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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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DER DURCH MEHRERS TAGE ANDAUERNDE STREIK der Böhler-Angestellten hat die Oeffent- Ikhkeit nicht alarmiert. Keine Züge standen still, der elektrische Strom setzte nicht aus, und selbst für die Martinöfen in Kapfenberg bestand keine unmittelbare Gefahr des Erlöschens. Es streikten ja „nur“ die Schreibtischmenschen . .. Aber gerade das ist das Interessante an diesem Ausstand. Ungefähr 1200 Akademiker und andere Angestellte sahen keine andere Möglichkeit, ihren Forderungen nach gerechten Löhnen Ausdruck zu geben, als m dieser „ultima ratio“ des gewerkschaftlichen Kampfes. Das überraschte selbst die Gewerkschaft, die erst nachträglich und zaudernd sich hinter die spontan ihre Arbeit verweigernden Angestellten in Kapfenberg und in Wien stellte. Ja, wenn die Arbeiter gestreikt hätten, aber so.. . Chemiker, Disponenten und Korrespondenten . . . Verwundertes Kopfschütteln machte die Runde. Es wird jenen vergeben, die wissen, daß die Angestellten der vtrstaatlich- t e n Böhler-Werke heute zu den schlechtest- bezahlten Arbeitnehmern Oesterreichs gehören. Monats b r u 11 o geholter für langjährig angestellte hochqualifizierte Fachkräfte vom 1600 oder 1700 Schilling sind keine Seltenheit. Wie die Nettogehälter aussehen, kann man sich leicht errechnen. Wie ein Hohn muten Verlautbarungen, wie jene von der guten Durchschnittshöhe der Einkommen, an. Sie machen nur auf die große Kluft, die zwischen einigen wenigen Spitzengehiltern und den der übrigen Angestellten besteht, aufmerksam, fEin Elefant, gewogen mit hundert Mäusen, ergibt ein schönes Durchschnittsgewicht pro Tier ) Der Streik ist vorüber, er brachte einen Teiler folg. Was darf man aber von dem Nachspiel halten, in dem die Angestellten nun verpflichtet werden, durch unbezahlte Ueberstunden die ausgefallene Arbeit einzubringen? Das soll man einmal den Männern an den Martinöfen zumuten , ..

DAS HÄTTEN SIE NICHT GEWAGT, ZU HOFFEN: Unter den Teilnehmern an der im September 1952 in Dornbirn abgehobenen ersten Delegiertentagung der Auslandsösterreicher wird es wenige gegeben haben, die eine so rasche und günstige Entwicklung des dort beschlossenen Unternehmens voraussahen, wie sie jetzt, zwei Jahre später, festgestellt werden konnte. Noch wird eine gewaltige Arbeit zu leisten sein, ehe der Weltbund der Oesterreicher im Ausland sämtliche jenseits unserer Grenzen bestehenden Oesterreichervereine und auch die Gesamtheit oder zumindest die große Mehrzahl der nickt vereinsmäßig zusammengeschlossenen Auslandsösterreicher umfaßt: aber schon sind in ihm, verteilt auf

21 Staaten, davon elf in Uebersee, 3t dieser Vereine affiliiert, und damit ist ein gutes Stück Weges nach einem Ziel hin zurückgelegt, dessen Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Sie ist mit dem Satz gekennzeichnet, den der Delegierte der Auslandsösterreicher in Baden-Württemberg bei der eben abgehaltenen Wiener Tagung des Weltbundes unter dem stürmischen Beifall seiner Zuhörer gebraucht hat: „Wir sind und bleiben Oesterreicher und wollen nichts als Oesterreicher sein.“ Worum es sich in erster Linie handelt, ist nicht, wie manche Politiker, die es besser wissen sollten, immer wieder betonen zu müssen glauben, die Festigung eines sentimentalen Bandes zwischen den Auslandsöster- reichern und ihrer österreichischen Heimat, noch auch, so wichtig das. an sich ist, die Förderung, die der österreichische Fremdenverkehr und der österreichische Außenhandel durch eine entsprechende Einflußnahme unserer Landsleute in der Fremde erfahren können. Es geht vor allem darum, in jedem Auslandsösterreicher, unbeschadet der Loyalität, die er seinem Gastlande schuldig ist, das österreichische Staatsbewußtsein wachzuerhalten und seine Treue zum österreichischen Vaterland zu vertiefen. Hier muß ein folgenschweres Versäumnis früherer Zeit gut gemacht werden. Hätten sich in den Zwischenkriegsjahren mangels eines’ entsprechenden Eigenlebens der österreichischen Kolonien nicht so manche Auslandsösterreicher als zugehörig zu den Ausländsdeutschen betrachtet, statt sich mit Stolz zu ihrem Oesterreichertum und zur österreichischen Eigenstaatlichkeit zu bekennen, jeder ein Bannerträger und ehr Botschafter unseres Vaterlandes, dann hätte die jüngste österreichische Geschichte vielleicht einen glücklicheren Verlauf genommen.

DER TSCHECHOSLOWAKISCHE MINISTERPRÄSIDENT, SIROKY, hat sich in einer Versammlung in Prag nach langer Zeit mit den tschechoslowakisch-österreichischen Beziehungen befaßt. Er führte unter anderem aus, daß es in früherer Zeit doch zufriedenstellende Verbindungen mit Oesterreich gab und daß sich die Tschechoslowakei bessere Beziehungen zu Oesterreich wünsche. Wir glauben unter „früher“ nicht allzu weit zurückgehen zu müssen, obschon die Ansichten über die Zeit vor 1911 im tschechischen Volke ebenso eine Läuterung erfuhren wie bei den Slowenen, den Triestinern oder der Bevölkerung des Jrcntino. Wir wollen bloß an den Oktober 1911 anknüpfen, ein historisches Datum insofern, als man damals vom Hradschin das große Wort gelassen aussprach, es werde über kurz oder lang auf dem Wiener Stephansplatz das Gras wachsen. Mangels geeigneter Bodenverhältnisse in der Inneren Stadt ist diese landwirtschaftliche Voraussage nicht eingetroffen. Schließlich durften die Reisenden in Gmünd und Lundenburg wieder in ihren Zugsabteilen bleiben, Kopfschmerzenpulver wurden nicht mehr geöffnet und gekostet aus Verdacht, es könnte Schießpulver sein. Die Sichtvermerke fielen. Es gab viele Schnellzugspaare über Lundenburg. drei (mit dem Karlsbader Bäderzug) über Gmünd, direkte

Wagen über Znaim nach Georgswalde und RHohenberg, zwei Paare über Summerau—Böhmisch-Hör- schlag auf der vielbeuutzteu Strecke von Prag nach Salzburg über Linz, weiter südwärts zur Adria. Heute, um nur diese letztgenannte Route aufzugreifen, hören die Personenzüge in Summerau auf, ein einziger vermittelt den — theoretischen — An-

Schluß nach Prag, und Schnellzüge gibt es keine mehr. Wir wüßten also eine Reihe günstiger Ansatzpunkte zur Verbesserung der Verbindungen. Es sei darüber hinaus noch auf die Stromlieferungen der oberösterreichischen Kraftwerke nach Südböhmen verwiesen, die heute fortlaufen und erweiterungsfähig sind für die energiebedürftige böhmische Industrie. Die Schiffsfrachten auf der Donau von Westen nach Preßburg können leicht erhöht werden, und an einem umfassenden Tarifabkommen aller Staaten bis zum Schwarzen Meer hätte auch die Tschechoslowakei ihren Vorteil. Man könnte sich auch wegen der seltsamerweise ganz eingeschlafenen Fragen über den Ufertausch an der March an den Tisch setzen — wozu freilich eine Absage an die demonstrativ vorgesehene Führung des Oder-Donau-Kanals an Wien vorbei gehört. Wir nehmen billigerweise auch an, daß neben den umfassenden Regelungen über die finanziellen Ansprüche des österreichischen Eigentums in der Tschechoslowakei gesprochen wird, daß unsere Wünsche wegen des Prager Stifter-Archivs in für beide Teile vorteilhafter Weise (Tausch von Archivalien) Erfüllung finden. Schließlich, und nicht zuletzt, wäre die Frage des legalen Grenzübertritts, Ablöse der Propuska und Aufhebung der politisch hentigentierten Visa, zu lösen.

DIE MACHT DES KAISERS VON JAPAN sefl, wie der „Furche“ aus Japan geschrieben wird, wieder zu Ihrem früheren Glanze erhöht werden. Dies wird, wie die größte von Japanern in englischer Sprache geschriebene Tokioter Zeitung ,,Nippon Times“ berichtet, ziemlich offen und bereits in größeren Versammlungen gefordert. Auch die beiden großen politischen Parteien, die Liberalen, die gegenwärtig an der Regierung sind, und die „Progressiven“, welche — die moderne babylonische Sprachverwirrung ist weit fortgeschritten — das Sammelbecken der reaktionären Kreise sind, treten für eine solche Aende- rtmg ein. Der Begriff der modernen demokratisch- konstitutionelfen Monarchie scheint jedenfalls stark an Boden verloren zu haben. Die liberale Partei will dem Kaiser wieder die Stellung eines richtigen Herrschers verleihen, während er jetzt mehr als Symbol bezeichnet werden könnte. Vor allem soll er folgende Prärogative wieder zurückerhalten: Auflösung de Parlaments, Verhängung des Belagerungszustandes, Ratifizierung von Staatsverträgen, Verkündigung des Budgets, Einberufung des Sicherheitsrates, Ernennung der Kabinettsminister sowie anderer hoher Funktionäre, Verkündigung von Amnestien, Entgegennahme der Beglaubigungsschreiben ausländischer Diplomaten und Erfordernis der Zustimmung des Kaisers zu Verfassungsänderungen. Kurz, es sotl der Zustand wiederhergestellt werden, wie er vor dem letzten Kriege bestand Man erinnert steh aber noch allzu gut, wie sich damals die Militärkreise die überragende Stellung des Kaisers für ihre imperialistisch-diktatorischen Ziele zunutze machten, indem sie sich vor dem Volke auf den „kaiserlichen Willen“ beriefen und ihre Aktionen mit dieser Autorität deckten. Sie bestimmten damals die Politik der Nation in unheilvoller Weise. Die gefürchtete Militärpolizei (Kempei) unterdrückte Gegenbewegungen und Ausstände unter Berufung auf den dem japanischen Volke geheiligten vorgeblichen Willen seines Herrschers und mißbrauchten so dessen Patriotismus. Und eben zur Stärkung des Patriotismus sotl nun die Stellung des Kaisers wieder in altem Glanz erhöht werden! Das japanische Volk fällt im politischen Bereich leicht aus einem Extrem ins andere. Dem Willen der Starken, ihre Macht zu mißbrauchen, entspricht in Japan nur allzusehr die Neigung der Schwachen, sich widerspruchslos zu unterwerfen. Die Gefahr einer Wendung nach rechts, ins ultranationale Fahrwasser, ist in letzter Zeit deutlicher geworden. Während der Kommunismus nach wie vor wenig Chancen hat. ist eine Schwenkung zu einem neuen Faschismus nicht von der Hand zu weisen. Der M’’R- erfole der Weltreise VosUdas. der stets zunehmende Bevölkerungsdruck, der Rohstoffmangel und die Exportschwierigkeiten verstärken diese politische Malaise.

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