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Randbemerkungen zur woche

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DIE ERNENNUNG DÈS PROSTAATSSEKRE- TARS MONT INI zum Erzbischof von Mailand wird in der Weitöifentliclikeit mehriach als das wichtigste „innenpolitische" Ereignis im Raum der Kurie seit der Papstwahl Pius’ XII. bezeichnet. Bisher standen sich in der engsten Umgebung des Heiligen Vaters die beiden Prostaatssekretäre Montini und Tardini als Vertreter einer, wenn der Ausdruck gestattet ist, mehr zeitaufgeschlossenen, ior ¡schriftlichen, und einer mehr konservativen Richtung gegenüber. Montini, der hochintellektuelle, weit; oüene Prälat aus dem italienischen Norden, aus Brescia, und Tardini, der Römer aus Tra- stevere: letzterer ein Mann der Seelsorge, der behutsamen Zurückhaltung, vielleicht auch eines gewissen Integralismus. Man hat in den letzten Jahren in Rom, um Rom und gegen Rom viel von „Machtkämpfen“ in der Kurie gesprochen, zwischen einer gewissen „Linken", der man Montini zurechnete, und einer gewissen Rechten, als deren vornehmen Repräsentanten man Tardini bezeichnete. Wort und Eegriii „Machtkampf treiien jedoch nicht die Tiefe, die innere Dimension der Kirche und ihres Ringens in der Zeit. Die katholische Kirche muß sich mit allen Zeiterscheinungen auseinandersetzen — auf ihre eigene Art und Weise. Eine ihrer Hauptaufgaben besteht ja darin, das Amt des Pontifex maximus zu nützen: oberster Brückenbauer ist der Papst — er will die Gegensätze überwinden, will die berechtigten Anliegen aller Gläubigen und aljer Menschen heimholen in die Hut der Kirche. Das ist leichter gesagt als getan: die Geschichte der Kirche zeigt, etwa in den vielhundertjährigen Auseinandersetzungen zwischen Dominikanern und Jesuiten, daß es sehr verschiedenartige legitime Interessen gibt, die in der Kirche geborgen werden sollen — vom Papste, vom Pontifex maximus. So falsch es also ist, einfach von Machtkämpfen zu sprechen, so richtig ist es, offen anzuerkennen, daß in den beiden hervorragenden Persönlichkeiten Tardini und Montini, in dem „Zögernden" und dem „Bergler“, wenn eine Uebersetzung ihres Namens — nomen est omen — gestattet ist, sich zwei Prinzipien gegenübertreten, die beide notwendigerweise zum vollen Lehen der Kirche gehören: ein mehr auf Bewahrung und ein mehr auf Fortschreiten mitten durch die Zeit gerichtetes Element. — Es war nun schon seit Jahren offen sichtbar geworden, daß Papst Pius XII. dem auf behutsame Bewahrung gerichteten Prinzip immer mehr den Vorzug gab — die Enzyklika „jHumani generis", die Maßnahmen über die Arbeiterpriestermission, eine Reihe anderer disziplinärer Maßregeln sprachen eine deutliche Sprache. Tardini soll nun Kardinalstaatssekretär werden — damit dürfte diese Entwicklung eindeutig auch nach außen hin unterstrichen werden. Das aber heißt nicht, daß das andere Prinzip in die Verbannung geschickt oder gar denunziert wird: wer so dächte, kennt die Fülle und innere Spannkraft der katholischen Kirche schlecht. „Mailand wartet sehnsüchtig auf Sie, den Erzbischof der Arbeiter“: Mit diesen Worten begrüßte Monsignore del Acqua, Substitut im Staatssekretariat, Montini nach seiner Ernennung zum Erzbischof einer Großstadt, die an der vordersten Front im Ringen der Kirche um eine Gewinnung der abseits stehenden Massen steht. Montini geht an die Front. Und er wird, wie Tardini, in Kürze den Kardinalshut empfangen: und wieder werden sie sich gegenüberstehen, bis ans Ende der Tage — die Männer des Bewahrenden und die Männer des hoftnungsfreudigen Aus- schreitens in die Zukunft hinein.

DER SIEG DER DEMOKRATEN bei den amerikanischen Wahlen darf, wenn nicht alle Anzeichen täuschen, von der freiheitlichen und freiheitsliebenden Welt begrüßt werden. Präsident Eisenhower wird die nächsten zwei Jahre mit einer Volksvertretung zu regieren haben, in der im Repräsentantenhaus 232 demokratische und 203 republikanische Abgeordnete sich gegenüberstehen; im Senat haben die Demokraten einen Senator mehr als die Republikaner. Eine äußerst knappe Mehrheit, die aber politisch hochwichtig ist: sie bedeutet die Kontrolle über iene Untersuchunasaus-

schüsse, in denen Männer wie McCarthy bisher ihr Regiment führen konnten. Der Sieg der Demokraten bedeutet nicht, daß bei den nächsten Präsidentenwahlen Eisenhower abtreten muß — es ist voreilig und verfrüht, hier Prognosen zu stellen, denn die Amerikaner wählen einen Mann, einen Menschen, zu dem sie Vertrauen haben können und nicht eine Partei zur Uebetnahme der Präsidentschaft. Der Sieg der Demokraten bedeutet auch nicht eine persönliche Niederlage Eisenhowers: der Präsident der USA darf sich im stillen beglückwünschen, von dem starken Druck befreit worden zu sein, den gewisse radikalisti- sche Kreise und Gruppen in seiner Partei auf ihn auszuüben suchten; diese Männer, für die ,,McCarthy" nur ein Firmenschild v ar, haben eine Niederlage erlitten, das aber heißt; das große amerikanische Volk beginnt sich zu erholen von den Schocks und den Phobien, von den Aengsten, in die es geriet, als es im Korea-Konflikt und angesichts der außenpolitischen Erfolge der Sowjetunion in den letzten Jahren merken mußte, wie schwer es ist, wirklich Weltpolitik zu treiben. Imrper mehr Menschen in den USA wissen heute: Weder große Worte noch große Bomben können die freie Welt in dem großen Ringen mit Asien, mit dem Osten wirksam verteidigen und vertreten. Es bedarf einer großen Ruhe und Gelassenheit, Umsicht und Geduld, um die verschiedenartigen Interessen innerhalb der freien Welt zu vereinigen. McCarthy war es gelungen, das amerikanische Außenamt teilweise zu lähmen, ein guter Teil der fähigsten Diplomaten waren als fellow-traveller, als „Mitläufer" des Kommunismus verschrien worden, weil sie China oder Indien gegenüber eine andere Politik vertraten als jene prahlerische „Politik der Stärke“, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, weil England, Frankreich, aber auch Japan nicht mitmachen wollten. Es ist zu früh, den Tag des demokratischen Sieges vor dem Abend zu loben: ein plötzlicher Wechsel in der Außenpolitik liegt nicht in der Absicht des Präsidenten, liegt wohl auch nicht im Interesse der freien Welt. Es ist aber wichtig genug, daß nunmehr die Chance besteht, daß das innenpolitische Klima in den USA gereinigt wird, daß etwas freiere Luft wehen kann, daß die „Hexenjagden" der McCarthyslen gestoppt werden. Das ist nämlich die Vorbedingung dafür, daß Eisenhower selbst wirklich Herr, im eigenen Hause wird und große Entscheidungen heranreifen können in einer Atmosphäre der Nüchternheit, der Ueberlegung. Praktisch war bis jetzt bereits der Präsident auf eine gewisse stillschweigende Allianz zwischen den republikanischen und demokratischen Männern des Maßes und der Mitte angewiesen. Künftig v ird jede wichtigere außen- und innenpolitische Entscheidung nur durch eine Art Koalition, wie sie ja bereits unter Truman und in Kriegszeiten bestanden hat, durchzusetzen sein. Wenn Eisenhower der Politiker ist, als der er in wohlwollenden Kreisen gilt, dann wird er mit dieser Koalition der Realisten und Konservativen (aus beiden Parteien) nicht schlechter, sondern besser regieren können als bisher. Europa hat jedenfalls nichts zu fürchten: seine Demokratie, seine demokratischen Elemente werden von etlichen Demokraten in den USA besser behütet werden, als von gewissen republikanischen Elementen, die es offen ausgesprochen hatten, daß ihnen ein spanischer Faschist oder ein deutscher Nationalsozialist tausendmal lieber und zuverlässiger erscheint als ein europäischer Demokrat. Und die, wie die Beispiele zeigen, auch nach diesem Grundsatz in den hinter uns liegenden Jahren gehandelt haben. Also ist zu hoffen, daß diese Wahlen auch in das zuletzt mehriach belastete Gespräch USA-Europa, die notwendige enge und herzliche Zusammenarbeit zwischen dem freien Volk in Amerika und den zu wahrer äußeref und innerer Freiheit strebenden Völkern in Europa erleichtern. Das ist eine Angelegenheit, die nicht zuletzt lebenswichtig ist für Oesterreich, das, mehr als man zugeben wollte, in diesen letzten Jahren unter dem Schlagschatten inneramerikanischer Verhältnisse zu leiden hatte

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