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Randhemerhungen zur wocbe

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HÜTER DER PRESSEFREIHEIT haben an erster Stelle die Journalisten selbst zu sein, sie, die ihren Beruf, ihren Dienst an der städtlichen Gemeinschaft und die Würde ihres Standes auf das freie Wort gründen. Schlimmer, folgenschwerer selbst als der Mißbrauch der Pressefreiheit ist ihre Unterdrückung; gegen das mißbrauchte Wort gibt es eine Gegenwehr durch das rechte Wort: Gegen Mißbrauch und Korruption, die parasitären Erscheinungen im öffentlichen Leben, gibt es keine Gegenwehr, wenn das freie Wort seinem vernehmlichsten Träger, der Presse, unterbunden ist. Für den Staat können Notstände eintreten, wo er zu dem Mittel der zeitweisen Beschränkung der Pressefreiheit greifen muß; es wird immer auch für ihn ein gefährliches Mittel sein. Wer aber sonst hätte das Recht, es anzuwenden? Unsere Journalistengewerkschaft hat dieser Tage die Chefredakteure der kommunistischen Presse Österreichs aus der Gewerkschaft ausgeschlossen mit der Begründung, im Zusammenhang mit dem kommunistischen Generalstreikversuch sei die Schreibweise dieser Blätter geeignet gewesen, das Ansehen des Gewerkschaftsbundes schwer zu schädigen und dessen Beschlüssen entgegenzuwirken. Damit sei, verstoßend gegen 18 der Statuten, eine Verletzung der Disziplin erfolgt, die mit dem Ausschluß geahndet werde. Der politische Charakter des Aktes kann damit nicht aufgehoben werden. Journalisten haben das verliehene freie Wort mißbraucht, und der Gewerkschaftsbund bestraft sie mit der schärfsten ihm zur Verfügung stehenden Strafe. Es seien Bedenken gegen die Entscheidung angemeldet. — Es hat eine Zeit gegeben, da die Allmacht der liberalen Presse'es erlaubte, christlichsoziale Journalisten wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem christlichsozialen — nicht vielleicht rassenantisemitischen — Blatte von der einzigen damals bestehenden Standesvereinigung, der „Concordia“, auszuschließen und ihnen die damals einzig erreichbare bescheidene Sozialversicherung für Alter und Invalidität zu nehmen. Damals sperrte man Christlichsoziale aus, heute Kommunisten. Wer ist der nächste? Aber nicht die Besorgnis vor diesem Hin und Her der Machte sondern der grundsätzliche Ein w and ist Ursache, zu sprechen. Die Gewerkschaft der Journalisten ist keine Polizeiorganisation, sondern eine Vereinigung der Männer des freien Wortes und der Demokratie. Die „Furche“ sagt mit dem Lateiner: Dixi et salvavi animam meam.

EINE HÄUFUNG SCHWERER SITTLICHKEITSDELIKTE JUGENDLICHER wird aus den Bundesländern gemeldet. Die oberösterreifhischen Behörden haben eine Enquete von Erziehern, Fürsorgereferenten und medizinischen Fachkräften angeordnet, um die Ursachen dieser Welle von Verbrechen zu erforschen. Ohne den Ergebnissen dieser Untersuchungen vorgreifen zu wollen, kann man doch wohl jetzt schon sagen, daß die äußeren Ursachen — Kriegsfolgen, Wohnungs- und Flüchtlingselend, Vergiftung der jugendlichen Phantasie durch Schmutz und Schund — wie die tiefsten Wurzeln — Lockerung der Familien'-bände und überkommenen Sitte sowie vor allem die Zurückdrängung der religiösen Erziehung in den vergangenen Jahrzehnten — im großen und ganzen längst bekannt sind. Was sich ferner jetzt schon als b e s o n-der s alar mier end f est st eilen läßt, ist, daß fast alle diese von Jugendlichen an Jugendlichen begangenen Verbrechen sich nicht in den großen Städten, sondern auf dem Lande, in den kleinen Gemeinden und Dörfern abspielten. Eine Gefahr, auf die in diesem Blatte schon seit Jahren wiederholt hingewiesen wurde, zeigt sich da wieder ganz konkret. Nicht mehr wie noch vor einem halben Jahrhundert sind nur die Elends- und „Vergnügungs“-Viertel der Großstadt Frontgebiet des Kampfes gegen Verfall und sittliche Gefährdung: nein, das Übel hat auch schon aufs „flache Land“ übergegriffen und bedroht damit jenen festen Rückhalt der Volkskraft, jenes Kraftreservoir, von dem aus in der Vergangenheit die großstädtischen Substanzverluste immer wieder wettgemacht worden sind. Damit aber offenbart sich eine sehr bedrohliche Situation, vergleichbar jener in den Industriegebieten in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Mit dem großen Unterschied, daß, diesmal der Kern selbst angegriffen ist und daß dah?r Wachsamkeit und tätiges Eingreifen und Bessern fast noch dringender notioendip sind als einst in den Slums der Jndustrie-städte.

DIE OSTERREICHISCHE WISSENSCHAFT verliert abermals einen bedeutenden Gelehrten: den Tierpsychologen Konrad Lorenz, dessen Name in den Fachkreisen des In- und Auslandes einen sehr guten Klang hat. Dieser Gelehrte hat aus eigenen Mitteln — er verbrauchte sie dabei bis zum letzten Rest — in Altenburg ein „Institut für vergleichende Verhaltensforschung“ errichtet, das den Fachkollegen in aller Welt als eine Art Mekka galt und später, was viel besagen will, von der österreichischen Akademie der Wissenschaften übernommen wurde. Finanzielle Hilfe gewährte man trotz aller Forderungen, die von den gelehrten Kollegen für den Bescheidenen erhoben wurden, weder Professor Lorenz noch seinem so bedeutenden Institut — Zumindestens nicht vom österreichischen Staat, der ihm lediglich eine schmale Privatdozentur, auf Grund des Dienstpostenplanes aber nicht einmal ein

Extraordinariat auf einer Hochschule zugestehen konnte. Seif sam und traurig, daß die einzige finanzielle Unterstützung, die Konrad Lorenz erhielt, von einem ausländischen Dichter geleistet wurde; der Englän-, der Priestley ließ alle Tantiemen, die ihm aus Aufführungen seiner Stücke an öster reichischen Bühnen erwuchsen, nach Altenburg überweisen... Cambridge und Oxford waren die ersten, die sich um Professor Lorenz bewarben. Dann stellte sich die westdeutsche Max-Planck-Gesellschaft ein. Sie bot ein modernst eingerichtetes Institut in der Nähe von Münster an, dessen' Universität es sich zur Ehre anrechnet, dem österreichischen Gelehrten eine Ordinariatsstelle zu verleihen; für seine Arbeit in Münster würde Professor Lorenz — der außerdem noch drei seiner Assistenten mitnehmen darf — 1000 DM im Monat erhalten. Die Ubersiedlung scheint bereits beschlossene Sache zu sein und Professor Lornz nur noch zwischen dem englischen und dem deutschen Angebot zu schwanken. — Osterreich ist arm, zweifellos. Es kann sich vieles nicht leisten, was sich seine Nachbarn auch heute noch leisten können. Aber noch ärmer zu werden — das darf sich unser Land jedenfalls nicht mehr leisten. Selbst wenn Instanzen oder Dienstpostenpläne übergangen werden müßten.

WAS GEHT IN KOREA VOR? Am 17. November erfolgten von selten des Präsidenten Truman und des Außenministers Ache-son feierliche Erklärungen an China, die bestimmt waren, einer Ausweitung des Krieges mit China zu begegnen. Am 23. November setzte auch eine britische Vermittlungsaktion in Peking ein, und gleichzeitig wurden an der koreanischen Front kleine Gruppen amerikanischer Kriegsgefangener von den Chinesen in Freiheit gesetzt und in die amerikanischen Linien mit dem Bedeuten zurückgesandt, es läge den Chinesen nicht daran, mit den Amerikanern zu kämpfen, doch sei die amerikanische Verheißung, den 3 8. Breitegrad nicht üb er s ehr exten zu wollen, nicht eingehalten worden. — Afan konnte in diesen Vorfällen an der Front den Versuch sehen, einer Verständi-, gung entgegenzukommen. Zu gleicher Zeit kündigte MacArthur überraschend eine Generaloffensive an, die bis Weihnachten den Krieg beenden werde. Das Kommunique' des amerikanischen Hauptquartiers vom 24. November erklärte: „Die Einkesselungs- und Abschnürungsversuche gegen die feindlichen Truppen in Nordkorea nähern sich ihrem Ende.“ Die eingeleitete große Zangenbewegung stehe vor der Vollendung. Am 26. November meldete unmittelbar darauf die englische Agentur Reuter, in die Front MacArthurs sei von den Angreifern eine elf Kilometer breit Bresche geschlagen; ein Viertel der UN-Truppen, besagten ergänzende Berichte, sei auf dem Rückzug. — Zwischen der diplomatischen und der militari“ sehen Aktion klafft eine ersichtliche Lücke. Wieweit dabei die persönliche Verantwortung MacArthurs geht, der sich schon zuvor in einem ersichtlichen Abstand von den Auffassungen des Weißen Hauses ba-wegt hat, wird der Klarstellung bedürfen. Die erkennbaren Widersprüche sind bedenklich.

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