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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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PRÄSIDENT DER SALZBURGER FESTSPIELE IN SICHT! Die heurigen Festspiele sind am Montag, dem'31. August, abgeschlossen worden, und die Vorbereitungen für 1960, da die Festspiele anläßlich der Eröffnung des neuen Hauses besonders festlich werden sollten, haben begonnen. Etwas spät, wie manche meinen. Dazu gehört auch die Ernennung eine neuen Präsidenten, der an die Stelle des scheidenden Baron Puthon treten soll. Verschiedene Namen wurden genannt. Das Kuratorium entschied sich für Dr. Hermann Juch, derzeit Intendant der Deutschen Oper am Rhein, vorher Direktor der Volksoper. Eine bindende Zusage von Dr. Juch ist noch nicht erfolgt. Was er in einem von der DPA veröffentlichten Interview geäußert hat, liegt uns nicht im Wortlaut vor. Aber immerhin, „die Aufgabe reize ihn', hat Dr. Juch gesagt, er müsse freilich das Angebot mit seinem gegen- wäriiaen Vertraa in Einklang bringen, der ihn als Generalintendanten bis 1962 an die Deutsche Oper am Rhein bindet. Es war auch schon von seinem Gehalt die Rede, das derzeit 5000 DM monatlich beträgt. „Für den Salzburger Posten strebt Juch", so schreibt eine Salzburger Zeitung, „14 Monatsgehälter von je 25.000 Schilling (1000 Dollar) an". — Natürlich muß-bei der Besetzung beziehungsweise Annahme eines solchen Postens auch vom Geld die Rede sein, aber in dieser Form hat uns ‘die Nachricht ein wenig betrübt. Man blättert in den Salzburger Festspielannalen und liest über die erste Aufführung des „Jedermann am 22. August 1920: „Alle fanden sich ganz selbstverständlich damit ab, nichts zu verlangen, nur Werner Krauss, der damals bei der Uraufführung den Tod und den Teufel spielte, forderte eine Lederhose als Entgelt.., die anderen Darsteller bekamen Salzburger Andenken." Ja, das war einmal. Jedermann ist inzwischen in die Jahre gekommen und reicher geworden. Und wir mit ihm, — Ob und wann Dr. Juch sein Amt antreten wird, ist noch nicht sicher. Anfang September wird er nach Salzburg kommen, um weiteres zu besprechen. Wir sehen eine „Zwischenlösung” sich abzeichnen. Das wäre zwar eine echt österreichische Art, mit den Schwierigkeiten fertig zu werden, aber angesichts des bevorstehenden — um nicht zu sagen herandrohenden — Fesfjahres 1960 wohl etwas riskant. Ml

KONSERVATIV - LIBERALI Die katholische deutsche „Allgemeine Sonnfagszeitung” beklagt die Tatsache, daß der neue CDU-Bürgermeister in Lübeck, Ministerialdirektor Warfemann aus Kiel, konfessionslos sei„ wie evangelische Kreise festsfellen mußten. Das genannte Blatt bezeichnet diesen Sachverhalt als einen Tiefstand. Der offensichtliche Liberalisierungsprozeß der CDU wird von der ihr nahestehenden nichtchristlichen Presse begrüßt. Daher wird auch der Versuch des Bundestagsabgeordnefen Rainer Barzel, eines Gefolgsmannes des verstorbenen Arbeiter- fühters Arnold, auf der Bundestagung der deutschen katholischen Jugend tjegen die Liberalisierung der CDU und für die Betonung der Grundsätze einzufreten, vehement bekämpft. Die Zeitung der Katholischen Arbeiterbewegung („Ketteler-Wacht") bemerkt zu den von der Parteipresse totgeschwiegenen Vorgängen, daß nach ihrer Ansicht die Entwicklung der CDU zu einer konservativ-liberalen Partei schon so weit fortgeschritten sei, daß man befürchten müsse, die päpstlichen Sozialrundschreiben würden von seifen der Partei bald als „sozial-dirigistisch" abgetan werden. Dies hat der „Industriekurier", welcher der Bundesregierung nahesteht, -Vor einiger Zeit getan, freilich ohne das Objekt seines Angriffes unmittelbar beim Namen zu nennen. Sarkastisch bemerkt der Chefredakteur des KAB-Blatfes, man müßte erwarten, daß in einigen Jahren das „C" in CDU nicht mehr als „Christlich”, sondern als „conser- vativ" übersetzt zu erhalten. Die Entwicklung in der Bundesrepublik geht zum Teil jener in Oesterreich konform. Auch in unserem Land wird mit einem auffallenden Nachdruck das Wort „christlich" durch „konservativ" übersetzt, wobei man in einer fatalen Weise konservativ sagt und liberal meint. -.

KEIN PORZELLAN ZERSCHLAGEN. Bei dem am 26. und 27. August staffgefundenen Besuch des amerikanischen Präsidenten in Bonn wurden auch Geschenke ausgetauscht: Adenauer erhielt eine Reihe geschliffener Glasteller, Eisenhower ein Kaffeeservice aus Meißener Porzellan aus dem 18. Jahrhundert. Die Meißener Manufaktur liegt bekanntlich in der deutschen Ostzone, und es ist anzunehmen, daß gerade dieses Geschenk nicht ganz zufällig ausgewählt wurde. In dieselbe Richtung weisen die zahlreichen Transparente und haushohen Aufschriften, die den Weg der Autokolonne zwischen dem Flugplatz und der bundesdeutschen Hauptstadt säumten, und auf denen die Namen der verlorenen deutschen Ostprovinzen und die Zahlen der Vertriebenen und Geflüchteten zu lesen waren. Aber — und dies kann man auf Grund der verschiedenen Erklärungen, die der Besucher aus Washington abgegeben hat, sagen — nichts deutet darauf hin, daß die in diesen Gesten zum Ausdruck gekommenen deutschen Ansprüche in den Gesprächen zwischen Eisenhower und Adenauer auch nur erwähnt wurden. Im Gegenteil: Bonn weiß nunmehr sehr gut, daß die amerikanische Regierung von ihm Taten erwartet, welche diebestehenden Spannungen zwischen der Bundesrepublik und den osteuropäischen Ländern mildern, wenn auch wohl zunächst nicht ganz beseitigen könnten. Es versteht sich von selbst, daß die Bonner Regierung zu einer solchen Initiative von den Amerikanern nicht offen auf- geforderf ( werden kann, hingegen die von Eisenhower ausgesprochenen Zusicherungen bezüglich der deutschen Interessen, insbesondere in Berlin, eine notwendige Bekräftigung außenpolitischer Grundsätze waren, am Vorabend einer neuen und so heiklen Phase der Weltpolitik, , wie sie es die bevorstehenden Gespräche zwischen Eisenhower und Chruschtschow darsfellen. Man weiß, daß sich Eisenhower nicht leicht zu dem Besuch in Bonn entschlossen hat. Wenn er dazu schließlich, wie man hört, von einem früheren Vertrauten des verstorbenen Außenministers Dulles doch überredet werden konnte, so wahrscheinlich vor allęm deshalb, um zu zeigen, wieviel ihm an der Einheit des Westens gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt liegt.

ERKUNDUNGSFAHRT IN ALGERIEN. Nach einer Ministerratssitzung in Paris, die von offizieller Seite als die „wichtigste seif Bestehen der Fünften Republik" bezeichnet wurde, flog Staatspräsident de Gaulle nach Algerien. Der Zweck seiner- Reise ist, zu erkunden, wie weit die französischen militärischen Führer seine Politik der Befriedung in Algerien unterstützen würden. Die Pläne des Staatspräsidenten werden naturgemäß geheimgehalten. Er sprach aber diesbezüglich vor der versammelten Bevölkerung in einzelnen Ortschaften in der Fronthähe deutlicher als bisher. Unterstützt wird er, wie es trotz der größten Geheimhaltung bekannt wurde, durch die Mehrheit des Minisferrates, die liberale Tendenzen auf allen Gebieten und Versöhnung in Algerien wünscht. In dieses Bild paßt, daß beschlossen wurde, Frankreich würde die Vereinten Nationen auch dann nicht verlassen, wenn es bei der kommenden Generalversammlung zur Verurteilung seiner Algerienpolitik durch die Mehrheit der UNO- Mitglieder käme. Das von vielen Ministern und wohl auch von de Gaulle selbst befürwortete Sonderstatut für Algerien könnte — wie in Paris verlautet — erleichtert werden durch eine offene Konstruktion der bfrikanischen Staatengemeinschaft,-welche die.tUhabhäbgigkeikr der einzelnen Teilstaaten in einer übergeordneten Konföderation gewährleisten würde. So kam es denn auch zu gewichtigen Erklärungen de Gaulles in algerischen Städten und Dörfern, etwa in Form einer Zusicherung, dię Algerier müssen nach vollendeter Befriedung selbst über ihre Zukunft entscheiden. Es bleibt abzuwarten, ob diesen Worten bald auch konkrete Tatsachen folgen werden.

CHINAS FLUCHT IN DAS ABENTEUER. Das Zentralkomitee der chinesischen Kommunistischen Partei unter dem Vorsitz von Mao Tse-fung beschloß, sein Wirfschaftsprogramm erheblich zu reduzieren. In einem langen Kommunique wurde der „extreme Enthusiasmus der Statistiker’, die im vergangenen Jahr allzu günstige Prognosen stellten, stark kritisiert. 1958 wurden bloß 250 Mill. Tonnen Getreide und 2,1 Mill. Tonnen Baumwolle geerntet, statt der angekündigten 375 beziehungsweise 3,3 Mill. Tonnen. Statt 18 Mill. Tonnen Stahl wurden nur 12 Mill, erzeugt, statt 380 Mill. Tonnen Kohle nur 335 Mill, gefördert. Für das laufende Jahr sieht nun der reduzierte Plan statt 525 bloß 275 Mill. Tonnen Getreide, statt 5 bloß 2,1 Mill. Tofinen Baumwolle vor, und ebenso soll auch die Stahlerzeugung und die Kohlenförderung bloß das Niveau des Vorjahres erreichen. Die „gleichmacherischen Tendenzen” in den Volkskommunen werden ebenfalls wie schon einmal verurteilt. Das Leistungsprinzip soll die Produktion anzukurbeln helfen. Es ist ohne Zweifel, und die Beschlüsse der chinesischen KP beweisen es, daß die Volkswirtschaft in diesem größten Land Asiens im argen liegt, denn hinter den Planziffern steht ein 600-Millionen-Volk mit der höchsten Geburtenrate der Welt, mit völlig unzureichenden Einrichtungen und somit ohne Hoffnung, dem Hunger und dem Problem der Industrialisierung in Bälde Herr zu werden. Durch diese Lage sehen sich nun allem Anschein nach die Herren dieses Landes veranlaßt, billigere Erfolge auf einem anderem Gebiet zu suchen: auf dem Gebiet des nationalen Ehrgeizes. Der Druck auf Laos dauert seif Wochen unverändert an. An der indischen Nordostgrenze ist es aber — und dies erschwert die Lage in Südosfasien noch mehr — zuletzt ebenfalls zu Kontroversen gekommen. Die Chinesen besetzen hier Gebietsstreifen, die unbewohnt sind, sie jagen die indische Grenzpolizei fort ’und hissen ihre Flagge. Es handle sich hier, so wird gesagt, um einstiges chinesisches Hoheitsgebiet. Ministerpräsident Nehru hat jedoch im indischen Parlament erklärt, jede Aggression auf diese Gebiete werde als Angriff auf Indien befrachtet.

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