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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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DR. KURT SCHUSCHNIGG, der gewesene österreichische Bundeskanzler, sagt in seinem Bliche, das sein Handeln und sein schweres Erleben in und nach der österreichischen Staatskrise der dreißiger Jahre darstellt, er wolle damit „nur Zeugnis Oblegen von dem Versuch eines Menschen, sich selbst und seinen Worten, seinem Glauben und seinen Idealen treu zu bleiben, eines Menschen, der kurz, bevor sich sein Schicksal erfüllte, aus innerer Ueberzeugung und ehrlich begeistert, die Worte gesprochen hat: „Rot-Weiß-Rot bis zum Tod.“ — Wer Schuschnigg im öffentlichen Leben nähergetreten ist, der weiß, daß diese Worte ein seelisches Bekenntnis, nicht eine pathetische Phrase waren. Bedrängt von einem übermächtigen, zur Gewalt entschlossenen Gegner, stand er ein dafür mit seiner Existenz. Er verschmähte es denn auch, etwa nach dem Beispiel anderer, zu fliehen, als er es am 11. März 1938 noch hätte tun können. Er trug dann sieben Jahre lang ein hartes Schicksal in tiefer äußerlicher Erniedrigung, ohne sich brechen zu lassen. Man kann in politischem Gegensatz vielleicht Schuschniggs heftiger Widersacher gewesen sein, aber wer die Achtung vor der ehrlichen Ueberzeugung des Gegners, vor leidenschaftlichem Hingegebensein an eine große Idee, für ein Grundgesetz wirklicher Demokratie und Ritterlichkeit gegenüber einem gestürzten, erbarmungslosen Prüfungen ausgesetzten Manne für eine Ehrensache hält, für den kann die Haltung gegenüber Schuschnigg nur eine eindeutige sein. Man kann es begreifen, daß in der Zeit der Hitler-Herrschaft und ihrer Liquidierung so mancher Politiker und Macher der öffentlichen Meinung zu einer solchen Stellung nicht hinfand. Aber es war ein deutliches Zeugnis für die durch gehässiges Geschreibe und Gerede angerichtete Rechtsverwirrung, daß die ZeÜgenladung, die nach seiner Gefangenschaft an den noch im Auslande weilenden gewesenen Bundeskanzler zu dem Prozeß Guido Schmidt die Zusicherung „freien Geleites“ beigefügt erhielt. Als ob ein Staais- feind oder ein Angeklagter dem Zugriff der Gerichte entrückt Werden müßte! Drohungen, die zu gleicher Zeit kolportiert wurden, ob sie nun ernst gemeint waren oder nicht, lieferten den inißtönigen Kommentar. Dr. Schuschnigg, der seine kleine Habe in Oesterreich verloren hatte, entschloß sich, Kränkung und Undank schweigend hinzunehmen und als Fünfziger ein neues Leben in der Fremde für sich und seine kleine Familie aulzubauen. Er hatte die Genugtuung, eine Berufung an die älteste amerika- hlsche Universität westlich des Mississippis zu erhalten; sie sichert ihm eine anständige, keine lukrative Existenz. Doch das Ehrgefühl unseres Volkes war doch stärker als ein verbohrter parteipolitischer Verfolgungswille. Immer häufiger und dringender erhoben sich die Rufe nach der Heimholung des von einem Femgericht mit Nachsicht der Kompetenzen verbannten Staatsmannes. Sie fanden vor zwei Jahren im Frühsommer in der „Furche“ ihren Ausdrück und ein vielfaches Echo. Nadi dem Gesetz verurteilte Kriegsverbrecher waren amnestiert worden — in dem Fälle Schuschnigg war niemand zu amnestieren. So schwieg denn auch fortan das Verlangen nach seiner Heimberufung nicht mehr. Kürzlich wurde es neuerlich in einer einmütigen Kundgebung der berufenen Vertretung der Volkspärtei des Bundeslandes Salzburg erhoben. Wenn eine mit Vorsicht aufzunehmende amerikanische Agenturmeldung eine Wortgetreue Aeußerung wiedergibt, hat Dr. Schuschnigg „durchaus nicht die Absicht, nach Oesterreich zurückzukehren". Ob der gewesene Bundeskanzler In die Heimat zürückkehrt, ohne der Gehässigkeiten zu achten, die ihn hier aus linksradikaler Hetze erwarten, unterliegt seinem freien Entschluß. Was aber zu geschehen hat, weil es die Achtung vor dem Rechte und die Anständigkeit verlangt, das ist der Beweis, daß bei uns hetzerische V e r b a n n u n g s u r t e i I e keine Gültigkeit haben und feder ehrenhafte Oesterreicher das gleiche Recht hat wie jeder andere Staatsbürger und vor allem auch das gleiche Recht auf öffentliche Gutmachung ihm geschehenen schweren Unrechtes.

DON CAMILLO IM GEFÄNGNIS: Auf die Popularität des Journalisten, Buch- und Filmautors Glovannino Guareschi fällt ein schwerer Schatten. Guareschi wurde von einem Mailänder Gerichtshof wegen Verleumdung des ehemaligen Ministerpräsidenten Degasperi zu einem Jahr Gefängnis und mehreren Geldstrafen verurteilt. Es war kein Kavaliersdelikt! Guareschi hatte in seiner rechtsgerichteten Zeitschrift „Candido“ als notorischer Gegner des Regierungssystems gefälschte Dokumente veröffentlicht, nach denen unter anderem Degasperi in einer schweren Stunde des Vaterlandes die Alliierten aufgefordert haben soll, Rom zu bombardieren. Die Verantwortung des Angeklagten war, gemessen an dem schwerwiegenden Delikt, von einer verletzenden Gleichgültigkeit. Er Spielte die Rolle des Clowns, statt, was wohl das mindeste Erfordernis gewesen wäre, sachliche Beweise für seinen „guten Glauben’ zu erbringen oder gar loyal die Leichtfertigkeit seiner Handlungsweise einzugestehen. Die Strafe wurde unbedingt ausgesprochen, da Guareschi schön einmal wegen Verunglimpfung des Staatspräsidenten Einaudi verurteilt wurde und als vorbestraft galt. Das Urteil des Gerichtes traf also keine anima candida. Das Urteil der ernüchterten Leser- und Filmgemeinde „Don Candidos" wird kaum weniger streng lauten.

DIE VERSUCHE MIT DER WASSERSTOFFBOMBE haben in den letzten Wochen einen heftigen Widerhall in den Parlamenten Englands und Frankreichs gefunden. Während die Sowjets ihre Stärke demonstrierten durch die pausenlos rollenden Angriffe gegen die Festung der Franzosen in Indochina, versuchten die Amerikaner, sich eine Ausgangsposition für die Asienkonferenz in Genf durch den Donner der Atombombenversuche zu schaffen. Gegen diese „Kultur der Furcht", die von den beiden gigantischen Weltmächten vermessen genug „kultiviert“ wird, hat in diesen Tagen ein Leitartikel des „Osservatore Romano’ Stellung genommen, der beiden Seilen vorhält: „Die Polemiken, Beschuldigungen und Kritiken, die von beiden Sellen gegeneinander erhoben werden, sind ebenso widerspruchsvoll wie unsinnig. Es gibt nur eine Verantwortung, die von allen gleichmäßig geteilt wird. Sie haben in ihrem Denken und in ihren Sitten die einzigen ewigen Grundlagen verleugnet, die diese Auswirkungen ausschließen. Diese Menschen, die sich auf der Grundlage der Wissenschaft und Technik für fähig und gewillt bezeichnen, das Paradies auf Erden vorzufabrizieren, um die Menschheit von der niederdrückenden Kultur der Gottesfurcht zu befreien, bieten die wissenschaftlich und technisch vorfabrizierte Hölle in der Kultur der Angst.“ — Dieser Aufsatz steht genau in der Linie der Weihnachtsansprache des Heiligen Vaters 1953 und wurde bestätigt durch seine Osterrede 1954: der einzige Leuchtturm, der heute der ganzen Welt unerbittlich klar ihre tödlichen Schatten auizeigt, steht in Rom. Washington und Moskau wissen dies, jedes auf seine Weise — nur die Christenheit selbst vermag, verwirrt im Dunkel ihrer Aengste und Parteiungen, dieses Licht so oft nicht zu sehen. Klar hat es die Stimme aus Rom ausgesprochen: die Verantwortung für die Atomenergie liegt bei allen Menschen. Der „größte Mann", dessen nervöse Finger vielleicht zucken nach dem Taster, det eine apokalyptische Katastrophe auslösen kann, teilt sie mit dem „kleinsten Mann" von der Straße, der ruhig seine Nachttischlampe auslöscht und still Und falsch für sich bemerkt: Mich geht die Sache nichts an ich halte meinen Mund und schweige. — Solange dem Menschen das Wort gegeben ist zur Rede und die Hand zur Tat, solange beide nicht verschlungen sind vom dämonischen Gebrüll der Waffen, so lange hat dieser Mensch, wo immer er stehen mag, die Pflicht, hinzuarbeiten auf eine Konvention der Weltmächte, die den Einsatz solcher Waffen untersagt. Man sage nicht, daß das nur ein Fetzen Papier sein werde; das Abkommen des Verzichts auf Giftgase hat zwei Weltkriege hindurch sich bewährt — eine Unterschrift der verantwortlichen Staatsführer in Ost und West würde sich ins Gedächtnis der ganzen Menschheit eingraben und einem künftigen Eidbrecher und Atombomben-„Sieger" die Schritte lähmen, ja ihn entmachten.

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