fernen, Mittleren und Nahen Osten aber und entlang des Eisernen Vorhangs doch so weit entschärft, daß dem neuen Staatsoberhaupt der USA jene Atempause gegeben ist, die zum Abtasten und zur Annäherung an den großen kommunistischen Gegenspieler so dringend nötig sein wird. Es mag nicht leicht sein, aus der Sackgasse herauszufinden, in die der Westen seit Kriegsende manövriert worden ist, und es wird noch viel schwerer werden, aus den vorhandenen Plänen, Informationen und Anregungen die bestmögliche Lösung zu ermitteln. Eisenhower hat, wenn uns nicht alles täuscht, die Zeit bis zu seinem Amtsantritt dazu genützt, um seine und seiner Mitarbeiter Pläne auf einen Nenner zu bringen, um eine neue politische Linie zu finden: jetzt gilt es, dieser Politik Form und Fassung zu verleihen. Die Mitarbeiter des neuen Präsidenten sind bereits ernannt — sie wissen also schon Bescheid. Es sind die fähigsten und klügsten Köpfe eines an fähigen und klugen Leuten wahrlich nicht armen Landes. Ob sie, geführt von Eisenhower, die große, entscheidende, von allen erwartete Wendung zum Besseren herbeizuführen imstande sein werden? Das ist jetzt noch nicht die Frage. Einer politisch in zwei Lager geteilten Welt kann nicht von heute auf morgen geholfen werden, es hat sich im Gegenteil gezeigt, daß von einem der beiden Lager keine Hilfe zu. erwarten ist. Der neue amerikanische Präsident und die neue amerikanische Regierung werden also die bisher gemachten Anstrengungen des anderen Lagers verdoppeln und verdreifachen, wenn nötig auch verzehnfachen müssen, um den hüben und drüben Wartenden die erflehte Wendung vorerst wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Die Auspizien sind, wie gesagt, günstig — möge ihre Gunst nicht verscherzt und jede Möglichkeit genützt werden.

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