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Randbemerkungen zur woche

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DIE BÜCHSE DER PANDORA IST GESCHLOSSEN, der Waffenstillstand in Korea ist unter dem Donner der Geschütze nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichnet worden. Auf des Messers Schneide stand bis zum Schluß die Entscheidung. Damit ist der heiße Krieg im Fernen Osten beendet und die indischen Truppenkontingente rüsten sich, sein militärisches Strandgut, die Kriegsgefangenen, die ihre Repatriierung verweigern, in Obhut zu nehmen. Am Anfang dieses dreijährigen Krieges am Rande der Welt, der dabei mehr Opfer erforderte als etwa jener von 1870171, der alle Gescliichtsbücher lullt — stand der Unglücksgedanke der Teilung eines Landes in „Besatzungszonen“ und dies nach so zufälligen Abgrenzungen, wie es ein über Täler, Berge und Flüsse unsichtbar verlaufender Breitegrad ist. Ein Behellsmittel von last unvorstellbarer Primitivität! Aus den beiden Besatzungszonen wurden zwei Staaten, belastet und fortgerissen vom Fluch und von der Dynamik der Gegensätzlichkeit zweier Weltlager. Steht am Ende dieser furchtbaren, mit Millionen von Toten, Verletzten und Vertriebenen erkauften Erfahrung wirklich mehr als ein Ruhen der Waffen? Ist das Wort Waffenstillstand vielmehr eine vorsichtige Umschreibung für „Friede“? Jedenfalls hat sich erwiesen, daß Aggression ein schlechtes politisches und militärisches Geschäft ist, wenn ihr ein fester Wille zur Gegenwehr gegenübersteht. Und das ist ein Erlolg, wenn man sich an die papierenen Proteste, die in der Zeit des Völkerbundes allein jedem Unrecht entgegengehalten wurden, erinnert.

DIE HERZENSAFFÄRE DER PRINZESSIN MARGARET VON ENGLAND hat der sogenannten populären Presse beiderseits des Atlantiks Gelegenheit gegeben, wieder einmal zu beweisen, daß ihr nichts heilig ist, wenn sie eine Chance sieht, aus der Sensationsgier ihres Publikums Kapital zu sclilagen. Was bei der Behandlung und Kommentierung dieser Angelegenheit an Takt- und Geschmaclilosigkeiten geleistet wurde und weiter geleistet wird, konnte bis zur Stunde nur von jenen Blättern übertroffen werden, die unter ihren Lesern eine Art Volksabstimmung darüber veranstalteten, ob es der Prinzessin gestattet sein solle, den Obersten Peter Townsend, der schuldlos geschieden sei, zu heiraten, falls sie dies wünschte; eine Rundfrage also, die sich sehr deutlich gegen alle Personen oder Institutionen richtet — und in diesem Zusammenhang wurde teilweise ganz offen die anglikanische Kirche genannt —, die es wagen würden, die Freiheit der Prinzessin bei der Wahl eines Gatten aus welchen Gründen immer zu beschränken. „Margarets Liebesglück“, dieser tagtäglich wiederkehrende Appell an die Sentimentalität a)es. englischen Volkes hat seine Wirkung nicht verfehlt und der Druck, der dadurch aui die junge Königin ausgeübt wird, ist beträchtlich. Verweigert sie ihre Zustimmung zu diesem Heiratsprojekt, dann wird sie von ungezählten Millionen, die ihr vor zwei Monaten noch begeistert zugejubelt hatten, unmenschlicher Härte gegen ihre arme kleine Schwester geziehen werden. Sagt sie aber ja, so kommt sie in einen orlenkundigen Konflikt mit jenem Passus ihres Krönungseides, in dem sie gelobt hat, dalür zu sorgen, daß die Doktrin und die Disziplin ihrer Kirche unversehrt bewahrt und erhalten bleiben. Mag da manches unklar und umstritten sein und umstritten auch die Frage, welche Bestimmungen des römisch-kanonischen Rechtes von der anglikanischen Kirche noch als bindend betrachtet werden, hinsichtlich der Unauflösbarkeit der Ehe gibt es zwischen den verantwortlichen Vertretern dieser Kirche keine Meinungsverschiedenheit. Die zivile Ehescheidung ist auch von der anglikanischen Kirche nie als eine Trennung dem Bande nach anerkannt worden. Ein anglikanischer Geistlicher, der bei der Wiedervermählung einer geschiedenen Person intervenieren würde, gleichgültig, weshalb oder aus wessen Verschulden es zur Scheidung gekommen war, würde eine sehr ernste Pilichtverletzung begehen. Um wieviel schwerer wiegend der Vorwurf, der gegen die Königin erhoben werden müßte, das nominelle Oberhaupt der Kirche, deren Lehre und Ansehen sie zu schützen eidlich verpflichtet ist, wollte sie ihre Sanktion erteilen zu einem so eklatanten Verstoß gegen das Gebot, wie er da im engsten Kreise ihrer Familie geplant wird: ein Verstoß im übrigen, der, wie die Königin sicherlich sehr genau weiß, von nur allzuvielen als Freibrief lür die Mißachtung des kirchlichen Ehegesetzes ausgelegt werden würde. So ist es nicht die Prinzessin Margaret, sondern Königin Elisabeth IL, der sich jetzt in ihren schweren Sorgen das Interesse und die Teilnahme der Oefientlichkeit zuwenden sollten.

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„DIE WIEDERVEREINIGUNG DEUTSCHLANDS IST KEINE LEICHTE ANGELEGENHEIT, so wenig wie die Einigung Europas, ja sie ist in Wahrheit noch schwieriger. Weder kann die Freiheit noch die Sowjetunion kapitulieren. Es muß ein Kompromiß gesucht werden, das kompliziert ist und viele Zusammenhänge berührt.“ Mit diesen Worten leitete im Frankfurter Rundlunk der Präsident der Europa-Union, Eugen Kogon, eine vielbeachtete

Betrachtung über die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands ein. — Die Nationalisten, die Kommunisten und die Neutralisten haben sich in einer denkwürdigen Allianz gefunden und schlagen ein sehr einlach scheinendes Rezept zur Lösung aller diesbezüglichen Fragen vor: Freie Wahlen, gesamtdeutsche Regierung, Rückzug aller fremden Mächte und dann selbständige Politik einer neutralisierten oder mit gleichen Souveränitätsrechten wie andere ausgestatteten deutschen Regierung. Diese „Lösung“ birgt jedoch tödliche Gefahren für Europa und iür Deutschland in sich: ein dergestalt herausgestelltes Deutschland würde der am meisten umworbene Partner zwischen Ost und West sein. Das wünschen die deutschen Nationalisten, da sie erwarten, auf diese Weise Deutschland wieder zur Angel der Weltpolitik zu machen (wozu Goebbels' Worte in Erinnerung gebracht zu werden verdienen: „Wenn wir einmal abtreten, schlagen wir die

iur zu, aati aer weit aas tloren und behen vergeht“). Das wünschen die Kommunisten, da sie erholten, aui diese Weise ein Vorleld der Sowjetunion schatten zu können, vorgerückt bis an den Rhein, eingeschlossen das Ruhrgebiet ... Das bedenken zu wenig jene Neutralisten, die das Beste iür Deutschland und Europa wünschen, aber nicht bedenken, wie gefährlich ein unbetreutes, nicht in größeren westlichen Beziehungen geborgenes Deutschland für sich selbst und für Europa sein kann. — Nicht ungefährlich ist jedoch auch eine andere vereinfachte „Lösung“: eine enge Allianz zwischen Amerika und Westdeutschland. Diese „Lösung“ ist weder für Rußland annehmbar, das in ihr die Bedrohung und den Ernstfall sieht (wobei sich westeuropäische Fachleute darüber klar sind, daß auch ein nichtsowjetisches Rußland dieselbe Hallung dieser Allianz gegenüber einnehmen würde), noch auch für das außerdeutsche Westeuropa, das sich, man mag zunächst darüber denken wie man will, durch ein dergestalt erhobenes Deutscliland bedroht fühlt. — Bleibt nur ein Drittes: die Wiedervereinigung Deutschlands kann nur parallel und gemeinsam mit der Integration Europas, also zunächst Westeuropas, angestrebt werden. Auf den Teilnehmern an der kommenden Konferenz der Minister der Mbntan-Union-Staaten, die in Baden-Baden über die Europäische (politische) Gemeinschalt beraten werden, lastet also eine große Verantwortung. Noch vor den deutschen Septemberwahlen fallen hier Entscheidungen, die für Europa bedeutungsschwer sind: ob nämlich, im Spätherbst, Europa als ein voll-gewichtiger Partner sein Wort in die Waagschale legen kann, wenn es zu Verhandlungen mit der Sowjetunion über eine Stabilisierung des Friedens in unserem Erdteil kommt, oder ob die gegenwärtige Labilität erhalten bleibt. Die Sowjetunion wünscht Garantien, , daß Deutschland nicht wieder ein Sturmbock und Angriffspotential gegen Rußland wird. Diese Garantie kann Westeuropa geben, wenn es sich selbst integriert. So, daß es nicht zum Tummelplatz östlicher Umtriebe und Zersetzungen und zum Manöverield degradiert wird. Die Verantwortung Westeuropas iür Deutschland ist also nicht geringer als die Verantwortung Deutschlands für Europa. Wer das eine oder das andere gegeneinander ausspielen kann, zerstört beide.

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WENIG VERSTÄNDNIS FÜR DIE FAMILIE und wenig Logik offenbart ein vor wenigen Wochen herausgegebener Erlaß des Innenministeriums, der — sieben Jahre nach Inkrait-treten des Gebührengesetzes 1946 — eine harte Auslegung dieses Gesetzes vorschreibt: Im 12 Abs. 1 dieses Gesetzes heißt es, daß Eingaben, in denen mehrere Ansuchen gestellt werden, sooit mit der Stempelgebühr zu versehen sind, als Ansuchen gestellt werden. Das Innenministerium erklärt nun, daß ein Paßansuchen für Mann, Frau und Kinder unter 15 Jahren ebenso viele Ansuchen enthält als Personen in den Paß eingetragen werden sollen. Ein Ansuchen einer Einzelperson kostet also 6 S Stempelgebühr, das Ansuchen eines Ehepaares 12 S, das Ansuchen einer lüniköpiigen Familie 30 S, das Ansuchen einer Volksdeut-scheniamilie mit iünf Kindern nach Frankreich (Ansuchen ist dreifach einzubringen!) 126 S, nach Holland (sechsfach einzubringen!) 252 S, das Ansuchen allein! Diese unnötige Härte ist außerdem unlogisch und inkonsequent: das Ansuchen um einen Sammelreisepaß lür eine Vergnügungsreise von 30 Personen ist nämlich nicht etwa mit 30 mal 6 S, sondern nur einfach zu stempeln! Außerdem wird mit dem Reisepaß eine Bewilligung erteilt. Das Gebührengesetz schreibt aber vor, daß die Stempelgebühr für Bewilligungen ebenialls so oltmal einzuheben ist, als gleichzeitig Bewilligungen erteilt werden. Eine ähnliche Bestimmung gibt es bereits für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, die wohl im Bescheid die Familie zusammenlassen darf, nicht aber in der Bemessung der nach Personen berechneten Ver-vsaltungsabgabe. — Andere Staaten gewähren großzügige linanzielle Beihilien — in Oesterreich ist die Familie eine unerschöpiliche Einnahmsquelle für den Staat!

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