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RANDBEMERKUNGEN ZUR WOCHE

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RECHT UND POLITIK. Zu einer nicht ungefährlichen Bemerkung lief; sich jüngst der österreichische Außenminister hinreißen. Er meinte nämlich bei Besprechung der Verpflichtungen, die Oesterreich als neutralem Staat erwachsen, daß hierüber die Völkerrechtler diskutieren können, daß aber die Entscheidung letztlich doch im politischen Bereich zu treffen sei. Dr. Kreisky hat dam’t eines der schwierigsten Probleme berührt, nämlich das des Verhältnisses zwischen Recht und Politik. Die Geschichte lehrt, daß Politik und Recht in der menschlichen Gesellschaft eng miteinander verknüpft sind. Sie finden ihren gemeinsamen Niederschlag am sichtbarsten in der Gesetzgebung. Durch sie schafft die Politik die Gesetze und damit die Rechtsnormen für das Gemeinschaftsleben. Diese Normen gelten zweifellos so lange, als der politische Wille ir. der Lage ist, ihre Durchsetzung zu erzwingen. Aber Rechtsordnungen, die der Idee der Gerechtigkeit zuwiderlaufen, haben stets zu Rechtsund schließlich Staatskrisen geführtl Weder kann also Politik eine von Recht und Gerechtigkeit völlig unabhängige Machtausübung sein, noch darf sie sich einfach des (positiven) Rechts bei der Betätigung der Macht bedienen. Zweifellos sind diese Grundsätze im Völkerrecht noch schwerer zu verwirklichen als in der innerstaatlichen Rechtsordnung. Aber Dr. Kreisky sagte auch, daß dann, „wenn wir in der Lage sind, die österreichische Demokratie nicht nur im politischen Bereich zu stabilisieren, sondern ihr auch einen umfassenden gesellschaftlichen Inhalt zu geben”, dies von größter Bedeutung für die Außenpolitik wäre. Er schloß: „So wird eine gute Innenpolitik die wesentlichste Voraussetzung einer erfolgreichen Außenpolitik." Um so wichtiger scheint es daher, unter guter Innenpolitik die Bindung der Politik an das Recht zu sehen!

DIE FRONT DES SCHWEIGENS.’ Die Schlußakkorde des Budapester Parteikongresses waren optimistisch gestimmt. Alle Redner stellten gute Prognosen, Der kommunistische Innenminister wies besonders auf die Fortschritte hin, die im Hinblick auf die Stärkung der staatlichen Exekutive erzielt wurden. Die Stärkung der Macht des Staates sei notwendig, meinte er, um den Zustand rascher zu erreichen, in dem der Staat überflüssig wird und — abstirbt. Weitaus pessimistischer klangen jene Referate, welche sich mit den Fragen der Literatur, der Künste, der Geisteswissenschaften beschäftigen. Hier konnte man hören, daß die Lage in diesen Bereichen seit 1956 noch nicht viel anders geworden ist. Noch immer gibt es „schweigende” Literaten und Künstler, und die Jungen seien eben Anfänger, sie müßten noch viel lernen. Unter den Vertretern der Gesellschaftswissenschaften herrsche der „Revisionismus", und die „bürgerliche Literatur” werde noch immer über Gebühr geschätzt Diese Schilderung der wahren Zustände in Ungarn ist ebenso glaubwürdig wie belastend für ein Reg’me, das damit seine Ohnmacht auf einem höchst wichtigen Gebiet offen zugibt. Die Reden Chruschtschows, zulefzt noch in der Karpafen-Ukraine, wohin ihn — mit Rücksicht auf die dort lebenden ungarischen Bevölkerungsteile — auch Parfeichef Kadar begleitete, waren Kundgebungen eines siegesgewohnfen politischen Strategen von Wettformat. Dieser scheint der ungarischen „Nebenfronf” nur untergeordnete Bedeutung beizumessen.

SÄUBERUNG IN AMERIKA. „Der ganze Schmutz muß ausgeräumt werden." Mit diesen Worten schloß Präsident Eisenhower seine ausführliche Stellungnahme in einer Pressekonferenz zu dem TV-Skandal. Die Vernehmungen des untersuchenden Kongreßausschusses haben eine ganze Industrie auf die Anklagebank gebracht: die Fernsehindusfrie und die mit ihr zusammenarbeitenden Industrien. 100 Millionen Fernseher sind bestürzt, da sie nunmehr erfahren mußten, wie sie jahrelang getäuscht wurden. Die Quizsendungen wurden sehr geschickt gemanagt: die „glücklichen Gewinner" wurden nach massenpsychologisch wirksamen Methoden ausgesucht, für das Frage- und Antworfspiel trainiert, die „Lösungen” der Aufgaben wurden ihnen mitgefeilt. Alte Mütterchen und Wunderkinder, Pastoren und Offiziere, Produzenten, die den

Betrug organisierten, und Industrielle, die ihn bezahlten. Der Sumpf, der sich hier auftat, umfaßt natürlich nicht nur das Quizprogramm. Durch Bestechungen ließen viele Firmen Ihre Namen, Waren, Produkte „zufällig" in Nachrichtensendungen einbauen. Empört erfahren nunmehr diese 100 Millionen Amerikaner, wie ihnen „öffentliche Meinung" vorgemacht und injiziert wurde. — Die Reform des gesamten Systems dieses kommerziell finanzierten und bisher kaum kontrollierten Fernsehens wirft große Probleme auf. Wichtiger aber ist vielleicht, und das hat exemplarische Bedeutung, der entscheidende Wille der großen und immer noch innerlich vitalen amerikanischen Demokratie, sich von Zersetzungserscheinungen zu reinigen. Am Vertuschen von Korruptionsfällen kranken bekanntlich, manchmal lebensgefährlich, die jungen Demokratien in anderen Kontinenten

ARGENTINIEN WIRBT UM VERTRAUEN. Beim vorletzten Generalstreik in Argentinien, im vergangenen Jänner, mußten Panzer eingesetzt und die Streikenden mit Bajonetten zur Arbeit getrieben werden. Als jetzt im Oktober wieder die Gewerkschaften in der sattsam bekannten

Allianz der Peronisten und Kommunisten, zum Generalstreik aufriefen, appellierte der Finanzminister Alsogaray an den gesunden Menschenverstand: „Streikt, wenn ihr wollt, ihr schadet dabei nur euch selbst und dpm Land, denn mit jedem Streiktag verlängert sich unser Elend um zwei Wochen." Alsogaray hatte zuvor drei Monate lang dem Volk eingehämmert, daß Wirtschaftspolitik nicht mit Weltanschauung und Parteiprogramm gemacht werde, sondern mit Zahlen, und fand jetzt Verständnis dafür, daß höhere Löhne und Pensionen erst möglich sind, wenn die Wirtschaft saniert ist. Der Generalstreik wurde nur zu 30 Prozent befolgt, fiel dann in sich zusammen. Es besteht also die Möglichkeit, daß sich die innenpolitische Lage’ in Argentinien stabilisiert. Der Finanzminister Alsogaray sucht für das Sanierungsprogramm Kredite zu bekommen. In Washington hat er, wie bereits im Vorjahre, wohlwollende Aufnahme und finanzielle und technische Unterstützung gefunden, Bonn weicht Kreditgesprächen noch aus, wartet ab. Dennoch sucht Argentinien Unterstützung gerade in Europa. Lateinamerikas Intelligenz war beeindruckt durch eine glänzend vorbereitete Vortragsreise von André Malraux, dem weltbekannten Autor und Minister de Gaulles, durch Südamerika. Sie galt einem Thema: Südamerika und Europa sollen sich gerade jetzt entschieden finden und verbünden, zum Schutz der Freiheit der Völker, der Person, der Kultur. Diese Freiheit ist aber an wirtschaftliche Gesundung und politische Stabilisierung gebunden. Das wissen nüchterne südamerikanische Politiker so gut, wie deren fanatische Gegner, die alles daransetzen, , um den reichen Kontinent für Diktatoren à la Peron und den roten Stern reif zu machen.

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