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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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AM ACHTEN GRUNDUNGSTAG DER NATO

warnte der sowjetische Rundfunk Westdeutschland, Holland und Großbritannien vor sowjetischen Vergeilungsschlägen mit Atomwaffen, wenn nämlich diese Länder den Einsatz amerikanischer Atomwaffen von ihrem Hoheitsgebiet aus gestatten. Zuvor hafte in den letzten Wochen Bulganin in mehreren Noten die skandinavischen Staaten mit Warnungen und Drohungen eingedeckt. Zugleich hörte man von der Errichtung sowjetischer Abschufjbasen für Raketen in Ungarn. Was steckt hinter dieser massiven Propaganda des Schreckens? Die Sowjets befinden sich seit dem ungarischen Aufstand und seinen weltweiten Wirkungen in einer mifjlichen Lage. Die Satelliten haben sich als unsichere und schwache Verbündete erwiesen, die großen Freunde, China und in gewisser Hinsicht auch Indien, beobachten jeden Schritt der russischen Macht gerade auch in Osteuropa mit Mifjfrauen. Während eine Welle von Abscheu über die Gewalttaten in Ungarn um die Welf ging, haben die Amerikaner ihren Atomring um die Sowjetunion immer dichter und lückenloser geschlossen, England und Frankreich verbinden sich seit der qememsomen Nasser-Aktion militärisch und politisch wie in den härtesten Krisen tagen der beiden letzten Weltkriege. Der mit riesigem Pomp in diesen Tagen gefeierte Staatsbesuch der Königin Elisabeth in Paris demonstriert diese Allianz, die nunmehr eindeutig eine Spitze gegen Rufjland hat. Kurz zuvor hatte ein deutscher General, Dr. Speidel, in Paris, eingeführt von seinen französischen Kollegen, das Oberkommando eines wichtigen NATÖ-Abschnittes übernommen. Dr. Adenauer, zurück von Persien, wo die Sowjetunion ebenso wie in der Türkei den wachsenden deutschen Einfluß mit Bitterkeit vermerkt, hat soeben sich für die Ausrüstung der Bundeswehr zunächst mi. taktischen Atomwaffen ausgesprochen, und die Frage, ob sie später auch mit „grofjen atomaren Waffen” ausgerüstet werden soll, offen gelassen. Die Aufrüstung Deutschlands stellt nun an sich schon für die Sowjetunion eine

Sehr unangenehme Tatsache dar; Nun spielt im immer heißer anlaufenden deutschen Wahlkampf die Auseinandersetzung ‘über die Stapelung alliierter Atomwaffen und die Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen eine große Rolle. VersfändMch, daß die Sowjets daraus Kapital schlagen wollen. Könnte es auch eine wirkungsvollere Unterstützung ihrer Atom-Drohungen geben als die Annahme, die den letzten NATO-Matiövern in Westeuropa zugrunde lag: am ersten Kriegstag galt da bereits Hamburg, Köln, Frankfurt als totalzerstört durch sowjetische Atomangriffe, die wichtigsten militärischen Versorgungslager vernichtet, die deutschen verkehrswichtigsten Strafen überfüllt von Flüchflingsströmen. Dieses Schaubild des „Schwarzen Löwen’ (unter diesem Stichwort liefen die letzten NATO-Manöver) spricht für sich. Ungewollt wirkt es sich zugunsten der sowjetischen These aus, die jetzt den Westdeutschen vorgesfellt wurde: daß nämlich, wenn die Bundesrepublik so weiter mache, Deutschland zum primären Einsafzraum der Atomwaffen beider Weltmächte werde: der amerikanischen, um den russischen Vormarsch zu stoppen, der sowjetischen, um die gefährlichste Angriffsbasis gegen die Sowjetunion zu vernichten. — Die papierenen und per Funk ausgestrahlten Drohungen werden durch neue Atombomben- versuche in beiden Hemisphären gespenstisch beleuchtet. Hier ist denn aber auch der Angelpunkt, an dem eingesetzt werden mufj. — Der Heilige Vater hat mehrfach im letzten Jahr, Japans Regierung hat vor kurzem dringend die Weltmächte aufgeforderf, diese „Versuche" einzusfellen. Diese „Experimente’ stellen nämlich ein Spiel mit dem Schrecken, eine massive Drohung gegen den jeweiligen anderen und eine gefährliche Gewöhnung des eigenen Volkes an die Praktizierung der Atomwaffen dar. Wer dutzendmal bereits Atombomben zum Einsatz gebracht hat, und sei es auch nur in „Manöver’- und Versuchsgelände, scheut vor weiterer Verwendung nicht zurück. Hier haben sich die konkreten Friedensarbeifen der UNO und aller redlichen Makler des Weltfriedens zu konzentrieren: Zuerst gilt es, die permanenten Afom- waffenübungen einzusfellen, dann kann weiter- gesorochen werden. Wenn die Afomwaffen- probeeinsäfze in aller Welt eingestellt werden, bleiben die sowjetischen Drohungen im leeren Raum hängen und führen nur das herbei, wos die Sowjetunion verhindern möchte: die vollständige Isolierung Rußlands, das heute bereits umgeben Ist von Gegnern und fragwürdigen Freunden.

„SCHMUTZIGE HÄNDE”: Dos ist der Tifel eines aufsehenerregenden Leitartikels in der letzten Sonntagsnummer der gröfjten westdeutschen Zeitung. Er sefzf sich mit der Tatsache ause!nonder, daß im gegenwärtigen deutschen Wahlkampf gerade leider auch von seifen der Regierungsparteien mit Denunziation und Verleumdung unangenehmer gegnerischer Persönlichkeiten gearbeitet wird. „Die grofje Zeit der schäbigen Nachrichfenhändler und berufsmäßigen Materialsammler, der geschulten Verleumder und Hintertreppeninformationsmakler, der Ehrabschneider und Zwischenträger ist gekommen, und mancher Volksvertreter mit klingendem Namen schämt sich nicht, sich solcher Kreaturen zu bedienen, ihre falschen oder richtigen Dokumente zu kaufen oder sie auf die Jagd nach etwaigen dunklen Punkten aus der Vergangenheit politischer Gegner in den Dschungel zu schicken. Da werden obskure Blättchen, im freien Konkurrenzkampf nicht lebensfähig, aus trüben Quellen gespeist, damit sie nach Herzenslust Ehrabschneidung und Rufmord betreiben und angebliche Skandale enthüllen, wobei sie (zu Unrecht) bald die Sache der Vertriebenen, bald die der Soldaten, bald die der Katholiken zu vertreten vorgeben.’ Warum verweisen wir auf diese innerdeutschen Affären? Weil wir ver wandte Exzesse auch aus unserer österreichischen Vergangenheit kennen und wissen, dafj diese Versuchung für manche Politiker heute wieder gegeben ist. Mögen unsere Hände rein bleiben: in diesem aeqenwärtiqen österreichischen Wahlkampf und in den künftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen. Nichts schadet einer an sich guten Sache, so sehr, als Versuche, sie mit schmutzigen Waffen zu verteidigen. Das gilt am Rhein und an der Donau.

DIE BORA IN TRIEST machte schon manchen Blütentraum zunichte. Es scheint, dafj die rauhe Luft seit dem Londoner Abkommen von 1954 den blumigen Hoffnungen der Politik Streich um Streich spielt und alle Bemühungen, in diesem politischen Wetterwinkel wenigstens wirtschaftliches Schönwetter herbeizuzaubern, beharrlich zunichfe macht. Nach Ostern wird die paritätische österreichisch-italienische Kommission für Triest in dieser Stadt, die 536 Jahre zu Oesterreich gehörte, zusammentrefen. Man erwartet sich österreichischerseits sicherlich keine Föhneinbrüche in die rauhe Atmosphäre, aber die Stadt und wir rechnen doch wenigstens aut die Einlösung gegebener Versprechen. Nach Ostern will man sich mit der leidigen Frage der Schifffahrtslinien befassen. Der Gesetzentwurf über die neuen Abkommen mit den vier verstaatlichten Reedereien überläfjt dem Handelsminister die Verteilung der Linien auf die einzelnen Häfen. Wenn man nun erwähnt, daf; der Handelsminister kein Triestiner ist, kann man sich die Pläne über rdie Verteilung der Linien ungefähr; öusmalen. Das im Herbst vorigen Jahres abgeschlossene Uebereinkömmen zwischen Oesterreich und Italien, das vorwiegend Verkehrsinferessen an der Adria tangierte, ist nicht durch entsprechende Ausführungsbeslimmungen wirksam gemacht worden; ja mehr (oder weniger!): die italienische

Regierung hat in dem abgelaufenen halben Jahr weitere Schiffahrtslinien von Triest nach Genua abdirigierf, das sich höchst energisch an Mailand und die lombardische Industrie um Unterstützung durch entsprechende Verfrachtung gewandt hat. Im Jahre 1955 hat man bereits eine eigene Kommission aus Rom nach Triest zu Sfudienzwecken geschickt; das Ergebnis ist an der Rede des Präsidenten der Handelskammer Triest, Professor Luzzafto Fegiz, abzulesen gewesen. Man erfuhr, dafj es betreffs Triest überhaupt noch keine Planung gäbe! Noch immer sind traditionelle Schiffahrtslinien ab Triest nicht wiederhergestellt; noch immer werden auf Triesfer Werften mit ERP-Mitteln hergesfellte Schiffe entgegen dem Geiste der amerikanischen Wirtschaftshilfe an andere Häfen überstellt und dadurch die Verfrachfungsmöglichkeiten für Oesterreich verschlechtert, das 59 Prozent aller ankommenden und 86 Prozent aller abgehenden Güter stellt. Zu alledem ist die Haupfverbindung zum Hafen, die Eisenbahnlinie Tarvis—Triest, noch immer eingeleis g. Es wird daher Aufgabe der österreichischen Delegierten zur paritätischen Kommission sein, unserem Vertragspartner klarzumachen, dafj — auf die Dauer gesehen — der Außenhandel Oesterreichs die offenkundige Bevorzugung der Häfen des Tyrrhenischen Meeres mif einer Bevorzugung atlantischer Häfen für seine Frachten beantworten könnte.

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