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RANDBFMERKUNGEN ZUR WOCH

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WO BLEIBT DIE FLAGGE ROTWEISSROT! Seit einem Jahre brütet das Bundesministerium für Verkehr über der Erteilung der durch die „Air Austria" beantragten Lizenz. Inzwischen haben dreizehn Staaten mit Oesterreich ein Luftverkehrsabkommen „auf Gegenseitigkeit' abgeschlossen. Darunter befinden sich die Wien zumeist anfliegenden Gesellschaften der Großmächte, wie Sowjetrußland und Großbritannien, sowie die am österreichischen Verkehr beteiligten Unternehmen der Schweiz und der skandinavischen Staaten. Fünf weitere Länder, darunter Frankreich und die Tschechoslowakei, schicken ihre Flugzeuge regelmäßig nach Oesterreich, geben sich aber noch mit provisorischen Bewilligungen zufrieden, die jeweils auf ein Jahr laufen und verlängert werden müssen. Im kommenden Jahre soll ouch die Deutsche Lufthansa Oesterreich anfliegen; im Bundeskanzleramt erliegen die Vorschläge. Sollten diese bis zum April nicht gegenseitig gezeichnet werden können, so wird auch die Lufthansa, indem sie Oesterreich in ihr Welfflugnefz einbezieht, mit der vorläufigen Bewilligung einfliegen. Das Prinzip der Gegenseitigkeit besagt, daß es einer österreichischen Gesellschaft ebenfalls in dem Maße gestattet ist, Nachbarländer in ihr Verkehrsnetz einzubeziehen, wie jene Staaten im Zuflug und Transit unser Gebiet versorgen. Was allein in dem einem Jahre Oesterreich an Einkünften entgangen ist, läßt sich kaum abschätzen — von der psychologischen Wirkung ganz abgesehen, die das Ausbleiben der Flagge der souverän gewordenen Republik Oesterreich auf den ausländischen Flugplätzen ausübt. Es ist schier unglaublich; aber wie es heißt, erwägen Persönlichkeiten der noch auf dem Boden liegenden „Air Austria", wenn nicht bald eine Erledigung ihres Ansuchens erfolgt, die längst schon ausgebilde- fen Piloten in Maschinen unter der Flagge des Fürstentums Liechtenstein oder der Republik Panama (!) einsteigen zu lassen. Die blaurote Fahne Liechtensteins oder die sinnigerweise ebenfalls blaurote (geviertelte) Flagge Panamas mit blauem und rotem Stern, würde dann Im Auslande Oesterreich bedeuten, soweit es den Luftverkehr betrifft: ein Panamaskandal made in Air Ausfria.

SELBSTVERSTÜMMELUNG. Die österreichische Polizei ist für ihre geschmackvollen, ja man kann ruhig sagen eleganten Uniformen bekannt. Bald wird es allerdings heißen müssen: war bekannt. Denn dem Reformeifer und der Reform willen (Motto: Es muß was g'schehen) wird es bald gelingen, diesen Eindruck zu korrigieren. Die angelsächsische Krawaltenmode, probeweise quch vom Bundesheer und der Gendarmerie übernommen, läßt verschiedene Köpfe nicht ruhen. Statt die Erfahrungen beim Heer und den anderen Teilen der Exekutive abzuwarten, will man es auch selbst versuchen. Was dorf optisch noch halbweg geglückt ist, schaut aber bei der Polizei alles andere als gut aus. Schmulziggraue Hemden zu dunkelgrünen Monturen an Stelle der noblen roten Aufschläge mif den Distinktionen sind wirklich kein guter Tausch. Der korrekte Eindruck ist dahin, fast haf man den Eindruck irgendeiner volksdemokratischen Miliz. Muß man das Aussehen der Polizei — für nicht wenige Frejnde eine lebendige Visitenkarte des Gastlandes — ohne Vorteile tür die Beamten bedenkenlos schmälern? Gibt es an verantwortlichen Stellen keinen Sinn mehr für guten Geschmack, der einer solchen „Selbstverstümmelung" entgegentritt? Was übrigens die einzelnen Beamten von blindem Reformeifer halfen, haben sie durch ihr Eintreten für den Ueberschwung, der ebenfalls von den „Reformern’ abgelehnf wurde, bewiesen.

KEINE „POLNISCHE LOSUNG’ FÜR UNGARN.

Die zwei Kommuniquös, die zum letzten Wochenende in Budapest veröffentlicht wurden, haben dem Vernehmen nach in Ungarn bittere Enttäuschung ausgelöst. Gegenstand dieser Emotionen war neben der bereits oftmals angekündigten programmatischen Erklärung der Regierung Kadar in der Hauptsache das Fünfmächfe- kommuniquö das nach einer Konferenz der führenden Kommunisten Bulgariens, der Tschechoslowakei, Rumäniens und Ungarns unter Vorsitz von Chruschtschow und Malenkow zwischen dem 1. und 4. Jänner in Budapest veröffentlicht wurde. Bereits die Liste der Teilnehmer läßt aufhorchen: die Polen fehlten. Im Kommunique selbst wurden weder Polen noch Jugoslawien erwähn), obwohl beide die ungarische Entwicklung in den letzten Monaten in nicht geringem Maße beeinflußt haben: Polen durch das Beispiel seines neuartigen Verhältnisses zur östlichen Großmacht und zum Kommunismus, Jugoslawien durch die große außenpolitische Aktivität seiner Führer. Was bleibt, ist reine Fiktion. „Ungarn schritt erfolgreich auf dem Weg des Sozialismus vorwärts, als dieses Vorwärtsschreiten durch den Angriff der Konterrevolution vorübergehend gestört wurde. Seit der Niederwerfung der Konterrevolution erzielt Ungarn auf dem Weg des Sozialismus neue Erfolge." Viel mehr als über Ungarn spricht dieses Kommunique über die Vereinigten Staaten, die es beschuldigt, im Nahen Osten Kolonien errichten zu wollen. Dies ist freilich ein Scheinangriff und will von dem sich erweiternden Riß innerhalb des Ostblocks ablenken. Die Regierungserklärung, die bezeichnenderweise kurz nach diesem Kommuniquö veröffentlicht wurde, will ebenfalls nur einen Teil der Wirklichkeit zugeben. In Ungarn herrscht die r Arbeiterdiktatur, heißt es hier — aber das ist r noch nicht die richtige Bezeichnung für einen i Zustand, bei dem in Kreisen der Arbeiter und nicht zuletzt auch der Kommunisten Verwirrung,

Niedergeschlagenheit und Defaitismus herrschen,

und bei dem nur die Anwesenheit der fremden das Operieren der Regierung ermög- , licht. Die Liberalisierungstendenzen im Regie-

rungsprogramm werden durch das Eingeständnis des völligen Versagens der Planwirtschaft und r der ernsten Störungen in der Industrieproduktion i des Landes bedingt. Auch dieses Programm , zeigt den Wunsch der Sowjetführer, sich vorerst auf einige Formeln fesfzulegen, denen wohl nie- r mand mehr recht glaubt, und jedes Experimen-

tieren in Ungarn etwa mit einer „polnischen 3 Lösung' zu unterlassen. Die Ursachen für dieses

Beharren auf bereits unterhöhlten Positionen, I für eine im Grunde defensive Haltung, liegen tiefer als in innerungarischen Zuständen.

DIE „KANALZONE", DIE V AR ... Aegypfens i Aufkündigung des Vertrages von 1954, die britischen Verteidigungsanlagen am Suezkanal . betreffend, kann die maßgebenden Kreise in London kaum überrascht habęn. Seit dem fehl- T geschlagenen anglo-französischen Versuch, die . Kanalfrage gewaltsam zu lösen, war es ja praktisch undenkbar geworden, daß eine äg/p- j tische Regierung, wer immer an ihrer Spitze stand, einen Vertrag weiterhin respektieren . würde, der die Bewachung und Instandhaltung . jener Anlagen bis zum Jahre 1961 durch eine ., Gruppe britischer Techniker in Zivil und über- r dies das Recht Großbritanniens festhielf, im s Falle einer Bedrohung der Türkei oder eines der arabischen Länder seitens einer dritten s Macht — gemeint war natürlich die UdSSR — c die Kanalzone neuerdings militärisch zu be- 5 setzen. Wie die Dinge nun liegen, wird der

Londoner Regierung nichts anderes übrigbleiben, als sich mit der Annullierung dieser Rechte abzufinden und auch den materiellen Wert der in der Kanalzone aufgehäuften militärischen Güter, deren Abtransport ihr vertragsgemäß bei vorzeitiger Auflösung des Uebereinkommens zu- sfünde — es handelt sich da vor allem um kostspielige maschinelle Einrichtungen, ungeheure Mengen von Munition, Tausende von Heeresfahrzeugen ‘aller Art — auf das Verlustkonto zu schreiben. Dabei wird es ihr schwerlich zum Trost gereichen, daß der Abschluß jenes Vertrages schon damals von vielen Seiten, und nicht alfein im Parlament von Westminster, scharf kritisiert und als auf falschen Voraussetzungen beruhend bezeichnet wurde. Unter anderem wurde darauf hingewiesen, daß es schon über die Frage, ob im gegebenen Fall eine „Bedrohung" im Sinn des Vertrages vorliege, sehr leichf zu Unstimmigkeiten zwischen London und Kairo kommen könnte, zumql die Sicherheit der Türkei keineswegs eine Angelegenheit sei, die den Aegyptern bei ihren alten Ressentiments gegen die osmanische Herrschaft besonders am Herzen liege; und ebenso wurden schon vor der Ratifizierung des Vertrages und seither wiederholt ernsf zu nehmende Bedenken darüber laut, ob die Massierung von Streitkräften am Kanal selbst auch unter den Gegebenheiten der modernen Kriegstechnik noch immer das sicherste Mittel sei, um diese Wasserstraße vor dem Zugriff eines bewaffneten Gegners oder selbst vor Sabotageakten inoffizieller Natur zu schützen. Aber gleichgültig, mit welchen Gefühlen die Regierung Eden heute die Bilanz ihrer bisherigen Suezkanalpolitik zieht, wichtig ist nur, ob es ihr und ihren politischen und militärischen Ratgebern gelingt, sich von den Vorstellungen einer vergangenen Zeit zu befreien und den weifen Blick zu gewinnen, den die Vielfalt der vorliegenden Aufgabe erfordern. Der Gedanke, der dem jüngsten Projekt des Präsidenten Eisenhower zugrunde liegt, sollte da als Wegweiser dienen. Nicht in der sogenannten Kanalzone, in den paar hundert Quadratkilometern um Ismailia, und nicht durch militärische Stärke allein, so notwendig diese ist, werden die für die westliche Welt lebenswichtigen Positionen im Nahen Orient am sichersten verteidigt werden können, sondern durch eine konsequente Politik aufrichtiger und hilfreicher Freundschaft mit den arabischen Völkern, deren tief erschüttertes Vertrauen zu den Mächten des Westens

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