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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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USA-MISSVERGNUGEN AN ÖSTERREICH! Bundeskanzler Raab sprach es nach seinem letzten Besuch in Washington offen aus, daß er sich mit John Foster Gulies schwer tat, als er auf ein erbetenes' amerikanisches Entgegenkommen bezüglich der Erdölansprüche angloamerikaniseher Firmen und auch anderer wirtschaftlicher Forderungen an Oesterreich zu sprechen kam. Nun hat das amerikanische Außenministerium die Freigabe der Jahresquate 1 9,5 8 der Marshall-Plan- Gegenwerfsfonds für Oesterreich immer noch nicht bewilligt. Man bring) diese Verzögerung mit der noch nicht erfolgten Abfindung der amerikanischen Erdölfirmen, mit der noch nicht gelösten Frage der Rückgabe jüdischer, deutscherseits in Oesterreich beschlagnahmter Vermögen und mit amerikanischem Mißbehagen an Oesterreichs Regierungspolitik dem Osten gegenüber in Beziehung. Wobei namentlich der Besuch des Heeresministers Graf in Moskau genannt ist. Nun weiß alle Welt, daß der Moskaubesuch Grafs in der Reihe der Informationsbesuche steht, die, nach denen der Schweiz, Schwedens, Frankreichs und Italiens auch den beiden größten Militärmächten der Welt, der UdSSR und USA, gelten. Es ist an ,der Zeit, die Haltung gewisser amerikanischer Regierungsstellen und gewisser amerikanischer Wirtschaftskreise — es gibt hier und dort auch andere — österreichischerseits ruhig und klar zu beobachten, zur Kenntnis zu nehmen und darauf richtig zu reagieren, Oesterreich besitzt sehr im Unterschied zu nicht wenigen Ländern der westlichen Welt keinen nennenswerten Antiamerikanismus. Ein hier gesundes Selbstbewußtsein ist ohne Animosität gerne bereit, die großen Leistungen der amerikanischen Regierungen und die großen Potenzen des USA-Volkes aufrichtig zu würdigen. Eben deshalb sollte es nicht schwerfallen, die notwendigen Auseinandersetzungen, die ja nicht mit Volk und Staat Amerikas, wohl aber mit gewissen engen und harten Köpfen und Gruppen dürchzuführen sind, in gebotener Ruhe, Freundlichkeit und Rücksichf- pahme auf beider Interessen durchzustehen. Entgegenkommen, sachlich und rechtlich berechtig), und feste Haltung in der Vertretung der Interessen des eigenen Volkes sollten sich hier die Waage halten, bis auch die letzte Streitsache ins rechte Lot gebracht ist.

EINE HEIMAT FÜR DIE JUGEND DER WELT soll in Wien geschaffen werden. Eine Heimat, ohne politischen Dirigismus, rein aus der Tatsache heraus, daß bei der Neuordnung Europas die österreichische Jugend ein gewichtiges Wort mitzusprechen haben wird. Die Konstituierung des „Internationalen Jugendheimes" hat sich die Errichtung eines Jugendklubs zur Aufgabe gesetzt. Zunächst wird man versuchen, die Jugendlichen aus den Bundesländern irt der Hauptstadt fallweise zum Meinungsaustausch zusammenzurufen, später soll an die Nachbarn Oesterreichs herangetreten werden; dadurch wird die Mittlerrolle unseres Landes sinnfällig. Das Jugendheim wird überdies eine bedeutsame Bildungsaufgabe innerhalb Oesterreichs zu erfüllen haben und sich verschiedener bereits bestehender Bildungsorganisationen bedienen. Es wäre sehr wünschenswert, wenn der Plan gelänge, das Palais Trautson und seine unmittelbare- Umgebung, deren Schicksal noch immer fraglich ist, dem Internationalen Jugendheim zugänglich zu machen. Eine private Mäzenafeninitiative fände in diesem Augenblick eine kaum wiederkehrende Gelegenheit.

BOCK UND BONN IN ÄGYPTEN. In den ersten Jännertagen ist der österreichische Handelsminister nach Kairo gereist. Der Zweck des offiziellen Besuches ist der raschere Ausbau der Handelsbeziehungen zwischen der Arabischen Republik und Oesterreich, wobei unser Land besonders am Export von Maschinen interessiert ist. Anschließend an Dr. Bock empfängt Kairo eine deutsche Regierungsdelegation zu Verhandlungen über die deutsche Beteiligung,an der Finanzierung der zweiten Baustufe des Assuandammes. Die erste Baustufe wird bekanntlich durch die Sowjetunion mit einem Kredit von 400 Millionen Rubel finanziert. Westdeutschland hat zudem durch seine vielbeachteten Wirtschaffsaussfellungen in den Ländern der Arabischen Republik das Augenmerk des Nahen Ostens auf sich gelenkt. Symptom der neuen Zeit: Europa engagiert sich in neuen Formen in Afrika und trifft dort auf dieselben Konkurrenten, mit denen es sich wirtschaftlich und politisch in Europa selbst auseinanderzusetzen hat. Aegypfer, Araber, Afrikaner und Asiaten sehen Russen, Deutsche, Oesterreicher unter einem Gesichtspunkt und fragen, sie vergleichend: Was haben diese Menschen zu geben, was können sie leisten? Die heiße Sonne über Afrika bringt es an den Tag, was in uns steck . Auch das is) ein Weltgericht der Weltgeschichte.

OST. UND WESTJOURNAUSTEN IN STRASSBURG. Am zweiten internationalen Seminar des Journalisfenzentrums in Straßburg nahmen Stipendiaten der UNESCO und andere Teilnehmer aus zahlreichen westlichen und östlichen, europäischen und außereuropäischen Staaten feil. Ziel der Kurse ist die Ausbildung erfahrener Journa lisfen zu künftigen Ausbildnern junger Menschen, die sich der Publizistik widmen wollen. Seit der Gründung dieses Seminars 1956 an der Universität Straßburg, mitfinanziert durch die UNESCO, haben sich West und Ost gleichermaßen aus seiner Beschickung interessiert gezeigt. So nehmen dieses Jahr neben prominenten Lehrern der Publizistik aus USA, Westdeutschland, Holland usw. aus Moskau der stellvertretende Dekan der journalistischen Fakultät der Universität Moskau, der Ordinarius tür Journalistik an der Universität Warschau und der Chefredakteur der außenpolitischen Zeitung NIN, Belgrad, an der Arbeit teil. Von einer Beteiligung Oesterreichs haben wir bisher noch nichts erfahren; was zu der mehrfach zu beobachtenden Tatsache paßt: Oesterreich nützt seine internationalen Chancen noch viel zuwenig, pazu kommt: Die Dürftigkeit unserer Presse findet damit auch nach außen hin eine Dokumentation, die aufhorchen läßt. Die wiedergegründete „Concordia" hätte hier ein schönes Aufgabengebiet.

MIKOJAN IN WASHINGTON. Der größte Geschäftsmann der Welt besucht das größte Industrieland der Erde. Anasfas Mikojan, der Chef der sowjetischen Staatswirtschaff, ist seit langem ein Bewunderer amerikanischer industrieller Fortschritte und hat sie 1953 seinen Landsleuten als Vorbild dargestellf. Von ihm stammt die Parole vom „koexistentiellen Wettbewerb". Der kluge Armenier ist ausersehen, das größte Geschäft Chruschtschows in Gang zu bringen: den Vergleich mit den USA. Inwieweit er dabei die Skizze eines globalen Friedens-, planes oder „nur" die Absicht, Chruschtschows Amerikabesuch vorzubereiten, in der Tasche trägt, ist weniger wichtig. Die Verpflichtungen in Europa und um Berlin lassen ebenfalls die traditionelle Zurückhaltung der republikanischen Regierung den Sowjets gegenüber weiterhin ratsam erscheinen. Dennoch sind andere Zeichen der Zeit nicht zu übersehen. USA und UdSSR haben vor kurzem ein Kulturabkommen abgeschlossen, dessen sichtbarster Ausdruck wohl das Amerika-Haus in Moskau und die Moskauer Ausstellung in New York 1959 sein werden. Die Neujahrswünsche, welche die beiden Staatsoberhäupter Eisenhower und Woroschilow austausęh- fen, waren vorsichtig und genau auf „gute Hoffnung für die Zukunft der beiden Völker" äbge- sfimmf. Dazu kommt ein offenes Geheimnis: in Amerikas Weltpolitik entscheidet zuletzt die Wirtschaft. Diese ist heute stärker als vor knapp dreißig Kahren innerlich in'denn'bilemma, das damals die beiden Bücher Knickerbockers bereits in ihrem Titel ahsagten: „Der rote Handel lockt" und „Der rote Handel droht". Schon hoben amerikanische Wirtschaftsbläfter errechnet: die Sowjetindustrie benötigt zur Erfüllung ihres Sie- benjahresplanes allein für die chemische Ausrüstung Neuinvesiifionen von über 25 Milliarden Dollar, wovon ein hoher Prozentsatz importiert werden muß. Nun, die Welf weiß, Amerikas Sorgen in bezug auf die dauernde Ueberwindung der Rezession sind nicht ganz geschwunden. Die Sowjets ihrerseits haben, um die Bedeutung des Besuches ihres zweiten Sternes in Washington zu unterstützen, ihm ihre Mond-Sonnen-Rakete zuvorgesandf. Sie wissen, wie stark Raketen, die den Erdraum und den Weltraum überwinden, die Amerikaner beeindrucken.

ZUCKER UND SALZ AUS KUBA. Nach zweijährigem Kampf hat der kubanische Rechtsanwalt Fidel Castro den Diktator Batisto zur Flucht aus dem Lande gezwungen und die Macht übernommen. Der sanfte Richter und Dichter Manuel Urrufia haf die Führung der neuen Regierung übernommen. Ob der zweiunddreißig- jährige Fidel Castro mit seiner bunt zusammengewürfelten Anhängerschar imstande sein wird, das reiche Land und seine armen Massen in einer politischen und sozialen Aufbaubewegung zu einen, ist heute nicht abzuschäfzen. Wichtiger ist zunächst die amerikanische Reaktion. Diese witterte bisher in jedem Versuch, diese oder jene mittel- und südamerikanische Diktatur zu stürzen, anfinordamerikanische und kommunistische Umtriebe, zumal die Resurgenten immer wieder „die Befreiung des Volkes von der Zwingmacht des amerikanischen Kapitals" auf ihre Fahnen schrieben, sich dann nach dem Sieg meist recht schnell mit der stärksten Wirtschaftsmacht der Welt um einen Vergleich bemühten. Noch vor kurzem haben die USA die Militärkredite an den Diktator der Dominikanischen Republik, Trujillo, zu dem jetzt Batisto geflüchtet ist, erneut bewilligt. Jetzt bahnt sich ein Umschwung an. Amerika verliert sein Vertrauen auf die Wirksamkeit der süd- und mitfelamerikanischen Diktatoren als Wellenbrecher gegen die Flut der kommunistischen Unterspülung Südamerikas. Dr. Milfon Eisenhower hat einen Brief, ein Memorandum, an seinen Bruder, den Präsidenten, gerichtet, in dem er von der weiteren Fixierung auf diese Maxime amerikanischer Außenpolitik abrät. Die Veröffentlichung dieses Briefwechsels zeigt an, daß Washington neue Wege erwägt. Und der Zucker aus Kuba könnte sich als Salz erweisen: Salz der Freiheit, des Erwachens der Völker, deren dekadente Cliquen, wie die jetzt geflüchteten Zuckerplantagen- und Spielbankbesitzer in Kuba, ihre Geschäfte nicht mehr im Schutze Onkel Sams maphen können.

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