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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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DAS KONKORDAT VOR DER TUR! Alle Jahre wieder, das heifjt in jeder neuen Regierungserklärung, kehrt der fromme Wunsch nach „Wiederherstellung der konkordafsrechtlichen Beziehungen” wieder. Nun weiß ganz Oesterreich, daß dies nicht nur ein frommer Wunsch ist, sondern daß mancher Minister und manche Regierung sich große Mühe gegeben haben, zu einem Vertrag mit dem Vatikan zu kommen. Seit dem Regierungsantritt Papst Johannes' XXIII., dessen großzügige und unbefangene Art, heiße Eisen anzufassen, schnell bekannt wurde, haben sich die Hoffnungen der österreichischen Katholiken, die oft schon auf dem Gefrierpunkt angelangt waren, aufgerichtef. Es ist jetzt wirklich an der Zeit, daß ösferreichischerseits alles geschieht, was geschehen kann, um mit Rom zu einem Abschluß zu kommen. Beide Regierungsparteien können hier praktisch zeigen, wie sie die in Parteienverhandlungen gegenseitig versicherte Zusammenarbeit realisieren.

HELMERS ABSCHIED. Nach mehr als vierzehnjähriger Tätigkeit als Innenminister hat sich Oskar Helmer am 18. Juli von seinen Mitarbeitern verabschiedet. Die Verdienste Helmers gehen jeden Oesterreicher an: dieser Mann hat in oft schweren Auseinandersetzungen mit den Besatzungsmächten die innere Freiheit Oesterreichs kühn, tapfer in den langen Jahren verteidigt, die vor dem Staafsvertrag lagen. Dafür ist ihm jeder Oesterreicher grofjen Dank schuldig. Bei seiner Verabschiedung sprach Oskar Helmer Worte, die ins Stammbuch unserer jungen Republik gehören. Dieser alte Sozialist führte da aus, er habe aus der Erfahrung in der Ersten Republik ersehen, dafj der Haß und das Gegeneinander zwischen großen politischen Parteien für Volk und Staat Bürgerkrieg bedeuten. Daß dies in der Zweiten Republik keine Wiederholung finden könne, dafür habe er alle seine Kräfte einsetzen wollen. Ungebührliche parteipolitische Machtansprüche, von welcher Seite immer sie kommen mögen, könnten unsere Republik sehr leicht in eine gefahrvolle Sifuation bringen. Wer immer die Regierung im Staate oder in einem Lande ausübf, muß auch gegenüber jenen Staatsbürgern tolerant sein, die einer anderen Partei angehören oder die sich für keine Partei entscheiden wollen. — In seiner Erwiderung führte Staatssekretär Grubhofer unter anderem aus: „Ich gestehe Ihnen, Herr Minister, daß ich in dem kurzen Zeitraum von drei Jahren viel von Ihnen gelernt habe. Sie haben selber aesagt, daß Sie in jungen Jahren revolutionär und draufgängerisch gewesen seien, aber mit zunehmender Verantwortungsübernahme gelernt haben, auch dem politischen Gegner als menschlichem Freund zu begegnen, seinen Kern zu erfassen und sich in seine Denkungsweise zu versetzen, ein hehres und lichtvolles Geständnis, das verdienen würde, in der heutigen Welt als Rezent empfohlen zu werden." — Es ist die Aufgabe der Presse, sehr vieles von dem, was in der Zweiten Republik geschieht und nicht geschieht, kritisch unter die Lupe zu nehmen. Das ist eine oft wenig angenehme Aufgabe. Um so froher darf aus diesem gegebenen Anlaß vermerkt werden: unsere Republik ist in manchem besser als ihr Aussehen; dies verdankt sie nicht zuletzt einigen Männern, die ihr Bestes für sie gegeben haben.

GERICHTE MACHEN GESCHICHTE. Deutsche Forschungen zur Geschichte der Weimarer Republik haben mehrfach aufgezeigt, wie da die Demokratie zersetzt wurde, nicht zuletzt durch die Gerichte. Durch ein weif rechtsstehendes, sehr „nationales” Richterkorps, das mit zweierlei Maß maß: Feinde der Republik wurden freigesprochen oder mit leichten Strafen und „Ehrenstrafen" belegt, auch wenn sie Mörder und Putschisten waren, aufrechte Demokraten wurden hart angefaßt, wenn sie der „Ehre der Nation", so wie diese Richter sie verstanden, nahetraten. In Oesterreich isf es heute nicht so weit. Nicht die Richter sind es, die wir hier anzusprechen haben, wohl aber die Geschworenen. Nach knapp acht Minuten haben Kärntner Geschworene mit sieben gegen eine Stimme zwei Personen freigesprochen, die wegen neonazistischer Betätigung angeklagt und überführt waren. Zwei alte „Illegale”, beide auch ehemalige Funktionäre der FPOe, die ihnen aber nicht national genug war. Bei der Gründungsversammlung ihrer „Nationalen Arbeiterpartei” bekannte einer dieser Führer: „Es war ein Glück, Mitkämpfer des größten deutschen Menschen aller Zeiten gewesen zu sein… Wir haben alle einen Eid geschworen, für das deutsche Volk unser Leben einzusetzen oder hinzugeben, und wir sind bis zum Lebensende von diesem Eid nicht entbunden…” Offenbar waren die Geschworenen derselben Ansicht. Jetzt kommt es auf die Zukunft an, was da geschieht: wenn solche Fehlurteile gleichgültig hingenommen werden, dürfen sich unsere Regierungsmitglieder nicht wundern, wenn eines Tages die Herren, die derselben Meinung sind, sie als „Eidbrüchige" einmahnen und in neue Lager stecken. Schreiben dürfen sie es ja schon in ihren Bläffern. Und kein roter oder schwarzer Hahn kräht darnach.

DIKTATUR IN INDONESIEN. Dr. Achmed Sukarno, Staatspräsident und zugleich Regierungschef von Indonesien, hat die demokratische Verfassung seines Landes aufgehoben, jede parteipolitische Tätigkeit verboten und das diktatorische Regime, unter dem die Indonesische Republik vor nahezu zehn Jahren ihr Eigenleben begann, wiederhergestelff. Dieser Schritt bedeutet zunächst einen Sieg der militärischen Kreise, die dem unübersichtlichen Getriebe der verschiedenen politischen Fraktionen und Gruppierungen die Hauptschuld an der fortschreitenden kommunistischen Infiltration zuschrieben. Die Armee stellt jetzt die einzige organisierte Kraft dar, auf die sich Sukarno stützen kann. Der großen Masse der so verschiedenartig zusammengesetzten indonesischen Bevölkerung, bei der die Grundgedanken einer parlamentarischen Demokratie noch kaum Fuß gefaßt haben, dürfte das ziemlich gleichgültig sein. Was sie wünscht und nach zehn Jahren indonesischer Eigenstaatlichkeit endlich verwirklicht zu sehen erwartet, ist ein Abbau des starren Zentralismus von Djakarta; ist eine gerechtere Verteilung der staatsbürgerlichen Lasten; und die energische Bekämpfung von Korruption und Gesetzlosigkeit; sind umfassende Maßnahmen zur Hebung des kulturellen und wirtschaftlichen Niveaus. Es fehlt somit nicht an wertvollen Zielen, zu deren Erreichung Sukarno seine neu übernommenen Machtbefugnisse einsetzen könnte. Er hat aber jetzt erklärt, er erblicke seine dringendste Aufgabe darin, Holländisch- Neu-Guinea der indonesischen Souveränität zu unterwerfen. Dieses Vorhaben läßt wenig Raum für die Hoffnung, daß sich das Schicksal des indonesischen Volkes bald zum Besseren wenden werde.

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