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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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SCHATZGRÄBER IN OBERÖSTERREICH! Es fing gewiß ganz harmlos an. Im Strom der Urlauber und Touristen aus der Deutschen Bundesrepublik erschien eines Tages auch ein Herr Wolff am rotweifjroten Schlagbaum. Als Beruf stand möglicherweise Versicherungsangestellter oder auch Handlungsreisender in seinem Paß. Es bestand nicht der geringste Grund, dem Fremden, der vielleicht in Oesterreich alte Geschäftsfreunde besuchen wollte oder ein besonderer Liebhaber der österreichischen Landschaft ist, die Einreise zu verwehren. Und Herr Wolff besuchte auch wirklich alte „Geschäftsfreunde“, er zeigte in der Tat Interesse für Oesterreichs Fluren und Wälder. So grofjes Interesse, daß er, unterstützt von seinen Freurden, mit Krampen und Schaufel bewaffnet, irgendwo im Land ober der Enns die Erde eines näheren Augenscheins unterzog. Ergebnis: ein Eiskasten wurde gehoben, der Schmuck, wertvolle Gemälde und Juwelen, die von der ehemaligen SS-Leibstandarte „Adolf Hitler“ auf ihrem Rückzug aus Ungarn bis knapp vor ihrer Gefangennahme durch die Amerikaner als „Beute“ (Schau, schau: bisher haben wir geglaubt, daß so etwas nur die bösen Russen taten . ..) mifgeführf hatten. Mit dem gehobenen Schatz im Reisegepäck verlief} Herr Wolff, nach einem fröhlichen Umtrunk, das Land. Soweit die Goldgräber-Story, die in diesen Tagen durch die Presse ging. Wenn die Geschichte wahr ist und nicht in die Bezirke der zur Saurengurkenzeif auftauchenden Seeschlange gehört, so scheinen unsere zuständigen Sicherheitsbehörden etwas hochsommerliche Ermüdungserscheinungen gezeigt zu haben.

BUNDES KAMPFSPIELE DER DEMAGOGEN! In einem sonst ganz ausgezeichneten Artikel schreibt Franz Kreuzer in der „Zukunft“ vom Juli 1956, „Der Wahlkampf hat bewiesen, dafj uns die OeVP an Demagogie überlegen war — sonst nichts“. Der Autor will also sagen: t. hat auch die SPOe den Wahlkampf „demagogisch“ geführt, nur hafte sie das Pech, einen Gegner vor sich zu haben, der ihr in der Praktizierung der Techniken der Demagogie überlegen war. Nun kommt es bei der moralischen Wertung politischer Handlungen (wie im Strafrecht) nichf allein auf den Effekt an, sondern auf die Absicht. Und nun gesteht der Autor im parteiamtlichen Organ der SPOe, dafj seine Partei die „Demagogie“ als Methode des Wahlkampfes, wenn freilich nicht sehr erfolgreich, anzuwenden suchte. In diesem Zusammenhang sei uns erlaubt, zu sagen, dafj man das Wort „Demagogie“ in der letzten Zeit gar zu leichtfertig zu gebrauchen scheint. Die so überlegen tuenden waschechten Uebef- und Unparteiischen sind in eigener Sache keineswegs immer geneigt, sich an ihren Moralkodex zu halten. Man denke an die Verhältnisse bei der in politischen Dingen so vornehm über den „Dingen“ stehenden Skandalpresse. 2. Weiter disqualifiziert der Autor des oben angeführten Artikels seine Partei für den Fall, daß sie einmal eine Wahl gewinne. Wenn der Wahlkampf nur vom besseren „Demagogen“ gewonnen werden kann, ist er doch an sich eine durchaus unmoralische Angelegenheit, wobei die Verlierer eben durch ihr Fiasko beweisen, wie moralisch und undemagogisch sie gehandelt haben. 3. und letztens — das gilt für alle politischen Gruppen — sollten alle, die in der Demokratie die richtige politische Lebensform sehen, darauf Bedacht nehmen, dafj die Diffamierung einer politischen Gruppe die Demokratie an sich diffamiert. Gerade die Blofjstellung untereinander war es, welche den Parteien vor 1933 etwa in Deutschland jeden Kredit der Massen kostete und die Errichtung von „Bewegungen“ und einer Diktatur geradezu als notwendige Lösung erscheinen lieft. Auch der Gegner hat eine Ehre! Das sollten beide Seiten beachten.

„LASST EUCH VERSÖHNEN MIT GOTT“: der

7. Deutsche Evangelische Kirchentag in Frankfurt am Main vereinigte beim Schlußgoffesdiensf 500.000 Menschen aus Ost- und Westdeutschland. Die oft ärmlich gekleideten, ernst sehenden Menschen aus der „Zone“ allein hätten schon genügt, dieser grofjen Gemeinde suchender Menschen ein unvergeßliches Zeichen aufzuprägen, das allerhöchste Beachtung gerade bei den Katholiken verdient: das Zeichen der Aufrichtigkeif. Hier wurde ja die Kirche nicht als leuchtende Stadt auf dem Berge vorqestellt. sondern als eine Gemeinschaf' von Sündern. I n der Kirche, so wurde da einbekannt, stimmt es heute nicht mehr; von der Wurzel her stimmt es nicht. Wie der Berliner Bischof Dibelius in einer Predigt sagte: Durch alle Diskussionen des Kirchentages sei wie ein roter Faden die Sorge gegangen, bei uns stimmt etwas nicht; dahinter habe die geheime Angst gestanden, dafj Goft des deutschen Volkes überdrüssig werden und es absterben lassen könnte, . um seine Kirche aesünderen Völkern zu überlassen. — Es wäre Pharisäismus und eine völlige Verkennung der wahren Lage aller Christen n der Welt von heute, würden wir Katholiken angesichts der hier oft und sehr klar ausgesprochenen Bekenntnisse, keine Lösungen auf große und brennende Welt-fragen von heute zu wissen, behaupten, diese unsrerseits bereits in der Tasche zu haben. Es wäre wahrhaft zu wünschen, daft mehr Katholiken in Hinkunft bei evangelischen, und mehr Protestanten bei katholischen Kirchentaaunaen anwesend sind: beide haben sich mehr zu geben, als sie off wissen. Wie aufnahmebereit sich unsere protestantischen Brüder hier in Frankfurt erwiesen, zeigt die Forderung der Arbeitsgruppe „Kirche und Gemeinde“, von der Beichte wieder mehr Gebrauch zu machen. — Eine der stärksten Persönlichkeiten des Kirchentages, Generalsuperintendent Jacob aus Cottbus, malte aus den Erfahrungen der Ostzone heraus ein lebendiges Bild von den inneren Versuchungen des Christen in der heutigen totalitären Welt. Wer auch dürfte sich der dringenden Bitte der jungen Generation („Laienfragen an die Kirche“), echte Autorität zu präsentieren, verschließen? „Wir sind keine Halbstarken, die jede Autorität ablehnen. Wir sind nicht gegen die Eltern und gegen die Schule, nicht gegen die Kirche und den Staat, nicht gegen die Polizei und den Chef. Wir suchen Autorität, aber wir finden oft nur Anmaßung und Macht. Oft nur unverständliche Befehle und schwankende Meinungen. Nur wenige wagen noch, uns die ganze Wahrheit zuzumuten .. . Bedenkt, daft Autorität nichf von der Anmaljung kommt, sondern von der Hingabe. Wir wissen das von Gott. Gott ist Autorität, denn Gott gibf sich hin. Darum stellen wir die Gegenfrage: Wo ist unter uns Hingabe?“ Die echte „politische“ Bedeutung dieses Frankfurter Tages ist viel weniger in der Anwesenheit des westdeutschen Bundespräsidenten Heuss und des ostdeutschen stellvertretenden Ministerpräsidenten Nuschke und des Volkskammerpräsiden-fen Dieckmann zu sehen, als in der machtvollen Bekundung des gesamtdeutschen Protestantismus, zusammenzustehen als Brüder in Ost und West und die Geduld nichf zu verlieren. Das offizielle Schlußwort bekennt: „Zu der ersehnten Wiedervereinigung haben wir neue Zuversicht gewonnen. Wer Mut und Geduld verliert, vergißt, dafj Gott im Regiment sifzf. Wir wollen uns nichts mit Gewalt nehmen und wir dürfen unser Gewissen nicht verkaufen. Wenn wir das wissen, haben v/ir die Freiheif, für die Wisder-vereinigung unseres Volkes auch große Opfer zu bringen.“ Das ist, in der legitimen Sprache alfluf herischer Tradition, eine direkte Antwort auf die Mah-nunq Papst Pius XII. an das deutsche Volk — anläßlich Dr. Adenauers letztem Rombesuch, die Geduld nicht zu verlieren und opferbereit zu sein, weil nur in dieser Gesinnung die Osfprobleme des deutschen Volkes gelöst werden können.

' KANAL UND COLONEL. Die bemerkenswert entschlossene Haltung der französischen Regierung im Suezkanalkonflikt und die Stellungnahme der Zeitungen, die, mit Ausnahme der kommunistischen Blätter, eine in Frankreich äußerst seltene Einheit dokumentierten, wurde von zahlreichen Beobachtern mit den gefährdeten Positionen und dem „Missionsbewußtsein' Frankreichs in Nordafrika in Verbindung gebracht. Am Suezkanal entscheidet sich das Schicksal Algeriens, wollte man damit sagen, und man verstand, daß Frankreich damit gute Gründe hat, dem wachsenden Prestige des Obersten Nasser in der arabischen Welt entgegenzutreten. Die Wirklichkeif sieht indessen etwas anders aus. Es ist wahr, daß ein gewisser' Teil der französischen Presse, vor allem der rechtsgerichtete, seit langem und nicht erst seit dem Akufwerden des Suezkanalkonflikts, die Gefahr an die Wand malen, Nasser werde es gelingen, in einem heiligen Krieg aller Mohammedaner die Franzosen in das Meer zu werfen — eine Vorstellung übrigens, die zugleich die Kreuzzugsidee unter den französischen Katholiken in sich birgt, wogegen aber kirchliche Kreise in Frankreich und im Vatikan sich mit aller Deutlichkeit ausgesprochen haben. Es wurde ferner bekannt, daß Oberst Nasser selbst in seinem „Mein Kampf“, der den Titel „Die Philosophie der Revolution“ trägt, den klassischen Anspruch des Diktators auf die Totalität: auf die totale Mobilmachung aller Mohammedaner und nicht nur der Araber — Nasser nennt dabei die Zahl 400 Millionen! — unter der Führung Aegyptens ausgesprochen hat. Diesen Illusionen von hüben und drüben ist jedoch entgegenzuhalten: die arabische, geschweige denn die mohammedanische Weil ist alles andere als einheitlich. Unter den arabischen Völkern des Nahen Ostens und auch Nordafrikas herrscht eine nur momentan verdeckte Rivalität sowohl in wirtschaftlichen Fragen als auch was die historisch bedingten territorialen, kulturellen Ambitionen dieser Völker betrifft. Selbst auf den ersten B'ick gemeinsame Interessen in Palästina oder in ihrer Gegnerschaff zu den Franzosen und Engländern vermögen sie nicht auf längere Zeit zu einigen. Es ist durchaus zu erwarten, daß je aggresiver und laufer Nasser wird, desto saurer darauf die Führer etwa Marokkos und Tunesiens reagieren werden. Einsichtige Kreise in Frankreich vertreten also den Standpunkt, daft man in Oberst Nasser keineswegs den Worfführer der arabischen Welt sehen darf, sondern, nach seinen eigenen Worten, „den Spieler“, der sich über öffentliches Recht und Moral hinwegsetzen zu dürfen glaubt. Der französische Publizist Maurice Duverger drückt die Aufgabe, die es am Suezkanal zu bewältigen gibt, mif folgendem Bonmot aus: Nichf der Kanal soll kolonisiert, sondern der Colonel (Nasser) kanalisiert werden...

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