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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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RAAB AUS JAPAN ZURUCK. Die größte westdeutsche Zeitung hat zum Besuch des österreichischen Kanzlers in Tokio bemerkt: Raab werde von den Japanern vor allem „als Lehrmeister im Umgang mit Russen” geschätzt und gesucht. Nun, man weif inzwischen, daß der japanische Außenminister tatsächlich Wiens Erfahrungen in den langjährigen Verhandlungen mit der Sowjetunion für Japan, dem es um Abschluß eines Friedensvertrages mit der Sowjetunion geht, nützen will. Der Besuch des Kanzlers, der in Japan mit der traditionellen Liebenswürdigkeit und Gastfreundschaft und einem auffallenden persönlichen Akzent betonter Freundschaft aufgenommen wurde, hat in Südostasien weite Beachtung gefunden. Raab kam als „guter Europäer", als Repräsentant jenes anderen Europa, das Asiaten und Afrikaner oft zu ihrem eigenen Schaden lange übersehen haben: ein Europa des Friedens und der Kultur, der Arbeit und Individualität. Für den Aufbau gesunder und lebendiger Beziehungen zwischen Europa und den asiatischen Ländern ist hier ein Modellfall geschaffen worden. Dies läßt auch das Abschlußcommunique klar erkennen: Japan und Oesterreich beschließen, enge in internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten, ihre kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zu verstärken. Der japanische Ministerpräsident wird Oesterreich einen Gegenbesuch abstaften. — Hier wird die Sprache der Partnerschaft gesprochen. Sie in den internationalen Beziehungen zu verbreiten, liegt im vitalsten Interesse Japans wie Oesterreichs.

GEWERKSCHAFTSJUGEND UND BUNDESHEER. E ine in Wien veranstaltete Aussprache ehemaliger Jungmänner des Bundesheeres, über „Mißstände" im Bundesheer, einberufen von der österreichischen Gewerkschaftsjugend, hat zu einer öffentlichen Kontroverse zwischen Bundesminister Graf und der Gewerkschaftsjugend geführt. Die Form der Kontroverse mag man bedauern, an sich ist sie durchaus positiv zu werfen. Oesterreichs Jugend braucht, weit über die Jungarbeiter hinaus, einen direkten Kontakt mit den Männern, die für das Bundesheer an erster Stelle verantwortlich sind. Dieser Kontakt ist besonders dann nötig, wenn die Dienstzeit beendet ist und Erinnerungen und Erfahrungen die politische Haltung prägen. Die bereits jetzt vorgebrachten Einwände — Alkoholmißbrauch, zweckmäßige Ausnützung der Dienstzeit, entsprechende Ausbildung der Unteroffiziere, die Soldatenbücherei und die Soldatenlieder m betreffen zudem bereits Fragen, die die ganze Oeffentlichkeit angehen. Oesterreichs Zükuntf wird auch hier, in der Bildung oder Verbildung seiner jungen Generation im Bundesheer, mit vorentschieden. Eben deshalb ist darauf hinzuarbeiten, daß die Aussprachen zwischen den „Ehemaligen" und den Führenden des Bundesheeres in Formen stattfinden, die dem Dunstkreis der Parteipolitik, des Prestiges und der Animosität entzogen sind.

ÖSTERREICHS KULTURPOLITIK im Nahen

Osten blickt auf eine ehrenvolle Tradition zurück. Sie soll in nächster Zeit durch die Arbeit eines Kulturinstitutes im Vorderen Orient neuen Auftrieb erfahren, worüber der Unferrichts- minisfer am Freitag im Rahmen der nun schon populär gewordenen Pressekonferenzen seines Ressorts interessante Einblicke gab. Ursprünglich dachte man dabei an Istanbul, doch sieht man zurzeit die kulturellen Interessen Oesterreichs in der Türkei durch die verdienstvolle Tätigkeit des St.-Georgs-Collegs in Istanbul ausreichend vertreten; auch die österreichischen Ausgrabungen in Ephesus wurden wieder aufgenommen und haben erwünschte Kontakte vertieft. Dagegen rücken als künftige Oertlichkeiten für ein Kultur- instifut neuerdings Plätze in dem politisch sehr bewegten persisch-arabischen Raum in den Vordergrund. Die Errichtung von Berufsschulen im Irak und Iran mit Hilfe österreichischer Lehrer und Fachleute hat ein außerordentliches Interesse der dortigen Bevölkerung für Oesterreich bekannt werden lassen. Die Vorliebe arabischer Studenten für das Hochschulstudium in Oesterreich ist evident. Hier könnte das geplante Oesterreich-Institut wertvolle Aufklärung und Vorarbeit leisten, besonders durch die Vermittlung der Kenntnis der deutschen Sprache, mit der die ausländischen Studenten in Wien noch sehr zu kämpfen hoben. Erst dann käme ihnen in vollem Umfang der Wert des hiesigen Studiums und uns die kulturelle Potenz und Werbewirkung der kommenden Aerzte und Techniker im Nahen Osten zugute.

SCHARFER FROST IN SUDTIROL hat die jungen Hoffnungskeime versengt, die die Südtiroler in letzter Zeit mit dem Blick auf die freundlichen Zusicherungen der Regierung Fanfani gehegt hatten. Zwei vielbemerkte Vorgänge der letzten Tage haben eine neue kritische Phase in den zuletzt irgendwie entspannten Beziehungen zwischen Bozen und Rom eingeleifet. Einmal hat jder Ministerrat in Rom beschlossen, den sozialen Wahnhausbau in der Provinz Bozen weiterhin unter der direkten Kontrolle des Ministeriums für öffentliche Arbeiten zu belass3n und nicht, wie die Südtiroler, aus Angst vor der fortschreiten den Unterwanderung forderten, der Provinzverwaltung zu unterstellen. Fast zur gleichen Zeit haben die beiden Südtiroler Senatoren Karl Tinzl und Dr. Luis Sand in der ersten Kammer den angekündigten Gesetzentwurf eingebracht, der die Herauslösung der Provinz Bozen als selbständige, autonome Region aus der bisherigen Region Trentino - Alto Adige und darüber hinaus die Verwendung der Bezeichnungen „Südtirol' (statt „Oberetsch”) und „Ėozen”, die Rückgabe der eigenen Fahne und des Wappens, die Gleichheit der drei ethnischen Gruppen (Deutsche, Italiener, Ladiner), die Gleichstellung der Sprache sowie den Unterricht in der Muttersprache durch Lehrer der gleichen Volksgruppe verlangt — größtenteils Forderungen, die eigentlich schon nach dem Gruber-De-Gasperi-Abkommen hätten verwirklicht werden sollen. Das mildere Lüftchen der Wiener Verhandlungen scheint also verweht, in Südtirol ist wieder scharfer Hochwinter eingebrochen.

ZWEISEITIGE GESPRÄCHE zwischen den einzelnen OEEC-Staaten mit dem Block der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) scheinen nun doch an Stelle der bisherigen Freihandelszonenverhandlungen zu treten. Damit wäre ein alter Wunsch Frankreichs verwirklicht. Die für den 15. Jänner 1959 vorgesehene Ministerratsfagung der OEEC in Paris, die nach dem verunglückten Dezembertreffen im vorigen Jahr neue Wege zu einer Freihandelszone hätte finden sollen, wurde auf englischen Vorschlag verschoben. Es war ein weiser Entschluß, denn sie hätte lediglich einmal mehr das Scheitern der Bemühungen um einen größeren europäischen Markt gezeigt. Den Beweis dafür lieferte die einen Tag vorher festgesetzte und auch statfgefundene Tagung des Minisferrates der EWG. Hier wurde der letzte englische Vorschlag, der nun in der Tat, so sympathisch er für Oesterreich ist, nicht gerade sehr kompromißfreudig erscheint, in seinem Hauptpunkt abgelehnt. Somit bleibt der Wunsch nach einer Europäischen Freihandelszone nach wie vor in weiter Ferne. Ob zweiseitige Verhandlungen ihn näherrücken werden ist zweifelhaft. Schon in den nächsten Tagen werden aber französisch-englische Gespräche über die Freihandelszone sfattfinden, denen man mit einer gewissen Spannung entgegensehen kann, treffen doch die beiden Haupiexponenfen im Kampf um die Freihandelszone zusammen.

SORGEN UM DEN DEUTSCHEN FRIEDENSVERTRAG. Ein klares „Nein" hat Bundeskanzler Adenauer dem Entwurf eines Friedensvertrages entgegengesetzt, den die Sowjetunion am 10. und 11. Jänner 28 Staaten unterbreitet hatte. Seins wichtigsten Punkte sind: Zwei deutsche Staaten als völkerrechtliche Tatsache, Grenzziehung nach dem Stand vom 1. Jänner 1959, Verzicht auf die deutschen Ostgebiete, Beschränkung der Streitkräfte, Abzug der ausländischen Truppen, Verbot von Atom- und Raketenwaffen, Bombenflugzeugen und U-Booten, Verzicht der Siegermächte auf weitere Reparationen und Verbot nationalsozialistischer und revisionistischer Gruppen in Deutschland. — Dieser „Vorschuß” an Forderungen, am Vorabend der Begegnung Mikojans mit Dulles und Eisenhower, zeigt, wie schwer die kommenden Verhandlungen um Deutschland sein werden. Eben dies gilt: diese Verhandlungen stehen vor der Tür, und sie werden schwer sein. Begreiflich ist die Bonner Nervosität in bezug auf Amerika: der große Verbündete läßt nicht Bonn im Stich, er verlangt aber von ihm jetzt eine konstruktive Mitarbeit, zu deutsch: eigene Vorschläge und ein Engagement in den Verhandlungen mit Moskau. Wobei es nicht so geht, wie der westdeutsche Botschafter Grewe in Washington auf dem Höhepunkt der Mikojan- Reise meinte: wenn die Erhebung der deutschen Arbeiter in Ostdeutschland 1953 geglückt oder wiederholt worden wäre, wäre das Deutschlandproblem, die Wiedervereinigung, längst gelöst. Diese vielkritisierte Aeußerung des führenden deutschen Diplomaten läßt eine Trübung des Blicks erkennen, man übersieht, daß es für die Sowjets in Deutschland schlechthin darum geht, ob sie den letzten Krieg gewonnen oder verloren haben. Die „DDR” ist ihr wichtigstes und letztes Faustpfand, das sie nur teuer „verkaufen" werden. Eben deshalb gewinnt die Diskussion um die Pläne zur militärischen Entlastung Zenfraleuropas, wie sie im Rapacki-Plan und Gaitskell-Plan vorskizziert wurden, neue Bedeutung. Wobei, wie ein deutscher Kenner der Bemühungen darlegt, „Disengagement — ein schlechtes Wort für eine gute Sache" isf, denn: „Das militärische Auseinanderrücken der Mächte setzt ein stärkeres, politisches Engagement voraus". Ein politisches Engagement Amerikas, Englands und auch Frankreichs in Europa setzt jedoch wieder etwas anderes voraus: nämlich' die geduldige politische Arbeit Bonns, das zunächst seinen Verbündeten beweisen muß, daß es diese nicht zum Vorspann einer revisionistischen deutschen Ostpolitik gewinnen möchte, sondern im gemeinsamen Interesse an einer gemeinsamen Neuordnung des Ostraumes mif- arbeiten will.

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